Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 2
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 2
12. April 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (27.917 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte bei O stehlen. Er weiß nicht, wo dessen Wertsachen liegen und muss diese in der Wohnung bei O suchen. Er fährt zu O und tritt dessen Türe ein, um mit der Suche zu beginnen. Allerdings vertreibt ihn direkt der Nachbar von O.
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Einordnung des Falls
Unmittelbares Ansetzen bei Qualifikationstatbeständen 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch eines Wohnungseinbruchsdiebstahls (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist strafbar.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Wohnungseinbruchsdiebstahls.
Ja, in der Tat!
3. T hat durch das Eintreten der Türe „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“ in Bezug auf den Diebstahl.
Nein!
4. Das Ergebnis ändert sich dadurch, dass T gleichzeitig Tatentschluss bezüglich eines Wohnungseinbruchsdiebstahls hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. T hat jedoch durch das Eintreten der Türe „unmittelbar angesetzt“ zu einem Wohnungseinbruchsdiebstahl.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
12.10.2021, 09:09:09
Man könnte auf den Gedanken kommen, dass frühzeitige Eingreifen eine effektive Rechtsverfolgung behindert, statt sie zu ermöglichen 😅
ehemalige:r Nutzer:in
5.12.2021, 02:00:28
Wobei es eher darauf ankommen sollte Rechtsgüter zu schützen und zu erhalten, als nachträglich deren Verletzung bestrafen zu wollen.
Joana
11.10.2023, 17:40:28
Ist der Fall nicht nach den Entscheidungen des BGH anders zu beurteilen? Nach der Entscheidung des 4. Senats BGH NStZ 2020, 353 und des 6. Senats BGH NStZ 2021, 537 liegt bereits beim unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung eines Qualifikationsmerkmals der Versuchsbeginn vor. Nach den Entscheidungen des 5. Senats BGH NJW 2020, 2570 und BGH NStZ-RR 2020, 246 liegt zwar erst beim unmittelbaren Ansetzen zum Grunddelikt ein Versuchsbeginn vor, jedoch genüge hierfür bereits der Angriff auf den ersten Schutzmechanismus. Also würde meiner Meinung nach, das Auftreten der Türe ausreichen um das unmittelbare Ansetzen zu bejahen.
Shilaw
9.4.2024, 16:23:18
Liebe Joana, in der Tat hat der BGh in der Entscheidng 2020, 353 das unmittelbare Ansetzen mit dem Einbrechen in die Wohnung bejaht. Jedoch war der Fall so gestaltet, dass der Täter davon ausging, unmittelbar an den Einbruch die
Wegnahmeanschließen zu können. Bei dem uns vorliegenden Fall ist dies nicht so: Der Täter muss erst noch nach Tatobjekten suchen … Liebe Grüße :)

CR7
15.6.2024, 12:50:58
Ich kann Shilaw nur Recht geben!

Sassun
31.10.2024, 14:50:22
Der BGH hat in seinem Urteil vom 12.12.2023 die in diesem Threat dargelegten Grundsätze ebenfalls angewandt. Konkret hatte der Tatplan durch das beabsichtigte fortlaufende Geschehen ebenfalls ein
unmittelbares Ansetzenbegründet, ohne dass eine zu suchende Beute dem entgegenstünde.
Tinki
24.9.2024, 14:11:08
Hi! In der Klausur prüfe ich ja §§ 242 I, 244 I Nr. 3, IV, II, 22, 23 I direkt zusammen. Müsste ich dann im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens klarstellen, dass es notwendig ist, dass T zum einfachen Diebstahl angesetzt hat, weil ohne dieses ein
unmittelbares Ansetzenzu dem qualifizierenden Umstand nicht ausreicht?

Gruttmann
26.9.2024, 15:16:04
Genau, weil der Grundtatbestand der 242 sonst nicht erfüllt wäre. Es kommt auf den Fall dann an inwiefern, ein Klausurschwerpunkt dort liegt, aber lieber etwas ausführlicher als zu schnell und unsauber. Also du könntest es auch unterteilen wie folgt: I Tatbestand 1.
Tatentschlussa) b)… 2.
Unmittelbares Ansetzena) Zu § 242 .. b) Zu § 244 ..
Leo Lee
28.9.2024, 12:43:43
Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Gruttmann bereits richtig angemerkt hat, muss tatsächlich zunächst zum Grundtatbestand – hier zum einfachen Diebstahl – angesetzt werden. Der qualifizierende Umstand, der hier in 244 I Nr. 3 liegt (Waffe oder gefährliches Werkzeug
bei sich führen), kann nur in Verbindung mit dem Grundtatbestand geprüft werden. Das bedeutet, ein
unmittelbares Ansetzenallein zur Qualifikation nicht ausreicht, da der qualifizierende Umstand auf dem Grunddelikt aufbaut. Deshalb musst du in deiner Prüfung klarstellen, dass T zum Grunddelikt des einfachen Diebstahls unmittelbar angesetzt haben muss. Erst mit diesem Ansetzen kann auch der qualifizierende Umstand des 244 I Nr. 3 zur Anwendung kommen. Es muss eine unmittelbare Gefährdung der Rechtsgüter aus dem gesamten Tatplan hervorgehen, was eben sowohl den Grundtatbestand als auch die Qualifikation umfasst. Hierzu kann ich i.Ü. ich die Lektüre vom Heger, Lackner/Kühl/Heger StGB 30. Auflage, § 244 Rn. 10 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Kai
27.11.2024, 10:02:12
Natürlich weiß der T nicht, wie die Wertsachen hier versteckt sind. Dennoch spricht mE viel dafür, den Versuchszeitpunkt des Diebstahls auch bereits bei
Eindringenin die Wohnung anzusetzen. Einerseits beginnt ab diesem Zeitpunkt die Gefahr einer Entdeckung, während er zuvor noch als Passant durchgehen könnte. Subjektiv ändert sich für den T also einiges, er macht sich auf die Suche nach Wertsachen und hat damit das "Jetzt gehts los" überschritten (anders als zB im Supermarkt, wo der Täter bis zur
Wegnahmeals Passant auftreten kann). Es könnte ja durchaus sein, dass direkt hinter der Tür ein teures Gemälde hängt, dass er direkt wegnehmen will. Außerdem besteht ab dem
Eindringeneine erhöhte Gefahr für die Rechtsgüter des Opfers. Der einzige Zwischenschritt ist das "Finden und Zugreifen", dessen Zeitpunkt mehr oder weniger vom Zufall abhängt. Durch die Argumentation im Fall wird der Versuchszeitrahmen künstlich verkürzt auf die Zeit zwischen Finden und
Wegnahme, die, wenn der Täter eine Tasche oÄ dabei hat, nur Sekundenbruchteile umfasst.