Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Aufhebung des Versammlungsverbots der Corona-Demonstration
Aufhebung des Versammlungsverbots der Corona-Demonstration
25. Mai 2025
14 Kommentare
4,7 ★ (34.192 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Querdenker Q meldet für den 29.08.2020 eine Demo in Berlin mit 20.000 Teilnehmern inklusive Hygienekonzept an. Die zuständige Behörde P erlässt am 26.08.2020 wegen der Infektionsgefahr ein Versammlungsverbot und stützt sich auf Erfahrungen aus vergangenen Querdenker-Demos. Q geht dagegen gerichtlich vor.
Diesen Fall lösen 64,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Aufhebung des Versammlungsverbots der Corona-Demonstration
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Rechtsgrundlage für den Erlass des Versammlungsverbots war § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG setzt voraus, dass der Verdacht besteht, dass die öffentliche Sicherheit durch die Versammlung gefährdet wird.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Qs Hygienekonzept sieht keinen Mund-Nasen-Schutz vor. Ist damit bei Durchführung der Versammlung zwingend eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hinreichend konkret zu erwarten?
Nein!
4. Die unmittelbare Gefährdung ergibt sich hier aus der mangelnden Befolgungsbereitschaft der Teilnehmer hinsichtlich des Mindestabstands, die auch bei vergangenen Querdenker-Demos zu erkennen war.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Eine hinreichend konkrete Gefährdung ergibt sich aus der kritischen Haltung der Teilnehmer gegenüber Corona-Maßnahmen und der Nähe der Versammlung zur rechtsextremen Szene.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Hier besteht somit keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 VersFG BE sind nicht erfüllt.
Ja!
7. Das Versammlungsverbot war rechtswidrig.
Genau, so ist das!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eichhörnchen I
24.11.2021, 11:47:51
Hallo, vielleicht habe ich etwas übersehen. Im Sachverhalt selbst ist der Ort der geplanten Versammlung nicht angegeben. Der Quellenhinweis oberhalb des Sachverhaltes (OVG Berlin-Brandenburg) lässt vermuten, die Versammlung soll in Berlin oder Brandenburg stattfinden. Da Brandenburg kein Gebrauch von seiner Gesetzgebungskompetenz gemacht hat, wäre wie abgefragt Paragraph 15 Abs. 1 VersG einschlägig. Berlin hat nunmehr (seit 02/21) von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, sodass stattdessen Paragraph 16 Abs. 1 VersFG BE einschlägig wäre.

Lukas_Mengestu
24.11.2021, 12:17:41
Danke Eichhörnchen, der (Original-)Fall spielte zwar tatsächlich in Berlin, allerdings noch vor dem Erlass des VersFG BE. Wir haben den Fall dennoch aktualisiert und den
Versammlungsortim Aufgabentext ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Wendelin Neubert
17.12.2021, 18:27:59
Hallo Eichhörnchen I, kleiner Nachtrag: Auf der Illustration ist die Siegessäule in Berlin sowie das Konterfei des Berliner Innensenators Geisel zu sehen. Wir dachten, das mache die Örtlichkeit hinreichend klar. Sorry. Aber wir hatten die Aufgabe ja schon ergänzt. Herzliche Grüße- Wendelin für das Jurafuchs-Team
in persona
16.7.2024, 11:39:45
Hallo:) was wären denn eurer Ansicht nach hinreichende Indizien für die Bejahung der Gefahrenprognose?
Abi
25.7.2024, 10:42:15
Wenn zum Beispiel bei der Versammlungsanmeldung die Versammlungsleiterin angibt, sich während der Versammlung bewusst nicht an die Corona-Verordnung halten zu wollen. Dann würde die Versammlungs
behördenicht mehr mutmaßen, sondern hätte starke Indizien, dass Verstöße begangen würden. Die Gefahrenprognose würde zulasten der geplanten Versammlung ausfallen. Die Versammlung könnte dann rechtmäßig verboten werden. VG

DeliktusMaximus
25.10.2024, 19:13:47
@in persona Wenn es auf vergangenen Corona-Demonstrationen zu Mord
drohungen gegen Journalisten und Politiker gekommen ist und Teilnehmer wiederholt gegen die Auflagen verstoßen hätten; also der tatsächliche Erfahrungsschatz, den man während der gesamten Pandemie mit den Coronademos sammeln konnte. Das die Gerichte so Milde mit den Coronademonstrationen umgegangen sind, hängt meines Erachtens mit rechtspolitischen Gründen zusammen.

Gigachad1
7.3.2025, 16:52:48
Einerseits stimmt es, dass es ja irgendwie möglich sein muss, dass theoretisch die ,,wir halten ausdrücklich nichts von Infektionsschutzdemo'' sich mal ausnahmsweise an Infektionsschutzmaßnahmen halten würde und man ihre Demo deswegen erlaubt, so unrealistisch das auch sein mag, andererseits fände ich es realitätsnaher und vertretbarer die vergangenen Erfahrungen + die Tatsache, dass Ablehnung von Infektionsschutz quasi den Grundpfeiler der Demo ausmacht und regelmäßig ignoriert / ausdrücklich (bis auf bei der Anmeldung der Demo aus offensichtlichen Gründen) ablehnt hier überwiegen zu lassen, vor allem wenn es sich um die selben Organisatoren gehandelt hat. Wenn der Gesetzgeber sagt Infektionsschutz ist wichtig und die
Behörden das konsequent durchsetzen verstehe ich nicht, warum trotz quasi garantierter Verstöße hier die
Behörden eingeschrönkt werden sollten und den Veranstaltern die genau gegen das demonstrieren hier im Zweifel die Möglichkeit gegeben werden sollte und es als ,,Mutmaßungen'' abgetan wird, selbst im Lichte der verfassungsrechtlichen Relevanz des Art. 8. Das OVG wird sich schon was dabei gedacht haben, trotzdem finde ich das Ergebnis diskutabel