Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen
Kein Mangel der Umgrenzungsfunktion, sondern lediglich veränderte Tatmodalität
Kein Mangel der Umgrenzungsfunktion, sondern lediglich veränderte Tatmodalität
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B nimmt auf einer Feier ein von A pflichtwidrig im Kühlschrank gelagertes Opioid und stirbt. A wird in der Anklage vorgeworfen, hiervon am Abend erfahren und dennoch nicht rettend eingegriffen zu haben (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB). Wie sich herausstellt, erfuhr A von der Einnahme erst am nächsten Tag. Sie wird wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) verurteilt.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kein Mangel der Umgrenzungsfunktion, sondern lediglich veränderte Tatmodalität
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Immer, wenn sich im Verlauf des Prozesses Tatsachen ändern oder neue Tatsachen hervortreten, liegt eine neue prozessuale Tat vor (§ 264 Abs. 1 StPO).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da sich während des Prozesses herausstellte, dass A nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt hatte, liegt eine andere prozessuale Tat als in der Anklage vor (§ 264 Abs. 1 StPO).
Nein!
3. Das Gericht ist an die rechtliche Bewertung der Tat als Totschlag durch Unterlassen (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB) durch die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift gebunden (§ 264 Abs. 2 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Das Gericht hätte hier einen Hinweis erteilen müssen, um die A wegen fahrlässiger Tötung verurteilen zu können (§ 265 Abs. 1 StPO).
Ja, in der Tat!
5. Das Verfahren ist einzustellen, da im Hinblick auf die abgeurteilte Tat keine wirksame Anklageschrift vorliegt und damit eine Verfahrensvoraussetzung fehlt (§ 206a Abs. 1 StPO).
Nein!
7 Tage kostenlos* ausprobieren
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
juravulpes
19.3.2024, 08:45:59
Man mag hier noch von einer prozessualen Tat ausgehen können, aber die Begründung überzeugt so nicht. Das wesentliche tatsächliche Kerngeschehen liegt bei der ursprünglichen Anklage ja gerade nicht in der Pflichtwidrigkeit der Lagerung, sondern im Unterlassen der gebotenen Rettungsmaßnahmen. Auch die Tatzeit unterscheidet sich, da der Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeitstat zeitlich weit vor dem Unterlassen liegt (Einräumen in den Kühlschrank).
Lukas_Mengestu
20.3.2024, 10:08:05
Sehr guter Einwand, juravulpes! In der Tat hat sich auch der BGH hier explizit mit der unterschiedlichen Tatzeit auseinandergesetzt. Dies nicht zuletzt deshalb, da in der Originalentscheidung immerhin drei (!) Jahre zwischen der Deponierung des Opioids und der Feier lagen. Maßgeblicher Grund dafür, hier dennoch eine einheitliche Tat anzunehmen, war letztlich aber der Umstand, dass die Anklage auch im Hinblick auf die Unterlassenstat maßgeblich auf die Deponierung des Opioids abstellte, da hiermit As Garantenstellung aus Ingerenz begründet wurde. Die Diskrepanzen bezüglich der Tatzeiten standen der Tatidentität deshalb nicht entgegen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
jurafuchsles
18.7.2024, 10:36:32
wäre die fahrlässige Tötung jetzt als eine andere
Prozessuale Tatbeurteilt worden und das Verfahren eingestellt worden, könnte der T aber wegen dieser Tat erneut angeklagt werden oder?
Timurso
18.7.2024, 11:25:02
Ja. Die Einstellung hat grds. keinen
Strafklageverbrauchzur Folge (Ausnahme bspw. § 153a I 5 StPO; bei der Einstellung wegen Verfahrenshindernis ist mir aber keine Ausnahme bekannt).