Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB

Gubener Hetzjagd Fall (BGH, Urt. v. 09.10.2002): : examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

Gubener Hetzjagd Fall (BGH, Urt. v. 09.10.2002): : examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration zum Gubener Hetzjagd Fall (BGH, Urt. v. 09.10.2002): Ein Mann flieht aus Todesangst vor den Skinheads. Dabei springt er durch eine Glastür und verletzt sich.
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Klassisches Klausurproblem
Examensklassiker

O flieht aus Todesangst vor den Skinheads T, A und B, die ihn zuvor massiv beleidigt und aggressiv bedroht hatten. Obgleich die Skinheads die Verfolgung schon aufgegeben haben, springt O, der dies nicht bemerkt hatte, in panischer Angst und um sich in Sicherheit zu bringen, durch eine Glastür. Er zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu.

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Einordnung des Falls

Bei der Gubener Hetzjagd-Fall setzt der BGH seine Rechtsprechung zu der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) fort, die er bereits durch den Pistolenschlag-Fall (BGHSt 14, 110) und den Rötzel-Fall (NJW 1971, 152) begründet hat. Dabei stellt er einerseits klar, dass ein erfolgsqualifizierter Versuch auch dann angenommen werden kann, wenn das Grunddelikt (hier die Körperverletzung nach § 223 StGB) lediglich versucht wurde. Andererseits präzisiert er seine Rechtsprechung zur Frage des Unmittelbarkeitszusammenhangs. Im Rötzel-Fall hatte er noch ausgeführt, dass der für die Erfolgsqualifikation notwendige Unmittelbarkeitszusammenhang fehle, wenn der Tod des Opfers durch sein eigenes (Flucht-) Verhalten herbeigeführt wird. Nunmehr stellte er klar, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang aber jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die Panikreaktion des Opfers, die zu seiner Selbstverletzung führt, geradezu deliktstypisch sei.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Setzt § 227 Abs. 1 StGB auch den "grunddeliktischen Gefahrzusammenhang" voraus? Der Tod muss des Opfers also auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung beruhen?

Genau, so ist das!

Aufgrund der Verknüpfung zweier Unrechtselemente (Körperverletzung und schwerer Folge (hier: Todesfolge)) ist der Unrechtsgehalt bei Erfolgsqualifikationen wie § 227 Abs. 1 StGB höher und damit einhergehend auch das angedrohte Strafmaß. Die hohen Strafandrohungen führen dazu, die Tatbestände eng ("restriktiv") auszulegen, denn die Strafe muss zu ihrem Anlass, der Tat, in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es bedarf einer wirklich engen Verknüpfung des grunddeliktischen Unrechts mit dem Unrecht der Herbeiführung der schweren Folge (tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang).
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2. Ist Kriterium dafür auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen Körperverletzungshandlung und Todeseintritt des Opfers?

Ja, in der Tat!

Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur muss sich im Todeserfolg die spezifische Lebensgefahr der grunddeliktischen Körperverletzungshandlung verwirklichen. Dieser Zusammenhang wird auch dahingehend formuliert, dass die Körperverletzung unmittelbar zum Tode führen muss. So sollen insbesondere Fälle ausgeschlossen werden, bei denen der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist (z.B. riskante Flucht oder Interventionen Dritter).

3. Unterbricht die panische Flucht des O den Unmittelbarkeitszusammenhang?

Nein!

Der Unmittelbarkeitszusammenhang – und damit auch der grunddeliktische Gefahrzusammenhang – wird durchbrochen, wenn der Tod des Opfers auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist. Allerdings bleibt der Zusammenhang zwischen Täterverhalten und Erfolg bestehen, wenn die Reaktion des Opfers naheliegend und nachvollziehbar ist. Die panische Flucht des O entspringt seinem elementaren Selbsterhaltungstrieb. Eine darauf gegründete Flucht ist als naheliegend und nachvollziehbar anzusehen. Der Unmittelbarkeitszusammenhang bleibt damit bestehen und der Tod des O ist den Skinheads zurechenbar.
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