Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA
Subjektiv fremdes Geschäft – Kauf für einen anderen
Subjektiv fremdes Geschäft – Kauf für einen anderen
17. Februar 2025
29 Kommentare
4,8 ★ (37.333 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G weiß, dass die S mit großer Leidenschaft Pandafiguren sammelt und jederzeit bereit ist, ihre Sammlung durch Ankäufe zu erweitern. Auf dem Antikmarkt erwirbt G im eigenen Namen von V eine Pandafigur „für S“. S hatte G weder beauftragt noch bevollmächtigt. V sieht G als Käufer an.
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Einordnung des Falls
Subjektiv fremdes Geschäft – Kauf für einen anderen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem G von V eine Pandafigur gekauft hat, hat G „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat G, indem er bei V die Pandafigur gekauft hat, ein objektiv fremdes Geschäft besorgt?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Indem G bei V die Pandafigur gekauft hat, hat G ein subjektiv fremdes bzw. neutrales Geschäft besorgt. Muss der Fremdgeschäftsführungswille daher positiv festgestellt werden?
Ja!
4. Hier liegt kein objektiv, sondern ein subjektiv fremdes Geschäft vor. Wird Gs Fremdgeschäftsführungswille dennoch vermutet?
Nein, das ist nicht der Fall!
5. G hat das Geschäft für S besorgt, „ohne von ihr beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ (§ 677 BGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Geasoph
23.10.2021, 21:34:39
Also bei subjektiven Geschäften kommt es für den FGW auf die innere Willensrichtung an, die zB für den Vertragspartner aber nicht erkennbar sein muss, richtig ?
Victor
24.10.2021, 12:00:45
Genau!
beejudberöpyi
12.3.2022, 00:59:36
Es ist doch gerade der Sinn des subjektiv-fremden Geschäfts, dass der FGW nach außen getragen wird. Deshalb müssen ja auch Fremdheit und FGW in diesem Fall zusammen geprüft werden. Wandt, Gesetzliche
Schuldverhältnisse, 2020 m.w.N.
Barbara Salesch
2.7.2022, 14:44:53
Auch im Looschelders ist davon die Rede, dass bei subjektiv fremden Geschäften der Wille nach außen erkennbar in Erscheinung treten muss (Looschelders SR BT, § 46 Rn. 9)

Eichhörnchen I
17.10.2022, 13:40:37
Es scheint da umstritten zu sein, ob die Fremdgeschäftsführungsabsicht nach außen erkennbar hervorgetreten sein muss (h.M.) oder der innere Wille genügt. Nach einer (für mich schlüssigen Argumentation) sieht die Mindermeinung in der Anforderung eine unzulässige Vermischung von Beweisebene mit dem materiellen Recht (MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, Rn. 50). Beste Grüße
Vanilla Latte
29.2.2024, 00:32:06
Aber an welcher Stelle wird hier der FGW nach außen hin erkennbar? Das ist doch erforderlich oder?
Leo Lee
4.3.2024, 08:40:34
Hallo Vanilla Latte, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du liegst mit deinem Gefühl richtig! Man braucht bei einem obj. Fremden Geschäft einen nach außen erkennbaren Willen, für einen anderen tätig zu werden. Hier muss es also für den V erkennbar sein, dass G für einen anderen den Gegenstand gerade kauft (was der G nicht getan hat). Folglich liegt kein obj. Fremdes Geschäft vor, da – wie du völlig richtig anmerkst – der FGW nicht nach außen hin erkennbar wird :). Falls ich deine Frage falsch verstanden habe, würde ich mich über eine kurze Rückmeldung freuen! Ansonsten kann ich hierzu die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 44 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Flohm
26.3.2024, 10:30:55
Muss bei subj. fremden Geschäften der
Fremdgeschäftsführungswillenach außen erkennbar sein? Er muss ja positiv festgestellt werden.
Leo Lee
29.3.2024, 03:25:39
Hallo Flohm, vielen Dank für die sehr gute Frage! Bei einem subj. Fremden (auch „neutralen“) Geschäft muss der FGW insofern „nicht nach außen erkennbar sein“, als dieser entweder vermutet oder eben bewiesen werden muss! So wird bei einem ausschl. fremden Geschäft der FGW zu vermuten bzw. anzunehmen sein, wohingegen bei einem ausschl. eigenen Geschäft (nach außen hin) der FGW bewiesen bzw. dargelegt werden muss. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 53 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Blotgrim
19.5.2024, 10:43:50
Aber wenn bei einem neutralen Geschäft wie hier der
Fremdgeschäftsführungswillezu beweisen ist muss er dann nicht eigentlich nach außen treten, damit man ihn beweisen kann? Ich meine als Geschäftsführer kann ich im Nachhinein ja viel behaupten, was ich mir so gedacht habe. Reichen da solche Angaben wie hier im Sachverhalt und wie läuft das in der Praxis, da kann man ja nicht in den Kopf des Geschäftsführers reinschauen
Wysiati
20.9.2024, 11:27:37
@[Blotgrim](167544) Ich kenne mich hier noch nicht sehr gut aus, deswegen gerne korrigieren. Meiner Meinung nach ist es so. Subjektive Aspekte im Gesetz eröffnen immer einen Bewertungsspielraum des Gerichts. Nicht ausdrücklich, aber implizit. Wie du schon sagst, man kann nicht in die Köpfe der Menschen sehen. Es ist also dann Aufgabe der Anwälte entsprechend zu argumentieren und des Richters zu entscheiden, was denn nun der Wille war. Dabei gibt es sicherlich nähere prozessrechtliche Vorschriften, die ich noch nicht kenne, jedenfalls wird dann eben alles herangezogen, mit dem man den Willen belegen könnte. Würdest du ein "Nach-außen-treten" verlangen, würde das den Bewertungsspielraum stark verringern und zwar auf alle Handlungen die objektiv messbar passiert sind. Heranziehen könnte man dann wohl bspw. nicht, dass zwei Menschen Freunde
waren und dass Geschäft für den anderen Freund von Vorteil war, nicht aber für den Freund der Gf ist. Das könnte man sonst sicher dazu verarbeiten, dass der Gf Freund offensichtlich das Geschäft für den Gh Freund führen wollte. So würde ich den Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Bewertung auf Prozessebene beschreiben. Grds. bleibt aber, dass man diese nicht mit der materiellen Ebene verwechseln darf. Es ist sicherlich nicht rein subjektiv, wenn etwas objektiv nach außen tritt. Vielleicht hilft diese Perspektive weiter.
benjaminmeister
5.1.2025, 18:25:35
@[Wysiati](262458) ich würde dir hier widersprechen. So wie ich es verstehe muss für das subjektiv fremden Geschäft der
Fremdgeschäftsführungswilleerkennbar nach außen treten: Dazu Looschelders,
SchuldR BT, § 43 Rn. 6: "Bei objektiv eigenen oder objektiv neutralen Geschäften kann das Merkmal der Fremdheit dagegen nur dann bejaht werden, wenn der äußerlich erkennbare Wille des Geschäftsführers auf ein Tätigwerden für einen anderen gerichtet ist (subjektiv fremde Geschäfte)."
Wysiati
5.1.2025, 22:33:03
@[benjaminmeister](216712) Die Absicht muss in allen Konstellationen, dh sowohl beim objektiv ausschließlich oder auch-fremden als auch beim neutralen Geschäft, nicht nach außen erkennbar hervortreten, es genügt der innere Wille. Wenn die hM ein äußeres Zeichen fordert, vermischt sie in unzulässiger Weise die Beweisebene mit dem materiellen Recht. Zudem rückt sie die Fremdgeschäftsführungsabsicht in die Nähe der Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (§ 130). (MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 677 Rn. 58-60) Die hier getroffene
Aussagetrifft genau mein Verständnis. Es muss prozessual der
Fremdgeschäftsführungswille(im MüKo in Bewusstsein und Absicht getrennt) ausdrücklich festgestellt werden, die
Vermutunggreift bei lediglich subjektiv fremden Geschäften nicht. Mit dem materiellen Recht hat das nichts tun. Es müssen Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer ein Gericht den
Fremdgeschäftsführungswillen feststellen kann, das wird regelmäßig die
Erkennbarkeitnach außen sein. Aber als
Tatbestandsmerkmalbei subjektiv fremden Geschäften nach außen tretende Zeichen, Verkörperungen des Willens zu fordern ist gesetzlich doch nicht angezeigt. Es geht bei der
Geschäftsführung ohne Auftragdarum, ob das Geschäft für einen anderen geführt werden soll. Das erfordert eine
Tatsachenermittlung durch das Gericht. Es handelt sich hingegen nicht um eine Willenserklärung. Dort muss ein gewisser Wille für den Rechtsverkehr erkennbar sein und deshalb nach außen treten. Dies ist wesentlich für die Willenserklärung. Der Rechtsverkehr hat aber kein Interesse daran, zu erkennen, ob jemand gerade für jemanden anderen (GoA) oder für sich selbst handelt. Das jedenfalls ist meine Sichtweise, erklär mir aber sehr gerne, warum man das anders sehen könnte!
benjaminmeister
6.1.2025, 09:42:50
@[Wysiati](262458) ich verstehe deine Argumentation aber weiterhelfen tut es nur wenig: Praktisch wird sich ein
Fremdgeschäftsführungswilledann, wenn er nicht nach außen erkennbar tritt, nie beweisen lassen. Jeder Fall ohne nach außen erkennbaren
Fremdgeschäftsführungswillen ist also ein rein theoretischer Klausurfall, der in der Praxis so nie eintreten könnte. Mir ist bewusst, dass es in Klausuren zum ersten Examen immer wieder praxisferne Konstellationen gibt, nur hier würde das dann besonders krass auffallen. Außerdem finde ich, dass es sehr wohl möglich ist, den prozessualen Aspekt auf die materielle Ebene zu heben, weil das subjektiv fremde Geschäft ja zunächst einmal nur ein objektiv neutrales/eigenes Geschäft ist. Es geht also gar mMn nicht nur darum, einen inneren
Fremdgeschäftsführungswillen im Prozess beweisen zu müssen, sondern die hM geht davon aus, dass ein objektiv neutrales/eigenes Geschäft nur dann zu einem "GoA-fähigen" Geschäft werden kann, wenn eben der
Fremdgeschäftsführungswilleauch nach außen tritt. Ich bin mir selbst gar nicht sicher, ob das hM ist (orientiere mich da an deiner
Aussage) (Looschelders, den ich maßgeblich zum Lernen benutze, vertritt nur diese Ansicht ohne das groß in Frage zu stellen) aber in den JF-Aufgaben wird diese Ansicht meinem Gefühl nach oft einfach übergangen. Danke jedenfalls für deine guten Ausführungen, so macht doch diskutieren und lernen Spaß 😁
Wysiati
6.1.2025, 11:38:31
In Sachen Praxis hast du natürlich vollkommen recht. Und die Perspektive, dass ein
subjektiv fremdes Geschäfterst einmal keine
Geschäftsführung ohne Auftragsein soll, sondern erst, wenn der
Fremdgeschäftsführungswilleobjektiv erkennbar nach außen tritt, hatte ich noch gar nicht bedacht. Ebenfalls danke für deine Erklärung, das ist genau der Austausch, den ich mir auf dieser Plattform wünsche!
benjaminmeister
6.1.2025, 13:05:14
Noch als Nachtrag: Es gibt doch tatsächlich Autoren in der Literatur, dass "Fremdheit des Geschäfts" gar kein eigenes
Tatbestandsmerkmalneben dem
Fremdgeschäftsführungswillen ist. Du hast also danach ebenfalls Recht @[Wysiati](262458). Wenn man wie JF aber meistens der Rspr. folgt, wäre es schön wenn man es dann auch konsequent durchzieht und den nach außen tretenden
Fremdgeschäftsführungswillen nicht nur als prozessuales Beweisproblem, sondern auch als
Tatbestandsproblem für "Fremdheit des Geschäfts" begreift. Die Autoren, die das wohl vertreten, habe ich mal aus Looschelders,
SchuldR BT, § 42 Rn. 3 kopiert: "So BeckOGK/Thole, 1.8.2023, BGB § 677 Rn. 97f.; Soergel/Beuthien § 677 Rn. 3; Brox/Walker
SchuldR BT § 36 Rn. 2; Gursky AcP 185 (1985), 13ff.; B. Schmidt JuS 2004, 862 (864ff.)."
benjaminmeister
5.1.2025, 18:35:41
Einerseits steht im Sachverhalt, dass G "für S" erwirbt. Aus nur diesem Satz wird nicht eindeutig klar, ob er das gegenüber dem Verkäufer äußert oder sich nur denkt. Am Ende des Sachverhalts steht wiederum, dass der Verkäufer davon ausgeht, dass G für sich selbst den Panda erwirbt. Das ergibt nur Sinn, wenn das "für S" nie von G ggü. V gesagt wird. In einem der Erklärungstexte steht dann aber, dass "der Umstand, dass G SAGT "für S" zu erwerben, nichts daran ändert, dass kein
objektiv fremdes Geschäftvorliegt". Wenn G das aber tatsächlich "sagt", ist es unlogisch, dass der Verkäufer trotzdem davon ausgeht, dass G für sich erwirbt. Der Verkäufer würde vielmehr von einer Stellvertretung ausgehen. Der Fall ergibt nur Sinn, wenn G gerade nicht S ggü. dem Verkäufer erwähnt. Deshalb muss mindestens der Erlärungstext geändert und das "sagt" durch "denkt" ersetzt werden (nur das ist auch mit der Zeichnung vereinbar, nach der sich G das "für S" nur denkt) Eine weitere Anpassung muss dann aber auch erfolgen, weil zumindest nach einer Ansicht ein
subjektiv fremdes Geschäftnur vorliegt, wenn der
Fremdgeschäftsführungswilleerkennbar nach außen hervortritt (z.B. Looschelders,
SchuldR BT, § 43 Rn. 6). Das könnte derart geschehen, dass der G mit seiner Frau vor dem Kauf Rücksprache hält, ob er den Panda "für S" kaufen soll. Der bloße innere Wille ist nach dieser Ansicht nicht ausreichend.

Linne_Karlotta_
16.1.2025, 09:00:59
Hey @[benjaminmeister](216712), danke für deine Anregung. Wir haben den Sachverhalt jetzt noch etwas angepasst und hoffen, dass das an dieser Stelle jetzt klarer ist. Für's erste Examen gilt allerdings generell: Weniger Sachverhaltsinterpretation – dafür mehr Annahme des Sachverhalts als gegeben. Wenn im Sachverhalt steht, dass V den G als Käufer ansieht und G die Figur im eigenen Namen erwirbt, dann solltest Du das in der Klausur auch so hinnehmen. Das „für S“ könnte auch so verstanden werden, dass G einfach ein Geschenk für S kaufen möchte. Wie genau es zu verstehen ist musst Du aber an dieser Stelle – wegen der eindeutigen Angaben im Sachverhalt – nicht diskutieren. In der Praxis wären deine Ausführungen i.R.d. Beweiswürdigung sicher gut untergebracht. Hier hätte man dann aber noch weitere Möglichkeiten, wie z.B. die Parteivernehmung, um zu ermitteln, wer sich was gedacht oder nicht gedacht hat. Die Fälle im ersten Examen müssen wir aber als „ausermittelt“ hinnehmen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team