Zivilrecht

Kreditsicherungsrecht

Einreden des Sicherungsgebers

Bürgschaft: § 770 BGB, Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen bei Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners?

Bürgschaft: § 770 BGB, Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen bei Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners?

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G verpachtet sein Restaurant für 5 Jahre an S, wobei die Pachtzinszahlungen durch eine Bürgschaft des B abgesichert sind. Als S nicht zahlt, wird G sehr wütend und zersticht die Autoreifen von S. Nunmehr nimmt G den B in Anspruch. B wendet ein, dass S gegen G ein Schadensersatzanspruch zustehe.

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Einordnung des Falls

Bürgschaft: § 770 BGB, Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen bei Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S steht gegen G ein deliktischer Schadensersatzanspruch zu.

Ja, in der Tat!

Die vorsätzliche Beschädigung der Autoreifen stellt eine Eigentumsverletzung dar und begründet deliktische Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303 Abs. 1 StGB.Zudem stellt dies auch eine Nebenpflichtverletzung aus der zwischen S und G bestehenden Sonderrechtsbeziehung dar, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
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2. Kann G die Aufrechnung gegenüber S erklären?

Nein!

§ 393 BGB sieht ein Aufrechnungsverbot vor, wonach eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung nicht zulässig ist. Hierdurch soll eine Privatrache vermieden werden. Umgekehrt kann mit einer Forderung aus unerlaubter Handlung aufgerechnet werden. G ist die Aufrechnung verwehrt, allerdings könnte S die Aufrechnung gegenüber G erklären.

3. Die Einrede des § 770 Abs. 2 BGB findet nach h.M. keine Anwendung, wenn nur der Schuldner die Aufrechnung erklären kann.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Frage wird uneinheitlich beurteilt. Das Gesetz regelt lediglich den umgekehrten Fall. Aus diesem Grund verneinen Teile der Literatur die Frage. Überwiegend wird jedoch die gegenteilige Auffassung vertreten. Argumentiert wird mit dem Normzweck und damit verbundenen Schutzwürdigkeit des Bürgen. Auch wenn also nur dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit zusteht, kann der Bürge seine Leistung nach § 770 Abs. 2 BGB verweigern.Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass die Pachtzinsforderung erlischt, sodass B weiterhin schutzwürdig ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L.G

L.Goldstyn

28.7.2024, 19:35:26

Mir ist noch nicht klar, wie die Antwort auf Frage 3 zu verstehen ist: („Die Einrede des § 770 Abs. 2 BGB findet nach h.M. keine Anwendung, wenn nur der Schuldner die Aufrechnung erklären kann. [...] Das Gesetz regelt lediglich den umgekehrten Fall."). Der umgekehrte Fall wäre die Situation, in der nur der Gläubiger, nicht aber der Schuldner die Aufrechnung erklären kann. § 770 Abs. 2 BGB besagt, dass der Bürge die

Befriedigung

verweigern kann, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegenüber dem Hauptschuldner befriedigen kann. § 770 Abs. 2 BGB verliert aber kein Wort über die Voraussetzung, dass gleichzeitig der Schuldner die Aufrechnung nicht erklären können darf. Ich verstehe also nicht, warum § 770 Abs. 2 BGB den „umgekehrten Fall“ regelt. Was übersehe ich? Vielen Dank!

SEN

SenorLucky

23.8.2024, 19:17:44

Ja das ist wirklich unsauber gemacht. Die Lösung will, denke ich nur darauf hinaus, dass in 770 II „Gläubiger“ steht. In unserem Fall aber dem „Schuldner“ eine Aufrechnung zusteht. Es ist also keine Voraussetzung, dass dem Schuldner eine zusteht und zusätzlich dem Gläubiger nicht oder „andersrum“ dem Gläubiger eine Aufrechnung zusteht und zusätzlich dem Schuldner nicht. Vielmehr reicht dem § 770 II das dem Gläubiger eine zusteht (egal ist das dem Schuldner keine zusteht). Damit uns ein Fall gezeigt werden konnte indem dem Schuldner eine Aufrechnung zusteht (und das dann auch wie ein Fall des § 770 II BGB behandelt wird) wurde die Konstruktion mit dem deliktischen Anspruch gewählt. Die Frage ob der Gläubiger mit gegen einer von ihm verursachten Forderung aus Deliktsrecht aufrechnen kann, stellte denke ich lediglich eine Wiederholung für Aufrechnungen dar und sollte keine Voraussetzung für § 770 II BGB sein.


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