+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Grundstücke A und B, die X gehören, sind durch eine geschützte Hecke getrennt. B hat keinen Straßenzugang. X fährt B über C an, das Y gehört. Ein Wegerecht ist nicht eingetragen. Y verweigert die Überfahrt. Xs Antrag bei der Behörde, durch Eingriff in die Hecke eine Durchfahrt zu A zu schaffen, wird abgelehnt.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen
unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
...Wird geladen
Einordnung des Falls
Anspruch auf Notwegerecht bei Vorhandensein einer möglichen anderweitigen Verbindung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Als Eigentümer eines Grundstückes muss Y es stets dulden, dass andere dieses Grundstück als Zufahrt benutzen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Eigentümer eines Grundstücks können in Ausübung ihres Eigentumsrechts mit diesem Grundstück nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 903 S. 1 BGB). Y ist als Eigentümer von Grundstück C berechtigt, Dritte - in diesem Fall X - von der Überfahrt über sein Grundstück C auszuschließen, soweit er nicht vertraglich oder gesetzlich zur Duldung der Überfahrt verpflichtet ist.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.
2. Y muss die Nutzung seines Grundstücks C durch X als Zufahrt zu Grundstück B dulden, wenn die Voraussetzungen eines Notwegerechts (§ 917 BGB) vorliegen.
Ja, in der Tat!
Die Einräumung eines Notwegerecht (§ 917 Abs. 1 S. 1 BGB) setzt voraus, dass (1) einem Grundstück die Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendig ist, und (2) die Zugangslosigkeit des Grundstücks nicht anderweitig behoben werden kann. Das Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB ist ein Klausurklassiker. Hier nicht abschalten!
3. Xs Grundstück B verfügt derzeit über die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg.
Nein!
Grundstück B wird auf der einen Seite durch die geschützte Hecke begrenzt und auf der anderen Seite durch Grundstück C, das Y gehört. Die für die ordnungsgemäße Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg ist nicht vorhanden.
Die ordnungsmäßige Benutzung eines zu Wohnzwecken oder gewerblich genutzten Grundstücks setzt in der Regel die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus.
4. X darf Ys Grundstück C auch dann als Zufahrtsweg nutzen, wenn sie sich durch Eingriff in die Hecke zwischen Grundstück A und Grundstück B einen Zugang zur öffentlichen Straße schaffen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
Für den Grundstückseigentümer ist ein Notweg (§ 917 Abs. 1 BGB) ein schwerer Eingriff. Dieser kommt nur in Betracht, wenn die Zugangslosigkeit des Grundstücks nicht anderweitig behoben werden kann. Dies gilt auch, wenn der alternative Zuweg umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als ein Notweg über Nachbargrundstücke – es sei denn, die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung wird aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert.
Auch wenn der Eingriff in die Hecke umständlicher sein mag als die Nutzung von Ys Grundstück C, ist ersteres für X zumutbar. Es ist nicht ersichtlich, dass dadurch die Wirtschaftlichkeit der Benutzung des Grundstücks B aufgehoben wäre.
5. Da Xs Antrag, durch Eingriff in die Hecke eine Durchfahrt zu Grundstück A zu schaffen, von der Behörde abgelehnt wurde, ist es X unmöglich, den alternativen Zugang zur öffentlichen Straße zu schaffen.
Nein, das trifft nicht zu!
BGH: Dem Eigentümer eines verbindungslosen Grundstücks sei es grundsätzlich auch zuzumuten, einen Rechtsstreit zu führen, wenn die anderweitige Verbindung zu dem öffentlichen Weg nur auf diese Weise hergestellt werden kann (Rdnr. 15, 17). Dies gelte nicht, wenn der Rechtsstreit offensichtlich aussichtslos ist.
Xs Antrag wurde von der Behörde abgelehnt. Es ist X somit grundsätzlich zumutbar, zunächst gegen die Ablehnung ihres Antrages gerichtlich vorzugehen.
Im Originalfall begehrte X die Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplans, die unter Hinweis auf naturschutzrechtliche Bestimmungen versagt worden war.
6. Ob Xs Antrag, durch einen Eingriff in die Hecke eine Durchfahrt zum Grundstück A zu schaffen, vor Gericht Erfolg hat, ist offen. Trotz der offenen Erfolgsaussichten ist ihm eine Klage zumutbar.
Ja!
Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, die klageweise Geltendmachung des Anspruchs sei bereits bei Zweifeln am Bestehen des Anspruchs unzumutbar (RdNr. 15).
BGH: Kommt die Errichtung der anderweitigen Zuwegung durch die gerichtliche Geltendmachung eines (öffentlich-rechtlichen) Anspruchs in Betracht, so ist diese für den Eigentümer eines verbindungslosen Grundstücks selbst dann zumutbar, wenn sie mit Prozessrisiken verbunden ist. Denn andernfalls gingen die Zweifel über den Ausgang des Prozesses zu Lasten desjenigen, der durch das Notwegerecht belastet wird. Dies würde der Bedeutung des Eigentumsrechts nicht gerecht. Unzumutbar ist die Klageerhebung erst, wenn die Klage offensichtlich aussichtslos ist (Rdnr.18)
7. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit alternativer Zufahrtswege müssen die Zivilgerichte auch die Erfolgsaussichten einer hierfür notwendigen verwaltungsgerichtlichen Klage prüfen.
Genau, so ist das!
Im Ausgangsfall hatte das Berufungsgericht es unterlassen, die öffentlich-rechtliche Rechtsfrage - Bestehen eines Anspruchs auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans - eingehend zu prüfen. Es kam deshalb zu dem Ergebnis, das Bestehen des Anspruchs sei zweifelhaft und die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs für X unzumutbar (RdNr. 22).
BGH: Das Zivilgericht, das über den Notweganspruch zu entscheiden hat, müsse in eigener Zuständigkeit prüfen, ob der Anspruch, dessen Durchsetzung für die Errichtung der anderweitigen Zuwegung erforderlich ist, besteht. Das Zivilgericht sei von dieser Prüfung nicht deswegen befreit, weil es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Frage handelt (Rdnr.18).
8. X hat keinen dauerhaften Anspruch auf ein Notwegerecht (§ 917 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Die Einräumung eines Notwegerecht (§ 917 Abs. 1 S. 1 BGB) setzt voraus, dass (1) einem Grundstück die Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendig ist, und (2) die Zugangslosigkeit des Grundstücks nicht anderweitig behoben werden kann.
X war die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zur Herstellung einer alternativen Zuwegung nach Ansicht des BGH zumutbar. Deshalb ist ein dauerhaftes Notwegerecht (§ 917 Abs. 1 S. 1 BGB) ausgeschlossen, da die Zugangslosigkeit anderweitig behoben werden kann. In Betracht kommt insoweit allenfalls ein befristetes Notwegerecht.
Achtung:Im Originalfall bestand das dauerhafte Notwegerecht im Ergebnis trotzdem, da - aus anderen Gründen - auch bei Eingriff in die Hecke kein Zugang zum öffentlichen Straßenland hergestellt werden konnte. Die Gründe hierfür findet ihr hier! Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.