Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2018
Chancengleichheit bei Teilnahme am politischen Wettbewerb – Art. 21 Abs. 1 GG
Chancengleichheit bei Teilnahme am politischen Wettbewerb – Art. 21 Abs. 1 GG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die A-Partei meldet eine Versammlung unter dem Motto „Rote Karte für die Bundeskanzlerin – Asyl braucht Grenzen“ an. Daraufhin äußert Bundesministerin W in einer Pressemitteilung auf der Homepage des Ministeriums, man solle lieber der A-Partei – die offen Volksverhetzung betreibe – die Rote Karte zeigen.
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Einordnung des Falls
Chancengleichheit bei Teilnahme am politischen Wettbewerb – Art. 21 Abs. 1 GG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die A-Partei will sich gegen die Äußerung wehren. Statthafter Rechtsbehelf vor dem BVerfG ist das Organstreitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG).
Ja!
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2. Die A-Partei hat gemäß Art. 21 Abs. 1 GG das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb.
Genau, so ist das!
3. Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien beinhaltet als Kehrseite, dass sich Staatsorgane parteipolitisch neutral verhalten müssen (Neutralitätsgebot).
Ja, in der Tat!
4. Das Gebot parteipolitischer Neutralität von Staatsorganen gilt nur in Wahlkampfzeiten.
Nein!
5. W ist nur an das Neutralitätsgebot gebunden, wenn sie die Äußerung in ihrer amtlichen Funktion als Bundesministerin getätigt hat.
Genau, so ist das!
6. W hat sich nur unter ihrem bürgerlichen Namen und nicht ausdrücklich als „Bundesministerin“ geäußert. Damit hat W ihre Äußerung nicht in amtlicher Funktion getätigt.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Die Äußerung der W mittels ihrer Pressemitteilung ist ein Eingriff in das Recht der A-Partei auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG).
Ja!
8. Der Eingriff müsste gerechtfertigt sein. W steht als Bundesministerin eine generelle politische Äußerungsbefugnis zu, die grundsätzlich geeignet ist, den Eingriff zu rechtfertigen.
Genau, so ist das!
9. Die Äußerungsbefugnis der W (Art. 65 GG) ist schrankenlos gewährleistet. Ein solcher Eingriff ist mithin stets gerechtfertigt.
Nein, das trifft nicht zu!
10. Die Äußerung der W verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot.
Ja!
11. Das Sachlichkeitsgebot muss nicht beachtet werden, wenn ein unsachlicher Angriff auf die Arbeit und Politik der Bundesregierung vorliegt (sog. „Recht auf Gegenschlag“).
Nein, das ist nicht der Fall!
12. Die A-Partei kann sich im Organstreitverfahren auch auf eine Verletzung ihrer Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Schaafrichter Johannes
23.3.2020, 14:00:21
zur Frage nach der Amztlichkeit der Ministerin: im SV ist lediglich von einer Pressemitteilung die Rede. In der Lösung darüber hinaus von einer Homepage und einem Dienstwappen. Zum anderen: bei Einschüben braucht es einen langen Strich: Soiegelstrich —. Der wurde vielfach uneinheitlich verwandt, mal kurz, mal lang, mal kurz und lang in einem Satz.
Schaafrichter Johannes
25.3.2020, 12:32:34
Amtlichkeit und Spiegelstrich natürlich 😧 ich sollte mal mehr meine eigenen Anmerkungen Korrektur lesen!
chuck lawris
17.10.2021, 12:29:26
Lebensnahe Interpretation des SV -> Pressemitteilungen einer privaten Person in der Funktion als diese, sind nicht lebensnah; bzw in der Realität nicht anzutreffen. Ergo: Pressemitteilung kann nur bedeuten, dass die Mitteilung aus dem Ministerium kam :)
chuck lawris
17.10.2021, 12:30:47
Wg Dienstsiegel; Die Bilder ergänzen den Sachverhalt :)
Lukas_Mengestu
1.11.2021, 09:34:18
Vielen Dank euch beiden. Wir haben uns der Spiegelstriche nun angenommen und auch die Information in den Sachverhalt mit aufgenommen, dass die Mitteilung auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht wurde. Wie chuck schon richtig eingewendet hat, gehört die Illustration zum Sachverhalt. Insofern haben wir darauf verzichtet auch das Dienstsiegel explizit mit aufzunehmen, da sich dieses unserer Meinung nach hinreichend deutlich in der illustration zu sehen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
gelöscht
6.7.2021, 08:11:29
Wofür stehen die Randnummern in Klammern?
Marilena
6.7.2021, 17:55:34
Hi BEY, danke für die Frage! Die Randnummern in Klammern beziehen sich auf die Textstellen im dazugehörigen Urteil, das am Ende dieses Falles verlinkt ist.
gelöscht
6.7.2021, 17:56:53
Ahhh danke! Ich dachte erst kurz für die Nomos Literatur..
Marilena
7.7.2021, 09:45:30
Gerne. Guter Gedanke!😊
lisi99
17.8.2022, 09:17:01
Es ist aber nicht möglich Art. 21 GG in Form der Verfassungsbeschwerde zu rügen? Müsste dann immer eine Aufspaltung der Rechtsbehelfe erfolgen (die gleiche Maßnahme, aber einmal VB und einmal Organstreit)?
Nora Mommsen
17.8.2022, 16:38:54
Halli lisi99, genauso ist es. In der Verfassungsbeschwerde können nur Grundrechte, grundrechtsgleiche Rechte und Justizgrundrechte geltend gemacht werden. Damit fällt Art. 21 GG als tauglicher Beschwerdegegenstand raus. Im Organstreitverfahren können wiederum nur Streitigkeiten bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten geklärt werden. Eine Rüge der Verletzung eines grundrechts scheidet somit aus, denn die Partei macht dies als Veranstalterin und nicht als am Verfassungsleben beteiligtes Organ geltend. Es müssten vorliegend also zwei Verfahren angestrengt werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
29.8.2022, 01:17:58
Kostet ja zum Glück nichts.^