Freiwilligkeit bei Schuldunfähigkeit

10. April 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schießt im Zustand der Schuldunfähigkeit auf O und trifft diesen in der Brust. Kurz darauf ruft sie eine Notärztin, die das Leben des O rettet. Auch dabei war T schuldlos.

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Einordnung des Falls

Freiwilligkeit bei Schuldunfähigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die Tatausführung nach der Rechtsprechung freiwillig aufgegeben.

Ja!

Der Täter handelt freiwillig beziehungsweise unterlässt die weitere Tatausführung freiwillig, wenn er Herr seiner Entschlüsse geblieben ist und die Ausführung der Tat noch für möglich hielt, wobei die Freiwilligkeit entfällt, wenn der Täter die Tat nur mit erheblich größerem Risiko zu Ende führen kann. Auch hierbei kommt es immer alleine auf die Vorstellung des Täters an. Die Rechtsprechung und herrschende Literatur stellen dabei alleine auf einen natürlichen Wille ab, der auch bei Schuldunfähigkeit vorliege.Trotz ihrer Schuldunfähigkeit hat T somit freiwillig gehandelt.Dafür spricht, dass die Schuldfähigkeit auch den Vorsatz nicht ausschließt, der einen natürlichen Willen darstellt.
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2. Nach einer Mindermeinung in der Literatur muss der Täter beim freiwilligen Rücktritt schuldfähig sein.

Ja, in der Tat!

Nach einer Mindermeinung in der Literatur ist es für den freiwilligen Rücktritt erforderlich, dass der Täter weiterhin schuldfähig ist, da er sonst keine „freiwillige personale Entscheidung“ treffe. T konnte nicht freiwillig zurücktreten aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit.Das Argument, dass ein Täter bewusst in das Recht zurückkehren muss, ist nicht überzeugend, wenn bereits ein Täter, der nur aus taktischen Gründen zurücktritt, freiwillig handelt. In der Klausur wäre der Streit in der vorliegenden Konstellation irrelevant. Du würdest bereits beim Punkt Schuldfähigkeit die Prüfung beenden. Auf eine Prüfung des Rücktritts käme es dann nicht mehr an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Julia Maxi

Julia Maxi

28.3.2022, 21:32:55

Hi, irgendwie stehe ich gerade auf dem Schlauch: endet meine Prüfung nicht an der Stelle, an der ich die Schuldlosigkeit feststelle? Oder schreibe ich dann ein Hilfsgutachten, wenn ich den

Rücktritt

für einen Klausurschwerpunkt halte? Ich verstehe nur nicht, wie es jemals relevant wird, ob ein schuldlos Handelnder zu

rücktritt

. LG Julia

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.3.2022, 10:36:14

Hallo Julia, in der Klausur würdest Du in der Tat nicht mehr zur Prüfung der Freiwilligkeit kommen, sondern die Prüfung bereits bei der

Schuldunfähigkeit

abbrechen. Die Aufgabe dient insoweit primär darin, die folgenden Aufgaben vorzubereiten, bei der sämtliche Varianten durchgespielt werden. Wir haben das jetzt auch noch einmal in der Aufgabe klargestellt. Danke Dir! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Julia Maxi

Julia Maxi

29.3.2022, 10:58:49

Vielen Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort!

jura🐈

jura🐈

17.10.2024, 14:05:08

In der Urteilsklausur: Müsste ich den Angeklgten Freisprechen, weil er sich aufgrund des

Rücktritt

s nicht strafbar gemacht hat oder wegen der

Schuldunfähigkeit

? Mir kommt es konkret auf die Liste der angewendet Strafnormen an, bei der es einen Unterschied macht, ob er "nur" schuldlos handelt oder strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist.

TI

Timurso

17.10.2024, 19:57:56

Also freisprechen müsstest du ihn auf jeden Fall aufgrund der

Schuldunfähigkeit

, da der

Rücktritt

die vollendete gefährliche Körperverletzung nicht beseitigt und es sich um Tateinheit handelt. Somit ist der Freispruch nur möglich, wenn die Strafbarkeit wegen aller Delikte entfällt. Dennoch finde ich das eine sehr gute Frage, da ja der Fall auch so bildbar ist, dass er danebenschießt. Insbesondere im Hinblick auf § 63 StGB. Da der Aufbau im Strafrecht sehr relevant ist und man nicht aus Zufall den

Rücktritt

nach der Schuld prüft, würde ich jedoch behaupten, dass man wegen

Schuldunfähigkeit

freisprechen würde und nicht wegen

Rücktritt

. Einfach weil man zum Prüfungspunkt

Rücktritt

gar nicht mehr kommt, wenn man schon auf Schuldebene rausfliegt.

jura🐈

jura🐈

22.10.2024, 19:45:58

Danke @[Timurso](197555) so hatte ich es vermutet 😀

Kai

Kai

4.12.2024, 10:46:54

Auch wenn es mit der Kernfrage des Falls nicht zusammenhängt: In der ersten Frage wird nach einem freiwilligen aufgeben gesprochen. Ein Aufgeben kommt aber doch nur beim unbeendeten Versuch in Betracht. Hier ist der Versuch aber bereits beendet (zwar nicht explizit im SV, aber doch deutlich angelegt (Schuss in die Brust erfolgt, T ruft Krankenwagen )). Müsste es dann nicht darum gehen, ob die die

Vollendung

freiwillig verhindert wurde (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB)?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

9.1.2025, 14:27:41

In diesem Fall gibt es ja keine Vorgaben worum es dem T ging (O töten oder nicht). Da er allerdings dem O in die Brust geschossen hat, kann man mMn zumindest bedingten

Vorsatz

annehmen. Demnach müsste man darauf abstellen, dass T den O töten wollte. Mangels gegenteiliger Angaben ist auch davon auszugehen, dass T der Meinung war, dass er den O z.B. durch einen weiteren Schuss noch töten kann, wonach zumindest nach h.M. der Versuch noch nicht beendet war. Als er den Notarzt gerufen hat, hat er dann aber von der Tat Abstand genommen und sich ernsthaft darum bemüht, dass der O überlebt und der Erfolg nicht eintritt. Folglich erfolgte das ganze auch freiwillig. Der einzige Weg hier die Freiwilligkeit scheitern zu lassen ist, wenn du mit der m.M. gehst und „behauptest“, dass T von Anfang an nur einen Schuss abgeben wollte. Hierzu fehlen allerdings passende Ausführungen im SV weshalb ich dies nicht tun würde. Hoffe ich konnte Dir weiterhelfen :)


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