§ 315b Abs. 4 StGB: Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination

5. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A stiftet T dazu an, einen Reifen am Pkw des O zu zerstechen. Später verliert O wegen des kaputten Reifens die Kontrolle über den Pkw und fährt gegen einen Baum. T hatte darauf vertraut, dass O den Schaden unmittelbar nach Fahrtantritt bemerken und den Reifen wechseln würde.

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Einordnung des Falls

§ 315b Abs. 4 StGB: Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den objektiven Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB) verwirklicht.

Ja!

§ 315b Abs. 1 StGB setzt voraus: (1) einen Eingriff (Nr. 1-3), der (2) für die Sicherheit des Straßenverkehrs (abstrakt) gefährlich ist und (3) sich zu einer konkreten Gefährdung für eines der Schutzobjekte verdichtet. T hat ein Fahrzeug beschädigt, indem er den Reifen zerstach (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Durch diesen Eingriff ist es wegen des erhöhten Unfallrisikos zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs gekommen. Angesichts der Kollision mit dem Baum ist daraus auch der von § 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB vorausgesetzte Gefahrerfolg erwachsen.
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2. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 315b Abs. 1 StGB erfordert (zumindest bedingten) Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Der Vorsatz muss sich somit auf den gefährlichen Eingriff und auf den Eintritt der konkreten Gefahr beziehen (sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination). Da T den verkehrsfremden Eingriff (in Kenntnis der diesem innewohnenden latenten Gefährlichkeit) zielgerichtet vornahm, liegt hinsichtlich des Handlungsteils dolus directus 1. Grades vor. T hatte aber darauf vertraut, dass die durch den Fahrtbeginn bewirkte abstrakte Gefahr nicht in eine kritische Situation führen würde, so dass sich bezüglich des Gefährdungsteils kein Vorsatz konstatieren lässt.

3. T hat den subjektiven Tatbestand des §§ 315b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 315b Abs. 4 StGB verwirklicht (Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination).

Ja, in der Tat!

Neben der Vorsatz-Vorsatz-Kombination (§ 315b Abs. 1 StGB) enthält § 315b StGB auch eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (§ 315b Abs. 4 StGB). Diese lässt hinsichtlich des Eintritts einer konkreten Gefahr Fahrlässigkeit ausreichen (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit der Gefahr). Da T den Handlungsteil vorsätzlich verwirklicht hat, aber ernsthaft - und nicht nur vage - darauf vertraute, dass es nicht zu einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter des O kommen würde, handelte er bezüglich des Gefährdungsteils (bewusst) fahrlässig.

4. Da T nur die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (§§ 315b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 315b Abs. 4 StGB) verwirklicht hat, scheitert eine Teilnahmestrafbarkeit des A an der teilnahmefähigen Haupttat.

Nein!

Die Anstiftung (§ 26 StGB) setzt eine teilnahmefähige Haupttat voraus, also eine vorsätzliche rechtswidrige Tat eines anderen. Eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination steht der Teilnahmefähigkeit nicht entgegen, weil die Gleichstellungsklausel in § 11 Abs. 2 StGB expressis verbis klarstellt, dass tatbestandliche Kombinationen aus vorsätzlicher Handlung und fahrlässig verursachtem Erfolg insgesamt wie Vorsatzdelikte behandelt werden. Dass die Tat des T (§§ 315b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 315b Abs. 4 StGB) eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination und keine reine Vorsatztat ist, ist unerheblich. A ist als Anstifter zu bestrafen.
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