Betrieblichen Übung - Begründung (Weihnachtsgratifikation)
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Fünf Jahre in Folge hat U ihren Mitarbeitern €250 Weihnachtsgeld gezahlt. Der Wortlaut der Arbeitsverträge sieht dies nicht vor. Aufgrund der Covid-19-Krise unterlässt U im November 2021 die Auszahlung. Der seit 2010 beschäftigte Arbeitnehmer A besteht auch in diesem Jahr auf das Weihnachtsgeld.
Einordnung des Falls
Betrieblichen Übung - Begründung (Weihnachtsgratifikation)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat A nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Auszahlung des Weihnachtsgeldes (§ 611a Abs. 2 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
2. A könnte einen Anspruch auf Auszahlung des Weihnachtsgeldes nach § 611a Abs. 2 BGB iVm den Grundsätzen der betrieblichen Übung haben.
Ja, in der Tat!
3. Stellt die jährliche Zahlung des Weihnachtsgeldes ein relevantes Verhalten für die Begründung einer betrieblichen Übung dar?
Ja!
4. Genügt die fünfmalige Gewährung des Weihnachtsgeldes für die Annahme einer regelmäßigen Wiederholung?
Genau, so ist das!
5. Ist nach der (herrschenden) Vertragstheorie eine betriebliche Übung entstanden?
Ja, in der Tat!
6. Ist nach der Vertrauenstheorie eine betriebliche Übung entstanden?
Ja!
7. Hat A im Jahr 2021 einen Anspruch auf Weihnachtsgeld?
Genau, so ist das!
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Laura
26.3.2024, 23:44:58
Ich finde das einen sehr krassen Eingriff in die Unternehmerfreiheit. Zumal das Ausbleiben des Weihnachtsbonus aufgrund der Corona Pandemie ein schlüssiges Argument darstellen kann. Den Schutz des Arbeitnehmers dahin reichen zu lassen, dass den Arbeitgeber trotzdem zu einer nicht vertraglich verpflichteten Zahlung zu verpflichten, nur weil er es die letzten Jahre gemacht hat finde ich sehr einschneidend und ohne gesetzliche Grundlage.
Lukas_Mengestu
28.3.2024, 15:12:07
Hi Laura, das erscheint auf den ersten Blick natürlich tatsächlich hart. Aber genau aus diesem Grund gibt es verschiedene Möglichkeiten des Arbeitgebers, die betriebliche Übung von vorneherein zu verhindern (Freiwilligkeitsvorbehalt, doppelte Schriftform) bzw. nachträglich zu beseitigen (Widerrufsvorbehalt). Schau Dir hierzu gerne einmal die kommenden Einheiten an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Charliefux
11.4.2024, 18:24:08
Hat die Pandemie gar keinen Einfluss in diesem Fall auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes?
Timurso
24.7.2024, 11:05:56
Solange die Schwelle des § 313 BGB nicht erreicht ist nicht, nein.
Lord Denning
23.7.2024, 17:45:53
Liebes Jurafuchs-Team, hier wird geschrieben, „der Zugang ist entbehrlich (§ 151 S. 1)“, sofern ich mich richtig erinnere. Hier wäre es vielleicht präziser, zu schreiben, das ein tatsächlicher Zugang nach § 130 I 1 nicht erforderlich ist, weil die WE nur so in den Herrschaftsbereich gelangen muss, das die Person unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann und das dann anschließend die Annahme nach § 151 S. 1 entbehrlich ist. Faktisch ist der Zugang entbehrlich, vielleicht würde ich das nur mehr kennzeichnen (z.B. „vgl.“ § 151 S. 1)
Timurso
24.7.2024, 11:02:49
Das ist so nicht korrekt. § 151 S. 1 BGB normiert, dass die Annahme zwar erklärt, aber nicht gegenüber dem anderen Teil erklärt werden muss. Insofern ist die Lösung richtig, eine Erklärung ist erforderlich, der Zugang nicht. Für das Angebot ergeben sich dadurch keine Änderungen, dieses muss erklärt werden und auch zugehen. Genau das sagt hier auch die Lösung, sie sagt nur, dass im Rahmen der Annahme (nicht des Angebots) der Zugang gem. § 151 S. 1 BGB nicht erforderlich ist.
Lord Denning
26.7.2024, 13:14:44
Danke @[Timurso](197555), dann war ich vielleicht etwas unaufmerksam (daher der Vorbehalt ;)) Ich nahm an, dass „Zugang“ auf das Angebot und nicht die Annahme bezogen war. Das die Annahme dem Antragenden nicht zugehen muss, ist natürlich klar durch § 151 S. 1 geregelt.