Sitzblockaden: noch friedlich

27. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mitglieder der Aktionsgruppe A ketten sich an das Haupttor einer Wiederaufbereitungsanlage, um gegen Atomkraft zu protestieren. Fahrzeuge können das Haupttor nicht mehr passieren. Nach der Durchtrennung der Ketten durch die Polizei lassen sich die Teilnehmer widerstandslos abführen.

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Einordnung des Falls

Sitzblockaden: noch friedlich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schutzbereich des Versammlungsrechts ist beschränkt auf friedliche Versammlungen ohne Waffen.

Ja!

Art. 8 Abs. 1 GG gewährt das Recht, "sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln". Dadurch ist der Schutzbereich beschränkt. Der Begriff "friedlich" ist im GG nicht definiert. Rechtsprechung und Literatur legen den Begriff in Anlehnung an §§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 2 VersG aus. Eine Versammlung ist danach unfriedlich, wenn ein "gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf" angestrebt ist oder eintritt.
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2. Das Anketten an das Haupttor der Anlage ist unfriedlich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Rechtsprechung setzt ein "gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf" voraus, dass Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden. Das Anketten selbst erfüllt nicht die Anforderungen der Unfriedlichkeit, denn darin liegen keine Handlungen von einiger Gefährlichkeit, auch keine aggressiven Ausschreitungen gegen Sachen (hier etwa das Haupttor).

3. Die Blockade des Haupttors mit der Folge, dass Fahrzeuge das Haupttor nicht mehr passieren können, ist unfriedlich.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Unfriedlichkeit wird in der Verfassung auf einer gleichen Stufe wie das Mitführen von Waffen behandelt. Unfriedlich ist eine Versammlung daher erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit, insbesondere Gewalttätigkeiten stattfinden. Unfriedlich ist eine Versammlung demgegenüber nicht schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen. Nicht maßgeblich ist der strafrechtliche Gewaltbegriff; ob das streitgegenständliche Verhalten eine Nötigung (§ 240 StGB) darstellt, ist unerheblich. Für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

17.7.2021, 18:04:26

Wichtig zu merken! Natürlich ploppt gedanklich sofort die Rechtsprechung zum

Gewaltbegriff

auf beim Anketten, aber die bezog sich ja direkt auf die Auslegung von 240 StGB.


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