Museen dürfen Fotografieren verbieten – Fotos dürfen nicht im Internet verbreitet werden


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K betreibt ein Museum. Sie stellt Fotografien von Gemälden sowie eigene Kunstwerke aus. Mit Piktogrammen (Schilder mit durchgestrichener Kamera) und in ihrer Benutzungsordnung untersagt K das Fotografieren im Museum. B fertigt Scans der Fotografien an. Außerdem fotografiert er die Kunstwerke der K. Beides lädt er ins Internet hoch. K verlangt von B Unterlassung.

Einordnung des Falls

Museen dürfen Fotografieren verbieten – Fotos dürfen nicht im Internet verbreitet werden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat gegen B einen Anspruch auf Unterlassung, wenn die Fotografien von Gemälden Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG sind (§§ 97 Abs. 1, 72 UrhG).

Ja!

Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 72 UrhG. Voraussetzungen sind: (1) Ein Lichtbild als Schutzobjekt, (2) kein Erlöschen des Lichtbildschutzes, (3) K ist Rechteinhaber, (4) Verstoß des B, (5) Wiederholungsgefahr. Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG haben nach § 72 Abs. 3 UrhG eine Schutzdauer von 50 Jahren. Inhaber des Schutzrechts ist derjenige, der das Lichtbild angefertigt hat. Dieses Recht kann übertragen werden. Der Verstoß ist das öffentliche Zugänglichmachen des Lichtbildes (§ 19a UrhG). Die Wiederholungsgefahr wird bei einem Verstoß vermutet (vgl. BGH, RdNr. 33).

2. Die auf den Fotografien abgebildeten Gemälde sind wegen Zeitablaufs gemeinfrei (§ 64 UrhG). Die Fotografien sind daher nicht mehr nach § 72 UrhG geschützt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Damit eine Fotografie ein Lichtbild im Sinne des § 72 UrhG darstellt, ist ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erforderlich. Sie fehlt, wenn es sich um eine bloße Vervielfältigung handelt. BGH: Die Fertigung einer Fotografie eines Gemäldes erreiche regelmäßig dieses Mindestmaß im Sinne des § 72 UrhG. Von der Vorschrift seien auch nicht durch teleologische Reduktion Lichtbilder von gemeinfreien Werken ausgenommen. Der Schutz des § 72 UrhG hindere die Allgemeinheit nicht an der geistigen Auseinandersetzung mit einem gemeinfreien Werk, da er nur der Vervielfältigung des konkret betroffenen Lichtbildes entgegenstehe (RdNr. 26 ff.).

3. K hat einen Unterlassungsanspruch wegen der fotografierten eigenen Kunstwerke gegen B, wenn das Verbot wirksam ist.

Ja, in der Tat!

Ein solcher Anspruch könnte sich aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB ergeben. Zwischen K und B besteht ein sogenannter Besichtigungsvertrag. Sofern das Verbot der Anfertigung von Fotografien in den AGB wirksam ist, wäre ein Verstoß gegen das Verbot eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB. Als Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB könnte K verlangen, den Zustand wiederherstellen zu müssen, der ohne die Verletzung bestehen würde. Dies wäre hier die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung.

4. Das Verbot durch Piktogramme (Schilder mit durchgestrichener Kamera) ist wirksam in den Vertrag einbezogen worden.

Ja!

AGB müssen, um wirksam in den Vertrag einbezogen zu werden, deutlich sichtbar und dürfen nicht unklar formuliert sein (§§ 305 Abs. 2, 305c BGB). BGH: Der Begriff der AGB erfordere keine Schriftform, auch sichtbar im Museum angebrachte Zeichen wie ein Piktogramm reichten aus (RdNr. 38). Ein solches Piktogramm sei bei verständiger Auslegung für den durchschnittlichen Museumsbesucher als vollständiges Fotografieverbot im Museum, und damit auch als Verbot der Anfertigung von Fotos von den Kunstwerken, zu verstehen (RdNr. 43). Die AGB seien daher - in Form der Piktogramme - in den Vertrag wirksam einbezogen worden.Zudem war das Fotografieren durch die Benutzungsordnung verboten.

5. Ein vollständiges Fotografieverbot benachteiligt B unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) und ist daher unwirksam.

Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzung dafür sind: (1) Benachteiligung des B von einigem Gewicht und (2) Unangemessenheit der Benachteiligung. BGH: Ein Fotografieverbot stelle zwar einen hinreichend bedeutsamen Nachteil im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar (RdNr. 54). Es bestehe jedoch ein berechtigtes Interesse des K, Regeln für einen Museumsbesuch aufzustellen, um z.B. den ordnungsgemäßen Ablauf des Museumsbetriebs oder den Schutz der Kunstwerke zu gewährleisten; dazu zähle auch ein Fotografieverbot. Das Interesse der Besucher sei dagegen in erster Linie auf die unmittelbare Wahrnehmung der Ausstellungsstücke gerichtet (RdNr. 55 ff.).

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18KA

18 Punkte Kandidat

25.11.2021, 22:48:06

Der Besichtigungsvertrag kommt doch aber nicht erst am jeweiligen Gemälde zustande, sondern an der Kasse am Eingang des Museums. Dort müssten die Hinweise dann ja eigentlich stehen. Wie hat der BGH eine Einbeziehung dennoch begründet?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.11.2021, 10:48:03

Vielen Dank für die Nachfrage. In der Tat müssen die AGB bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss einbezogen werden und nicht erst nachträglich. Aus den Sachverhaltsangaben des BGH geht leider nicht genau hervor, wo die Schilder aufgestellt waren. Normalerweise finden sich die Piktogramme aber nicht nur an den jeweiligen Bildern, sondern auch im Kassenbereich. Insofern dürfte es daran nicht scheitern. Zudem ergab sich das Verbot in dem Fall auch noch aus der Benutzungsordnung des Museums. Auf diese musste zwar auch hingewiesen werden, dies dürfte aber jedenfalls im Kassenbereich erfolgt sein. Wir haben das entsprechend noch ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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