Grob fahrlässiges Handeln – MRT

14. Februar 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Ärztin A besitzt ein Magnetresonanztomographen (MRT). R putzt bei A für €300/Monat. Während seiner Schicht beginnt das MRT zu piepen. Statt des Schalters „Alarm silence“, betätigt R die rote Notabschaltung. Diese befand sich hinter einer Plexiglasklappe auf der steht: „bei Alarm nicht drücken, sonst wird's teuer“. Ein Schaden von €30.000 entsteht.

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Einordnung des Falls

Grob fahrlässiges Handeln – MRT

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer BaWü 2023
Examenstreffer Sachsen 2023
Examenstreffer NRW 2023

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A könnte gegen R einen Anspruch auf Ersatz der €30.000 haben (§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Zwischen A und R besteht ein Arbeitsvertrag. Indem R das MRT unsachgemäß bediente und sich über die Hinweise hinwegsetzte hat er seine arbeitsvertraglichen Schutzpflichten verletzt. Aufgrund der deutlichen Kennzeichnung, hat er dabei im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet und somit fahrlässig gehandelt (§ 276 Abs. 1 BGB). Durch die unachtsame Bedienung des MRT kam es zur Notabschaltung und einem Schaden von €30.000. Fraglich ist allerdings, ob zugunsten der R eine Haftungsprivilegierung eingreift.
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2. Liegen die Voraussetzungen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vor?

Ja, in der Tat!

Die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches sind anzuwenden, wenn (1) der Anspruchsgegner zum geschützten Personenkreis gehört und (2) der Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden ist.R ist Arbeitnehmer. Er wollte den Alarm ausstellen und handelte insoweit in As Interesse. Damit liegt auch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit vor.

3. Der Umfang der Haftungsprivilegierung richtet sich nach dem Verschuldensgrad.

Ja!

Der Umfang der Haftungsprivilegierung erfolgt entsprechend des Verschuldensgrades. Ein Arbeitnehmer hat vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer grundsätzlich den gesamten Schaden zu tragen. Im Einzelfall kommen aber Haftungserleichterungen in Betracht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen. Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei sowohl auf die pflichtverletzende Handlung als auch auf den Eintritt des Schadens beziehen.

4. Indem R die Notabschaltung betätigte, handelte er grob fahrlässig (Schädigungshandlung).

Genau, so ist das!

Grob fahrlässig handelt, wer objektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet gelassen hat, was in der konkreten Situation für jedermann erkennbar gewesen ist. R bediente das MRT, obwohl er in die Bedienung nicht eingewiesen war. Ihm musste zudem klar sein, dass das wahllose Drücken eines Knopfes, der noch dazu durch einen Plexiglasdeckel gesichert war, mehr zur Folge haben konnte, als das Abschalten des Alarms.

5. R musste nicht mit solch hohen Schäden rechnen, weswegen im Hinblick auf den Schadenseintritt lediglich normale Fahrlässigkeit vorliegt.

Nein, das trifft nicht zu!

Grob fahrlässig handelt, wer objektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet gelassen hat, was in der konkreten Situation für jedermann erkennbar gewesen ist.Über dem Knopf befand sich explizit der Hinweis darauf, dass es durch das Betätigen des Knopfes teuer wird. Indem R diesen dennoch betätigte handelte er auch mit Blick auf den Schaden grob fahrlässig. Im Originalfall war dieser zusätzliche Hinweis streitig, weswegen das BAG hinsichtlich des Schadens grobe Fahrlässigkeit verneinte.

6. Da R sowohl im Hinblick auf sein Handeln, als auch hinsichtlich des Schadenseintritts grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, muss er nun den vollen Schaden begleichen.

Nein!

Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer grundsätzlich den gesamten Schaden zu tragen. Auch bei grober Fahrlässigkeit kommt aber eine Haftungsbegrenzung in Betracht, sofern der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht. Eine feste, summenmäßig beschränkte Obergrenze der Haftung gibt es aber nicht.Der von R verursachte Schaden entspricht 100 Monatsgehältern bzw. über acht Jahresgehälter. Insoweit liegt ein deutliches Missverhältnis vor, die dennoch eine Begrenzung der Haftung rechtfertigt.Im Originalfall hatte das BAG eine Begrenzung auf ein Jahresgehalt gebilligt. In der Praxis liegt die Untergrenze des Arbeitnehmeranteils bei grober Fahrlässigkeit in der Regel bei drei Bruttomonatsgehältern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

15.11.2023, 18:10:54

Vielleicht könnte man hier zum generellen Verständnis und zur Abgrenzung zum deutlichen Missverhältnis erst die Frage stellen, ob grds. der gesamte Schaden beglichen werden muss und dann mit einer weiteren Frage darauf eingehen, wie es konkret aufgrund des Missverhältnisses aussieht. Ich war zumindest erst kurz verwirrt

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.12.2023, 15:24:28

Vielen Dank für den Hinweis, Rechtsanwalt B.Trüger. Wir haben die Frage hier nun noch leicht umformuliert, sodass es nun klarer werden sollte, dass es nicht um den Grundsatz gehen soll, sondern um den konkreten Fall (Schaden 30.000€). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

IS

IsiRider

8.2.2024, 15:54:09

In dem Fall davor hieß es, auf 276 sei nicht abzustellen. Hier wurde auf 276 abgestellt. Was gilt jetzt?

Skra8

Skra8

17.2.2024, 14:21:50

Hi, grundsätzlich gilt der § 276 Abs. 1 BGB bei SE-Ansprüchen im Rahmen der §§ 280 ff. BGB. Allerdings finde ich, dass du recht hast, dass auch in dieser Aufgabe ein Hinweis auf § 619a BGB gemacht werden sollte. Zwar ist dieser Punkt hier keineswegs problematisch, kann aber, zu einer Verwirrung führen.

Irina95

Irina95

20.2.2024, 19:14:34

Der Fall lief in abgewandelter Form im ersten Examen in NRW. Dort ging es auch um eine Reinigungskraft, welche jedoch aufgrund eines roten Blinkens und grellen Piepens sich nach Dienstende zutritt zu den Räumlichkeiten (Restaurant) verschafft und einen Notknopf, auf welchem handschriftlich stand " nur im Brandfall betätigen" betätigte welcher eine Sprinkleranlage auslöst und einen Schaden i.H.v 120.000€ entstehen ließ.

Patrick

Patrick

24.2.2024, 10:50:00

Kam damals auch bei uns in BW

di203

di203

24.9.2024, 14:48:13

Ich bearbeite den Fall gerade im Klausurenkurs. Schloss sich im Examen auch die 2. Fallfrage nach dem Vergütungsanspruch des "Notknopf-Drückers" für die Renovierungszeit? Ist die Betriebsstilllegung trotz ver

schuld

eter

Eigentumsverletzung

dann noch Betriebsrisiko

§ 615

S. 3?

LENA

Lenale

27.2.2024, 18:12:32

Der Fall lief leicht abgewandelt im ersten Examen in ZR2!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.3.2024, 10:18:31

Vielen Dank, Lenale! Den Hinweis haben wir aufgenommen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

19.3.2024, 10:54:53

Dies kam auch in Sachsen dran 2023/I in der Z2 Klausur! Quelle: LEO Examensrepetitorium

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.3.2024, 09:10:41

Top, danke Dir!

WY

Wysiati

16.11.2024, 15:34:42

Wieso bezieht sich die Aufgabe hier auf das Missverhältnis von Lohn des AN und Schadensrisiko der Tätigkeit? Schließlich ist das Schadensrisiko der Tätigkeit als Reinigungskraft sehr niedrig, so wie auch das Gehalt hier. Das hat ja nichts mit dem hier eingetretenen Schaden zu tun. Dieser entspricht doch gerade nicht dem Risiko, das mit der Tätigkeit der Reinigung einhergeht. Geht es hier nicht viel eher um das Missverhältnis von Arbeitslohn des AN und eingetretenem Schaden? Zwar ist eure Formulierung eine direkte Übernahme derer des BAG in Rn. 10, aber ich verstehe auch nicht genau, was das BAG damit meint.

3racha

3racha

26.1.2025, 20:47:53

Hey^^ Ich hätte eine Frage bzgl. der Aufgabe „R musste nicht mit solch hohen Schäden rechnen, weswegen im Hinblick auf den Schadenseintritt lediglich normale Fahrlässigkeit vorliegt.“ Der Schaden betrug ja 30.000 Euro. Ich finde, dass der Begriff „teuer“ bei der

Aussage

„nicht den Kopf drücken, sonst wirds teuer“, sehr ungenau ist. Teuer kann ja schon 2.000 oder 3.000 Euro sein…es kommt auf die Person an, die das ließt. Für manche ist 30.000€ billig. Um grobe fahrlässigkeit (und nicht mittlere etc.) annehmen zu können, hätte nicht ein Mindestbetrag (oder ähnliches) für den Schaden dastehen müssen? Damit man sich über die Dimensionen im Klaren ist? LG


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