Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist unbeachtlich - § 679 Alt. 1 BGB

Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist unbeachtlich - § 679 Alt. 1 BGB

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Grundstückseigentümer G ist laut der für ihn gültigen Gemeindesatzung dazu verpflichtet, den Gehweg vor seinem Haus im Winter zu streuen. Er kommt dieser Verpflichtung jedoch nicht nach, weil er dafür kein Geld ausgeben möchte. Ohne vorherige Absprache mit G streut Nachbar N für G mit.

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Einordnung des Falls

Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist unbeachtlich - § 679 Alt. 1 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. N hat den Gehweg vor dem Haus des G gestreut und damit ein Geschäft des G ausgeführt. Es handelt sich dabei um ein objektiv fremdes Geschäft, sodass der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird. Er wurde auch nicht von G dazu beauftragt oder ist ihm gegenüber sonst dazu berechtigt.
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2. Die GoA durch N ist unberechtigt, da die Übernahme der Geschäftsführung durch N nicht dem wirklichen Willen des G entsprach.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine berechtigte GoA liegt trotz eines der Geschäftsführung entgegenstehenden wirklichen Willens des Geschäftsherrn vor, wenn der Wille des Geschäftsherrn nach § 679 BGB unbeachtlich ist. Nach § 679 BGB ist dies unter anderem dann der Fall, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt wird. G will nicht, dass vor seinem Haus gestreut wird. Die Erfüllung der Streupflicht ist jedoch eine Verkehrssicherungspflicht und liegt somit im öffentlichen Interesse. Ihre Einhaltung kommt nicht nur G zugute, sondern auch Fußgängern, die den Gehweg vor Gs Haus nutzen.

3. N kann die Kosten für das auf dem Grundstück des G verwendete Streugut von G ersetzt verlangen.

Ja, in der Tat!

Nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat der Geschäftsführer einer berechtigten GoA einen Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Nach § 683 S. 2 BGB gilt dies auch für diejenigen Fälle, in denen der wirkliche Wille des Geschäftsherrn zwar entgegen steht, jedoch nach § 679 BGB unbeachtlich ist. Der Einsatz von Streugut auf dem Grundstück des G war eine Aufwendung, die N für erforderlich halten durfte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PR

Prokurist

24.10.2022, 14:40:12

Das ist natürlich nicht der Schwerpunkt des Falls, aber könnte hier nicht eher ein auch-fremdes Geschäft vorliegen, da der Nachbar den Gehweg wohl selbst regelmäßig nutzt und die Verletzungsgefahr ohne Streusalz auch im eigenen Interesse beseitigen möchte?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2022, 10:12:09

Hallo Alexander, guter Gedanke. Im ersten Examen (und bei Jurafuchs) ist allerdings der Sachverhalt feststehend. Lebensnahe Ergänzungen können schnell auf Abwege führen. Da wir hier keine näheren Informationen zu den Grundstücken haben, kann man hier nicht ohne Weiteres ein auch-fremdes Geschäft annehmen. Aber in der Praxis läge dies tatsächlich nahe. Für die weitere Prüfung ändert sich dadurch auch nichts, da auch beim auch-fremden Geschäft nach der Rspr. des BGH der

Fremdgeschäftsführungswille

n vermutet wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

5.9.2023, 17:34:48

Tolle Zeichnung! Der übergroße Salzstreuer ist genial. :D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.9.2023, 11:56:35

Danke Bilbo, das leite ich gerne weiter :-)!

LAULAUA

LaulauAC

11.4.2024, 14:58:23

Ist der entgegenstehende Wille hier überhaupt relevant? Er muss ja nach außen getragen sein, das ist für mich - wenn überhaupt - im Unterlassen des Streuens zu sehen.

LS2024

LS2024

12.4.2024, 17:17:46

Sehe ich auch so. Das bloße Unterlassen ist mMn nicht hinreichend Ausdruck eines Willens nicht zu Streuen. Um das so auszulegen müssten schon zusätzliche Umstände hinzutreten.


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