Verletzung des völkerrechtlichen Interventionsverbotes („Nicaragua“)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mit dem Machtgewinn sozialistischer Regierungen fürchten die USA um ihre Vormachtstellung in Amerika. Als in Nicaragua die linksgerichteten Sandinistas an die Macht kommen, schreiten die USA ein und unterstützen die Contra-Rebellen im bewaffneten Kampf gegen die nicaraguanische Regierung.

Einordnung des Falls

Verletzung des völkerrechtlichen Interventionsverbotes („Nicaragua“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Interventionsverbot ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.

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Ja, in der Tat!

Das Interventionsverbot genießt unumstrittene Geltung als Völkergewohnheitsrecht: Staatenpraxis und korrespondierende Rechtsüberzeugung ergibt sich nicht zuletzt aus zahlreichen Resolutionen der Generalversammlung sowie bilateralen Freundschaftsverträgen. Der IGH nannte das Interventionsverbot "integralen Bestandteil des Völkergewohnheitsrecht" und attestiert ihm ius-cogens-Charakter (vgl. IGH, Militärische und paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua, Urteil, 1986, RdNr. 202).

2. Das Interventionsverbot ist in persönlicher Hinsicht anwendbar.

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Ja!

Das Interventionsverbot entfaltet Schutz nur gegenüber Staaten vor Eingriffen durch andere Staaten oder andere Völkerrechtssubjekte wie internationale Organisationen. Es setzt damit in persönlicher Hinsicht das Agieren zweier Völkerrechtssubjekte voraus. Mit den USA als Intervenient und Nicaragua als Betroffenem agieren zwei Staaten . Ein Schutz durch das Interventionsverbot zugunsten internationaler Organisationen scheitert im Regelfall mangels autonomer "domaine réservé" (bzw. aufgrund ihrer nur von Staaten abgeleiteten Völkerrechtssubjektivität).

3. Die USA beliefern die Contras mit Waffen, bilden diese aus und leistet ihnen logistische Hilfe. Dies stellt einen Einmischung in innere Angelegenheiten dar.

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Genau, so ist das!

Eine Einmischung in innere Angelegenheiten setzt voraus, dass Angelegenheiten außerhalb der völkerrechtlichen Regelungskompetenz berührt sind. Die USA bezwecken mit ihren Hilfeleistungen an die Contras einen Umsturz der nicaraguanischen Regierung, folglich eine politische Neuordnung; v.a. die Wahl des politischen Systems unterliegt der "domaine réservé. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten liegt vor. Die Ähnlichkeit zur Grundrechtsprüfung sticht ins Auge: innere Angelegenheit = sachlicher Schutzbereich; Einmischung = Eingriff. Eine durch das Völkerrecht "gerechtfertigte" Einmischung indes kann nicht nur in der Rechtfertigung, sondern aufgrund der negativen Definition der domaine réservé bereits im sachlichen Schutzbereich relevant werden. Im (rechtspositivistischen) Völkerrecht des frühen 20. Jhdt. verstand man die Grundprinzipien tatsächlich als staatliche Grundrechte.

4. Jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten stellt eine Verletzung des Interventionsverbots dar.

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Nein, das trifft nicht zu!

Nicht jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten verletzt das Interventionsverbot. Abgrenzungskriterium zur zulässigen Einwirkung auf innen- oder außenpolitische Aktivitäten ist das Zwangselement. Zwang im engeren Sinn erfasst jede Androhung oder Anwendung von militärischer Gewalt zur Beugung oder Brechung des Willens eines Staates . Hierauf beschränkt sich das Zwangselement jedoch nicht. Auch andere Verhaltensweisen, die einen anderen Staat zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen gegen seinen Willen bewegen, fallen darunter. Vergiss' nicht das Gewaltverbot, wenn das intervenierende Verhalten in Anwendung oder Androhung von militärischer Gewalt besteht. Das Interventionsverbot greift dann nur subsidiär.

5. Die Hilfeleistungen der USA an die Contras verletzen das Interventionsverbot zulasten Nicaraguas.

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Ja!

Das Interventionsverbot ist verletzt, wenn ein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates mit Zwangsmitteln eingreift. Mit den finanziellen Zuwendungen unterstützen die USA eine oppositionelle Gruppierung. Dadurch wirken sie aktiv und gegen den Willen Nicaraguas auf einen "regime change" hin, greifen mithin mit Zwangsmitteln in innere Angelegenheiten Nicaraguas ein (vgl. IGH, Militärische und paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua, Urteil, 1986, RdNr. 207-209).

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