Briefhypothek

3. Juli 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S überträgt H eine tatsächlich nicht bestehende Briefhypothek. Im Grundbuch bleibt S als Hypothekar eingetragen. H tritt die Forderung schriftlich an G ab und übergibt den Hypothekenbrief. H ist durch öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen als Hypothekar legitimiert.

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Einordnung des Falls

Briefhypothek

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der Briefhypothek tritt (wie bei der Buchhypothek) der Zweiterwerb der Hypothek schon mit formgerechter Abtretung der gesicherten Forderung ein.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 1154 Abs. 1 BGB ist zur Übertragung der Briefhypothek neben der Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung auch die Übergabe des Hypothekenbriefs erforderlich. Die Übertragung erlangt erst mit Übergabe des Hypothekenbriefs Wirksamkeit.
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2. Der Inhaber der Briefhypothek ergibt sich stets aus dem Grundbuch.

Nein!

Im Gegensatz zur Buchhypothek kann sich der Zweiterwerb der Briefhypothek außerhalb des Grundbuchs vollziehen, vgl. § 1154 Abs. 1 BGB. Der Erwerb der Briefhypothek setzt nicht voraus, dass der Erwerber als neuer Hypothekar im Grundbuch eingetragen ist. Hieraus erklärt sich auch, warum die Abtretung im Gegensatz zur Buchhypothek schriftlich zu erklären ist, oder im Grundbuch einzutragen ist, vgl. § 1154 Abs. 2 BGB: Die Abtretungsvorgänge müssen dokumentarisch festgehalten werden um jederzeit aus dem Grundbuch oder den Abtretungserklärungen die zeitliche Reihenfolge der Gläubiger rekonstruieren zu können.

3. G hat die Briefhypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB erworben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Erwerb der Briefhypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB setzt voraus: (1) Einigung über Abtretung, (2) in der Form des §§ 1154 Abs. 1 oder 2 BGB, (3) Übergabe des Hypothekenbriefs, (4) Abtretbarkeit der gesicherten Forderung, (5) Verfügungsberechtigung. G und H haben sich über die Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung geeinigt. Dies erfolgte schriftlich in der Form des § 1154 Abs. 1 BGB. H hat G auch den Hypothekenbrief übergeben. Die Forderung war abtretbar. H war hinsichtlich der Forderung auch verfügungsbefugt. Da die Hypothek nicht bestand, konnte diese jedoch nicht mit übergehen.

4. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet bei der Briefhypothek aus, da das Grundbuch nicht notwendigerweise immer den aktuellen Hypothekar ausweist.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar kann man nicht unmittelbar auf § 892 BGB und den Rechtsschein des Grundbuchs zurückgreifen, da der Rechtsschein des Grundbuchs im Falle der Briefhypothek beschränkt ist. Hier kommt jedoch § 1155 S. 1 BGB zum Tragen, der den gutgläubigen Erwerb der Briefhypothek ermöglicht: Existiert eine Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen, die auf den letzten im Grundbuch eingetragenen Hypothekar zurückführbar ist und legitimiert dies dadurch den aktuellen Besitzer des Hypothekenbriefs, so kommt § 892 BGB zur Anwendung. § 1155 erweitert also den Rechtsschein des Grundbuchs, indem die Kette der Abtretungserklärungen einbezogen wird. Der Besitzer des Hypothekenbriefs wird also so gestellt, als sei er im Grundbuch eingetragen.

5. G hat die Briefhypothek durch gutgläubigen Zweiterwerb nach §§ 398, 1154, 1153, 1155 S. 1, 892 BGB erworben.

Ja!

Der gutgläubige Zweiterwerb der Briefhypothek setzt voraus: (1) Erwerb durch Rechtsgeschäft, (2) Zedent ist im Besitz des Hypothekenbriefs, (3) Ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen, die auf eingetragenen Hypothekar zurückführt, (4) Kein Widerspruch im Grundbuch, (5) Kein Unrichtigkeitsvermerk im Hypothekenbrief, (6) Gutgläubigkeit des Zessionars. Dem Hypothekenerwerb liegt ein Rechtsgeschäft zugrunde (Abtretungsvertrag, § 398 S. 1 BGB). H war zum Zeitpunkt der Abtretung im Besitz des Hypothekenbriefs. Weiterhin liegt eine ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vor, die auf den eingetragenen Hypothekar S zurückführt. Ein Widerspruch im Grundbuch oder ein Unrichtigkeitsvermerk im Hypothekenbrief existiert nicht. G war ferner gutgläubig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

15.5.2024, 15:16:46

Muss beim Rechtsgeschäft nach 1155 eigentlich für den gutgläubigen Erwerb auch ein Rechtsgeschäft im Sinne eines

Verkehrsgeschäft

vorliegen oder reicht ein Rechtsgeschäft?

LELEE

Leo Lee

17.5.2024, 12:47:57

Hallo Blotgrim, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Da 1155 i.V.m. mit 892 geprüft wird, wird auch hier Rechtsgeschäft i.S.e.

Verkehrsgeschäft

s geprüft. Beachte i.Ü., dass

Verkehrsgeschäft

nicht im Wortlaut steht, aber natürlich vorausgesetzt wird, da man von sich selbst etwas nicht gutgläubig erwerben kann :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BL

Blotgrim

15.6.2024, 10:38:38

Ist H hier wirklich verfügungsbefugt. Die

Verfügungsbefugnis

bezieht sich doch auf die Hypothek, diese besteht hier aber nicht. Wie kann H denn bzgl. einer Hypothek verfügungsberechtigt sein, die überhaupt nicht besteht?

VALA

Vanilla Latte

19.6.2024, 04:00:49

Frage ich mich auch

UT

unvorsätzlicher Totschläger

25.1.2025, 19:14:53

Die

Verfügungsbefugnis

bezieht sich doch auf die Forderung oder? Die Hypothek kann doch aufgrund der Akzessorität nur durch Abtretung der Forderung übergehen, das würde dann aber heißen, dass sich die

Verfügungsbefugnis

nur auf das übergehen kann, über dass verfügt werden kann, dementsprechend die Forderung und diese die Hypothek sprichwörtlich dann mit sich zieht.

BEN

benjaminmeister

13.3.2025, 13:41:02

Die bejahte

Verfügungsbefugnis

bezieht sich hier - wie @[unvorsätzlicher Totschläger](262504) schon richtig festgestellt hat- auf die Forderung. In den JF-Aufgaben wird leider nicht eindeutig differenziert hinsichtlich Berechtigung Forderung und Berechtigung Hypothek.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

26.4.2025, 09:05:08

Hallo @[Blotgrim](167544), @[Vanilla Latte](217055), @[unvorsätzlicher Totschläger](262504) und @[benjaminmeister](216712), in der Tat war hier die

Verfügungsbefugnis

hinsichtlich der Forderung gemeint. Das haben wir jetzt klargestellt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

17.6.2025, 17:27:36

@[Tim Gottschalk](287974) im Sachverhalt ist hier mMn leider immer noch nicht so ganz ersichtlich, weshalb hier eine Hypothekenbestellung gescheitert ist.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

17.6.2025, 18:08:04

Hi @[okalinkk](253888), das ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt, das stimmt. Es steht allerdings fest, dass die Hypothek nicht existiert. Wofür spielt es deiner Meinung nach eine Rolle, woran das liegt? Meinst du wegen den unterschiedlichen Rechtsfolgen je nachdem, ob die zugrundeliegende Forderung besteht oder nicht? Ich würde den Sachverhalt hier so verstehen, dass die Forderung besteht und auch dem H zusteht. Schließlich spricht der Sachverhalt davon, dass H die Forderung an G abtritt. Das geht jedoch nur, wenn diese besteht und der H auch Inhaber der Forderung ist. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

19.6.2024, 04:02:54

Ich verstehe das nicht ganz. Die erste Übertragung erfolgte gerade nicht schriftlich 1155. Es müsste doch die Form in der ganzen Krtte bis zu dem reichen, der eingetragen ist. Das war hier doch aber S oder nicht? Also gab es doch keine ununterbrochene Kette

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

26.4.2025, 09:07:19

Hallo @[Vanilla Latte](217055), im Sachverhalt steht, dass es eine ununterbrochene Kette gibt. Das ist dann auch so zu unterstellen, auch wenn nicht noch einmal extra für jeden Erwerbsvorgang die Voraussetzungen im Einzelnen dargelegt sind. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

MAG

Magnum

14.2.2025, 16:31:41

Warum können wir hier durch den gutgläubigen Ewerb über die fehlende Existenz der Hypothek hinwegkommen? Eigentlich ist dieser doch nur anwendbar, wenn die Berechtigung fehlt. Oder irre ich mich hier komplett?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

26.4.2025, 09:15:25

Hallo @[Magnum](172647), ich glaube da irrst du dich. Der gutgläubige Erwerb der Hypothek ist grundsätzlich auch möglich, wenn diese in Wirklichkeit nicht existiert. Insofern findet §

892 BGB

normale Anwendung. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

16.6.2025, 19:32:25

Eine Hypothek existierte nie zugunsten des S. S hat die Forderung an H abgetreten. Ein Ausschluss bestand nicht (399, 400). S war Berechtigter bzgl der Forderung. Jedoch war er nicht Berechtigter bzgl des Hypothek. Insoweit kann aber doch H seinerseits gem

892 BGB

gutgläubig die Hypothek erworben haben. Schliesslich bestand ja wegen der Grundbucheintragung des S ein Rechtsschein. mMn hat daher H die Hypothek gem 398, 1154 I, 412, 401,

892 BGB

gutgläubig erworben. Wenn H nun die Forderung an G abtritt, so erwirbt dieser G die Hypothek doch vom Berechtigten H? Ein gutgläubiger Erwerb über 892, 1155 ist doch gar nicht mehr nötig?

OKA

okalinkk

17.6.2025, 17:25:40

Müsste H seinerseits die Abtretung ggü G öffentlich beglaubigen lassen oder ist das egal?

OKA

okalinkk

17.6.2025, 17:31:48

Der Fall kann mMn nicht vollständig gelöst werden, da die Sachverhaltsangaben nicht vollständig sind. Es wäre mMn bereits im Sachverhalt wichtig zu wissen, woran genau die Hypothekenbestellung (fehlte es an einer wirksamen Einigung oder an der zu sichernden Forderung?) gescheitert ist.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

20.6.2025, 11:32:00

Hallo @[okalinkk](253888), wenn im Sachverhalt steht "H tritt die Forderung schriftlich an G ab", bedeutet das meines Erachtens eine wirksame Abtretung der Forderung, welche nur möglich ist, wenn die Forderung auch besteht. Es wird insbesondere nicht gesagt, dass H die Abtretung erklärt. Dann müsste man die (restlichen) Voraussetzungen der Abtretung noch prüfen. Insofern würde ich den Sachverhalt so lesen, dass die Forderung besteht und halte ihn nicht für lückenhaft. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

20.6.2025, 11:41:28

Zudem dürfte es meines Erachtens auch gar keine Rolle spielen, da selbst ohne Forderung ein

gutgläubiger Zweiterwerb

nach allen Ansichten möglich sein dürfte. Selbst wenn die Hypothek mangels Forderung gar nicht entstanden ist, hindert das nicht den gutgläubigen Zweiterwerb, solange die Hypothek im Grundbuch eingetragen ist,

§ 1138 BGB

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