Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, § 315b StGB
§ 315b Abs. 5 StGB: Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination
§ 315b Abs. 5 StGB: Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination
16. April 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bauer B vergisst, das Weidetor zu schließen. Anstatt eine entwichene Kuh wieder einzufangen, was ihm gelingen würde, hofft er, sie würde von selbst wieder zurückkommen. Die Kuh legt sich auf die angrenzende Straße. Später kann O nicht bremsen und verletzt sich bei dem Unfall.
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Einordnung des Falls
§ 315b Abs. 5 StGB: Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem B nicht verhinderte, dass die Kuh sich auf die Straße legte, hat er ein "Hindernis durch Unterlassen bereitet" (§§ 315b Abs. 1 Nr. 2, 13 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat "die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt" und es bestand eine "konkrete Gefahr für Leib oder Leben" des O (§ 315b Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. Indem B das "Hindernis durch Unterlassen bereitete" (§§ 315b Abs. 1 Nr. 2, 13 StGB), hat er den Gefahrerfolg quasi-kausal verursacht.
Ja!
4. B hat den subjektiven Tatbestand der §§ 315b Abs. 1 Nr. 2, 13 StGB verwirklicht.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. B hat den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 315b Abs. 5 i.V.m. § 13 StGB verwirklicht (Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Bioshock Energy
5.5.2024, 14:34:29
Hallo, Wieso liegt hier kein Fall des §
315bI Nr. 2 iVm. §
315bIV StGB iVm. § 13 StGB vor (
Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination)? Der Bauer hat es doch vorsätzlich unterlassen die Kuh wieder einzufangen, billigend in Kauf genommen, dass diese sich auf die Fahrbahn legt und damit fahrlässig die konkrete Gefahr verursacht, dass ein Autofahrer mit dieser verunfallt. M.A.n. passt der Abs. 4 hier sogar eher als der Abs. 5 Oder mache ich einen Denkfehler?

Maximilian Puschmann
13.5.2024, 17:48:38
Hallo Bioshock Energy, ich denke, man kann mit deiner Argumentation durchaus dazu kommen, dass kein Fall von bewusster Fahrlässigkeit mehr vorliegt, sondern der Bauer schon bedingt vorsätzlich handelt. Jedoch spricht das Singularwort „hofft“ für bewusste Fahrlässigkeit. Die Definition von bewusster Fahrlässigkeit ist: „Bewusst fahrlässig handelt, wer es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, aber pflichtwidrig darauf vertraut, dass er ihn nicht verwirklichen werde.“ Also ist ein Erkennen, dass es zu einem Unfall kommen könnte, noch nicht ausreichend dafür, dass vorsätzliches Handeln vorliegt. Er „hofft“ also „vertraut“ drauf, dass es schon gut gehen wird. Dies ist immer ein Indiz in der Klausur des 1. Staatsexamens für das Vorliegen einer bewussten Fahrlässigkeit. Beste Grüße Max - für das Jurafuchs-Team
David S.
30.7.2024, 19:30:00
@
Maximilian Puschmannist es nicht vielmehr so, dass der Täter bei bedingtem
Vorsatzdarauf hofft, dass alles gut gehen wird und er bei bewusster Fahrlässigkeit darauf vertraut, dass alles gut gehen wird? In deinem Kommentar schreibst du "Er "hofft" also "vertraut" drauf, dass es schon gut gehen wird.", aber ist das nicht gerade das Abgrenzungskriterium zwischen
Vorsatzund Fahrlässigkeit. Klärt mich gerne auf, wenn ich da etwas falsch abgespeichert habe. David :)
agi
15.10.2024, 22:25:48
@[Bioshock Energy](207759) also so wie ich es verstanden habe, benötigt man für die Fälle des §
315bI StGB „doppelten“
Vorsatz. Einmal bzgl. des Handlungteils und einmal bzgl. des Gefährdungsteils. Vorliegend hat der Bauer ja bereits keinen
Vorsatzbzgl. des Handlungteils, er lässt ja aus Versehen das Tor auf, wodurch die Kuh sich auf den Weg zur Straße macht und letztlich einen Hindernis darstellt. Somit hast du für den HAndlungsteil schon einmal wenn, dann nur Fahrlässigkeit gegeben. Bzgl. des Gefährdungsteils hofft er ja, dass die Kuh von selbst zurück ins Gehege findet, hoffen impliziert immer Fahrlässigkeit, hätte er es billigend in Kauf genommen, dass die Kuh nicht zurückgeht, hättest du für den Gefährdungsteils
dolus eventualisgehabt.
Wysiati
21.11.2024, 18:13:53
@[Bioshock Energy](207759) Für
Vorsatzmuss man die Möglichkeit eines Erfolges erkennen, ernst nehmen und sich mit ihr abfinden. Oder nach der Rspr. diese billigen. Wer darauf hofft, dass ein Erfolg nicht eintritt, der billigt diesen nicht. Es liegt also nach Rspr. schon kein
Vorsatzvor. Hier befinden wir uns viel eher in der bewussten Fahrlässigkeit. Nach der
Ernstnahmetheorie(dem Abfinden) aber schon, man findet sich mit der Möglichkeit ab, „hat aber etwas dagegen“. Diese Gefühlslage soll nicht entscheidend sein und
Vorsatzliegt vor. Wer sich sich hingegen über den Erfolg ärgern würde, der findet sich mit dem Erfolg ab, möchte ihn aber nicht. Das reicht nicht aus. Er handelt vorsätzlich, nach beiden Theorien. In dem konkreten Fall kommt aber noch eine zweite Komponente hinzu. Der genaue Ablauf: Die Kuh geht aus dem Tor hinaus. Der Bauer erkennt das, hofft auf ihre eigenständige Rückkehr. Die Kuh legt sich auf die Straße. Das Unterlassen fand schon vor dem Auf-die-Straße-legen statt. Der Bauer hat nicht(!) die Kuh auf der Straße gesehen und liegen lassen. Er hat sie aus dem Tor gehen sehen und nicht eingefangen. Es kann also nicht die Rede sein von
Vorsatzhinsichtlich der auf der Straße liegenden Kuh. Gerne korrigieren.
as.mzkw
22.11.2024, 20:14:53
Finde deine Erklärung @[Wysiati](262458) richtig gut! Vlt hilft es noch wem sich an § 8 StGB zu erinnern, wonach es stets auf den Handlungs- bzw. eben entsprechend auf den Zeitpunkt des maßgeblichen Unterlassens ankommt und in dem Zeitpunkt hatte der Bauer wie dargestellt keinen
Vorsatz.
Fuchsfrauchen
26.1.2025, 14:31:40
Wenn ich auf etwas "hoffe", bedeutet das mE so viel wie, dass ich die Möglichkeit eines anderen Ausgangs erkenne, der mir aber unerwünscht ist - dann habe ich doch
dolus eventualis. Ganz anders, wenn ich ernsthaft vertraue, dass etwas gut geht, dann bin ich bei der Fahrlässigkeit. Wenn der Bauer jetzt erkennen würde, dass die Kuh Richtung Straße läuft, wäre das m.E. zumindest bedingter
Vorsatzfür die abstrakte Gefährdung (Handlungsteil). Wenn ich mir die Illustration ansehe, scheint das nicht mal abwegig, da die Straße sehr nah am Stall ist.

FalkTG
25.1.2025, 10:10:07
Könnte man ggf. den § 833 S. 2 BGB als Rechtfertigung andenken?
Kai
11.2.2025, 08:43:56
Hey, @[FalkTG](241044), in § 833 S. 2 BGB heißt es ja: Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres
die im Verkehr erforderliche Sorgfaltbeobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. In Fällen, in denen § 833 S. 2 BGB greifen könnte, würde die Strafbarkeit in diesem Fall wohl ohnehin bereits an zwei Stellen scheitern. Erstens läge dann mE bereits kein Fahrlässigkeitsvorwurf vor, den man dem Tierhalter machen könnte. Zweitens wäre in diesem Fall wohl auch die Quasi-Kausalität zu verneinen, wenn der Schaden auch bei Anwendung der Sorgfalt entstanden wäre. Ich wüsste daher nicht, inwiefern § 833 S. 2 BGB dem Bauern hier im Vergleich zur "normalen" strafrechtlichen Prüfung besserstellen würde, oder hab ich was übersehen?