Unmittelbarkeitszusammenhang - Flucht des Opfers

16. Februar 2025

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Klassisches Klausurproblem

T greift im Obergeschoss die Hausgehilfin O tätlich an und bringt ihr durch Schläge einen Nasenbeinbruch bei. Die verängstigte O flüchtet auf den Balkon. Dort stürzt sie ab und verunglückt tödlich.

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Einordnung des Falls

Unmittelbarkeitszusammenhang - Flucht des Opfers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. § 227 Abs. 1 StGB setzt auch den "grunddeliktischen Gefahrzusammenhang" voraus: Der Tod des Opfers muss also auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung beruhen.

Genau, so ist das!

Aufgrund der Verknüpfung zweier Unrechtselemente (Körperverletzung und schwerer Folge (hier: Todesfolge)) ist der Unrechtsgehalt bei Erfolgsqualifikationen wie § 227 Abs. 1 StGB höher und damit einhergehend auch das angedrohte Strafmaß. Die hohen Strafandrohungen führen dazu, die Tatbestände eng ("restriktiv") auszulegen, denn die Strafe muss zu ihrem Anlass, der Tat, in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es bedarf einer wirklich engen Verknüpfung des grunddeliktischen Unrechts mit dem Unrecht der Herbeiführung der schweren Folge (tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang).
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2. Kriterium dafür ist auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen Körperverletzungshandlung und Todeseintritt des Opfers.

Ja, in der Tat!

Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur muss sich im Todeserfolg die spezifische Lebensgefahr der grunddeliktischen Körperverletzungshandlung verwirklichen. Dieser Zusammenhang wird auch dahingehend formuliert, dass die Körperverletzung unmittelbar zum Tode führen muss. So sollen insbesondere Fälle ausgeschlossen werden, bei denen der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist (z.B. riskante Flucht oder Interventionen Dritter).

3. Die Flucht der O unterbricht nach dem BGH im entschiedenen Fall (BGH NJW 1971, 152 – Rötzel) den Unmittelbarkeitszusammenhang.

Ja!

Der Unmittelbarkeitszusammenhang – und damit auch der grunddeliktische Gefahrzusammenhang – wird durchbrochen, wenn der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist. Der BGH verneint hier die Unmittelbarkeit, denn die Schläge des T waren mit keinem tödlichen Risiko verbunden. Erst durch die auf eigenem Entschluss beruhende Flucht brachte sich O in Lebensgefahr. T hat sich nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Von diesem sehr restriktiven Verständnis aus der damaligen Rötzel-Entscheidung ist der BGH mittlerweile tendenziell abgerückt (siehe z.B. BGH NStZ 2008, 278 oder auch hier).
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