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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T greift im Obergeschoss die Hausgehilfin O tätlich an und bringt ihr durch Schläge einen Nasenbeinbruch bei. Die verängstigte O flüchtet auf den Balkon. Dort stürzt sie ab und verunglückt tödlich.

Einordnung des Falls

Unmittelbarkeitszusammenhang - Flucht des Opfers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. § 227 Abs. 1 StGB setzt auch den "grunddeliktischen Gefahrzusammenhang" voraus: Der Tod des Opfers muss also auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung beruhen.

Genau, so ist das!

Aufgrund der Verknüpfung zweier Unrechtselemente (Körperverletzung und schwerer Folge (hier: Todesfolge)) ist der Unrechtsgehalt bei Erfolgsqualifikationen wie § 227 Abs. 1 StGB höher und damit einhergehend auch das angedrohte Strafmaß. Die hohen Strafandrohungen führen dazu, die Tatbestände eng ("restriktiv") auszulegen, denn die Strafe muss zu ihrem Anlass, der Tat, in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es bedarf einer wirklich engen Verknüpfung des grunddeliktischen Unrechts mit dem Unrecht der Herbeiführung der schweren Folge (tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang).

2. Kriterium dafür ist auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen Körperverletzungshandlung und Todeseintritt des Opfers.

Ja, in der Tat!

Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur muss sich im Todeserfolg die spezifische Lebensgefahr der grunddeliktischen Körperverletzungshandlung verwirklichen. Dieser Zusammenhang wird auch dahingehend formuliert, dass die Körperverletzung unmittelbar zum Tode führen muss. So sollen insbesondere Fälle ausgeschlossen werden, bei denen der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist (z.B. riskante Flucht oder Interventionen Dritter).

3. Die Flucht der O unterbricht den Unmittelbarkeitszusammenhang.

Ja!

Der Unmittelbarkeitszusammenhang – und damit auch der grunddeliktische Gefahrzusammenhang – wird durchbrochen, wenn der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist. Der BGH verneint hier die Unmittelbarkeit, denn die Schläge des T waren mit keinem tödlichen Risiko verbunden. Erst durch die auf eigenem Entschluss beruhende Flucht brachte sich O in Lebensgefahr. T hat sich nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

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MO

Mona32145

17.11.2020, 13:16:06

Könnte man iRd

Unmittelbarkeitszusammenhang

s auch diskutieren, ob die Flucht der O dem T zuzurechnen ist, weil er damit rechnen konnte (allg. Lebenserfahrung etc.) ? Oder werden diese Fälle nur bei der objektiven Zurechnung diskutiert?

NI

Niklas

23.1.2021, 11:57:36

Wenn das verängstigte Opfer bei einem bei einem Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit aus Furcht vor schweren Verletzungen unbesonnen reagiert und bzw. den Versuch unternimmt, sich durch einen riskanten Sprung aus dem Fenster oder durch eine waghalsige Flucht über eine verkehrsreiche Straße vor dem Angreifer in Sicherheit bringt, wird dieser Zusammenhang bejaht. Dieser beruht auf dem Selbsterhaltungstrieb des Opfers. Dieses liegt hier doch Vor? Quellen: BGH NStZ 08, 278 und Wessels/Hettinger/Engländer StGB BTI Rn. 266.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.11.2021, 16:33:54

Hallo ihr beiden, vielen Dank für euren sehr guten Hinweis. In der Tat kann trotz Flucht des Opfers der

Unmittelbarkeitszusammenhang

noch bestehen. Schaut euch hierzu gerne auch den folgenden Fall an: https://jurafuchs.app.link/A92HPYqZ2kb Maßgeblich ist, ob die Reaktion des Opfers nachvollziehbar und naheliegend ist. Im vorliegenden Fall wurde das abgelehnt, da im Verhältnis zur Gefahr durch die Schläge der Sprung aus dem Fenster eine unverhältnismäßige Reaktion darstellt. Insofern ist hier immer der konkrete Einzelfall zu würdigen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

NOA

Noah

5.11.2023, 12:48:46

Vielen Dank für die Erklärung, allerdings ist dem Sachverhalt zu entnehmen dass das Opfer ängstlich die Flucht aufnimmt. Wäre diese Formulierung nicht alleine schon Grund genug, dem T die Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB zuzurechnen?

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

4.6.2022, 13:32:05

Ob ein selbstgefährdendes Verhalten des Opfers den gefahrenspezifischen Zusammenhang durchbricht oder nicht, wird wohl nicht einheitlich beantwortet. Im Fall „Gubener Hetzjagd“ hat der BGH entschieden, dass der erforderliche

Unmittelbarkeitszusammenhang

nicht immer durch das eigene Verhalten des Opfers unterbrochen wird. Der BGH verweist er darauf, dass eine selbstverletzende Opferreaktion naheliegend und nachvollziehbar sein kann. Eine Panikreaktion des Opfers, die zu einer Selbstverletzung führt, sei bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu deliktstypisch und entspringe dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen. Man kann sich allerdings fragen, ob der „bloße“ Schlag auf die Nase eine solche Reaktion erwarten lässt 🤔 Das ganze Urteil findet sich hier, insbesondere Rn. 40 ist relevant. https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-42-02.php3

BL

Blotgrim

26.7.2022, 17:18:35

Es wäre schön wenn hier als Vertiefung vielleicht noch die andere Ansicht gebracht werden könnte. Ich finde diese lässt sich nämlich durchaus hören

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.8.2022, 18:37:45

Hallo Blotgrim, meinst du mit anderer Ansicht, dass die Opferreaktion im Einzelfall nachvollziehbar sein kann und damit der

Unmittelbarkeitszusammenhang

nicht unterbrochen wird? Dies ist immer sehr abhängig vom Einzelfall. Entsprechend wird es auch in den anderen Fällen dieses Kapitels dargestellt. In diesem Fall war der BGH der Ansicht, dass die Panikreaktion nicht nachvollziehbar war. Entspricht dies der anderen Ansicht, von der du sprachst? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

GEI

Geithombre

5.1.2024, 21:00:32

Wer sich die Originalentscheidung zu Gemüte führen möchte, es handelt sich um den "Rützel" Fall, BGH, 30.9.1970 - 3 StR 119/70 (NJW 1971, 152 = MDR 1971, 59). Seitdem hat der BGH allerdings u.a. in der "Gubener Hetzjagd" in durchaus vergleichbar gelagerten Fällen den Zurechnungszusammenhang bejaht. Ich würde daher (und angesichts des Alters der Entscheidung) eher davon ausgehen, dass es sich bei dem Fall um implizit aufgegebene Rechtsprechung handelt.


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Bei der Gubener Hetzjagd-Fall setzt der BGH seine Rechtsprechung zu der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) fort, die er bereits durch den Pistolenschlag-Fall (BGHSt 14, 110) und den Rötzel-Fall (NJW 1971, 152) begründet hat. Dabei stellt er einerseits klar, dass ein erfolgsqualifizierter Versuch auch dann angenommen werden kann, wenn das Grunddelikt (hier die Körperverletzung nach § 223 StGB) lediglich versucht wurde. Andererseits präzisiert er seine Rechtsprechung zur Frage des Unmittelbarkeitszusammenhangs. Im Rötzel-Fall hatte er noch ausgeführt, dass der für die Erfolgsqualifikation notwendige Unmittelbarkeitszusammenhang fehle, wenn der Tod des Opfers durch sein eigenes (Flucht-) Verhalten herbeigeführt wird. Nunmehr stellte er klar, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang aber jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die Panikreaktion des Opfers, die zu seiner Selbstverletzung führt, geradezu deliktstypisch sei.

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