Auseinanderfallen v. Forderung und Hypothek


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Klassisches Klausurproblem

Bauunternehmer U bestellt Lieferant L zur Sicherung eines Darlehens eine Buchhypothek an seinem Grundstück. L überträgt die Hypothek nun auf E, der sie wiederum an G überträgt. L ficht schließlich die Abtretung der Forderung an E wirksam an.

Einordnung des Falls

Auseinanderfallen v. Forderung und Hypothek

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat L eine Buchhypothek nach §§ 873, 1115, 1116 Abs. 2 BGB bestellt.

Ja, in der Tat!

Die Bestellung einer Buchhypothek setzt nach §§ 873, 1115, 1116 Abs. 2 BGB voraus: (1) Bestehende Forderung, (2) Einigung über die Bestellung der Hypothek, §§ 873 Abs. 1. 1113 BGB, (3) Ausschluss der Hypothekenbrieferteilung, § 1116 Abs. 2 BGB, (4) Eintragung im Grundbuch, §§ 873 Abs. 1, 1115 Abs. 1 BGB und (5) Berechtigung des Bestellers. Eine zu sichernde Forderung bestand zwischen U und L. U und L haben sich über die Bestellung einer Hypothek geeinigt. Sie haben sich ferner darüber geeinigt, dass die Erteilung eines Hypothekenbriefs ausgeschlossen sein soll, also eine Buchhypothek entstehen soll. Die Hypothek und die Einigung über den Ausschluss der Brieferteilung wurden in das Grundbuch eingetragen. U war ebenfalls verfügungsbefugt.

2. G hat die Hypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB erworben.

Nein!

Der Erwerb der Buchhypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB setzt voraus: (1) Einigung über Abtretung, (2) Eintragung der Abtretung im Grundbuch, (3) Abtretbarkeit der gesicherten Forderung, (4) Verfügungsberechtigung. G und E haben sich hier über die Abtretung der Forderung geeinigt, die Abtretung wurde im Grundbuch eingetragen. Die Forderung war auch abtretbar. Infolge der Anfechtung durch L fehlte E jedoch die Verfügungsbefugnis, § 142 Abs. 1 BGB.

3. G hat die Hypothek gutgläubig nach §§ 398, 1154, 1153, 892, 1138 BGB erworben.

Genau, so ist das!

Der gutgläubige Erwerb nach §§ 398, 1154, 1153, 892, 1138 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäftlicher Erwerb der Forderung, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der Hypothek, (3) Legitimation des Verfügenden als Hypothekar aus Grundbuch (Rechtsscheintatbestand), (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein Widerspruch im Grundbuch. Es handelt sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb. Zwar steht die Forderung infolge der Anfechtung nicht E zu (§ 142 Abs. 1 BGB), der Bestand der Forderung wird jedoch nach § 1138 BGB i.V.m. § 892 BGB fingiert, da G bezüglich des Bestands der Forderung gutgläubig war. Das Grundbuch ist unrichtig, da die Hypothek in Folge der Anfechtung ebenfalls nicht E zusteht (§ 142 Abs. 1 BGB). Aus dem Grundbuch ergibt sich die Legitimation des E als Hypothekar. G war gutgläubig und ein Widerspruch nicht im Grundbuch eingetragen.

4. G hat nach der Trennungstheorie nicht nur die Hypothek, sondern auch die Forderung erworben.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der von einem Teil der Literatur vertretenen Trennungstheorie sei die Trennung von Hypothek und Forderung hinzunehmen. (1) Der gutgläubige Erwerb einer Forderung sei systemwidrig. (2) Die hypothekenrechtlichen Vorschriften würden eine doppelte Inanspruchnahme des Schuldners verhindern. So gehe das dingliche Rechts bei Tilgung der persönlichen Forderung auf den Eigentümer über (§1163 Abs. 1 S. 2 BGB). Zudem müsse der Schuldner nur zahlen, wenn er den Hypothekenbrief erhalte (§§1160 I, 1161 BGB) und gleichzeitig die Hypothek übergehe (§§ 1163, 1164 BGB). Damit stehe ihm eine Einrede auch gegenüber dem Zessionar zu bzw. könne er bei erfolgter Zahlung nach § 813 BGB kondizieren.

5. Folgt man der Einheitstheorie, hat L gegen U einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung.

Nein!

Da G nach der hier vertretenen Einheitstheorie auch die Forderung erworben hat, hat L seinen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen U verloren.

6. Ob bei Personenverschiedenheit von Forderungs- und Hypothekengläubiger auch die Forderung erworben werden kann, ist umstritten.

Genau, so ist das!

Hier besteht die Besonderheit, dass die gesicherte Forderung zwar besteht, jedoch nicht dem Zedenten E zusteht. Für den Erwerb der Hypothek hilft hier § 1138 BGB, der den Bestand der Forderung in der im Grundbuch eingetragenen Weise fingiert. § 1138 BGB bringt die Forderung jedoch nicht bei G zur Entstehung. Bei strenger Gesetzesanwendung führte dies jedoch zu der für den Forderungs- und Hypothekenschuldner U ungünstigen Situation, dass es zu einer Trennung von Forderung und Hypothek käme: Die Forderung verbliebe bei L, während G Hypothekar ist. Wie hiermit umzugehen ist, ist umstritten.

7. G hat nach der Einheitstheorie nicht nur die Hypothek, sondern auch die Forderung erworben.

Ja, in der Tat!

Nach der überwiegend vertretenen Einheitstheorie, zieht die Hypothek dagegen ausnahmsweise die Forderung mit sich (§ 1153 Abs. 1 BGB analog). Als Argument wird vorgebracht, dass (1) auf diese Weise die Akzessorietät wieder hergestellt werde und (2) der Schuldner (U) vor doppelter Inanspruchnahme aus Darlehen und Hypothek geschützt sei. Der Schuldner sei durch die Möglichkeit die Einrede zu erheben nicht ausreichend geschützt. Denn sofern er nich weiß, dass Hypothek und Forderung ausnahmsweise auseinanderfallen, könne er die Einrede nicht erheben.

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Vincent

Vincent

14.7.2023, 17:01:12

Der Sachverhalt ist hier ungenau ausgedrückt. L ficht die Übertragung schließlich an liest sich, als wäre dies erst nach der letzten Überragung geschehen und nicht bereits vor der Übertragung an G.

DAV

David.

3.11.2023, 19:47:14

Die Anfechtung wirkt ex tunc.

BL

Blotgrim

15.6.2024, 08:17:42

Also unser Prof meinte letzten Mittwoch, dass die Trennungstheorie die h.M. ist, ich würde es daher begrüßen, wenn man die Antworten einfach etwas offener formuliert, also einfach nur als Einheitstheorie und Trennungstheorie bezeichnet. Denn meiner Meinung nach tendieren viele Studenten immer zu der Meinung die als herrschend bezeichnet wird, deswegen sollte man damit vorsichtig umgehen, wenn es wie hier scheinbar nicht ganz eindeutig ist Lg

DE

Doris Eventualis

3.7.2024, 16:46:56

Ich habe nicht ganz verstanden, wieso die Forderung bei L bleibt, wenn er sie doch angefochten hat. Vielleicht kann jemand Licht ins Dunkel bringen :)

Nocebo

Nocebo

6.7.2024, 14:51:53

Wie meinst du, bei L bleibt? Die Forderung steht grundsätzlich erst L -> E -> G zu. Durch die Anfechtung wird nicht die Darlehensforderung selbst, sondern die Übertraung L -> E angefochten. Somit wurde E rückwirkend! niemals Forderungsinhaber und G konnte diese auch nicht von E als Berechtigtem erwerben. Jetzt kommt der Streit, ob entweder L (Trennungstheorie) oder G (Mitreißtheorie) Forderungsinhaber ist, im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs der Hypothek E -> G.


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