Berechnung für Schuldfähigkeit

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T trinkt bis 1 Uhr morgens und prügelt sich dann mit O. Die Blutprobe, die T um 6 Uhr morgens entnommen wurde, weist eine Blutalkohol-Konzentration (BAK) von 1,9 ‰ auf.

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Einordnung des Falls

Berechnung für Schuldfähigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da Ts Alkoholisierung unerheblich für die Frage ist, ob er den Tatbestand einer Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht hat, ist es für die Prüfung seiner Strafbarkeit irrelevant, welche Alkoholisierung er zum Tatzeitpunkt hatte.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die BAK des Täters kann nicht nur auf Tatbestandsebene (zB Fahrtauglichkeit des Täters, § 316 Abs. 1 StGB) von Bedeutung sein. Vielmehr kann die Schuldfähigkeit durch Trunkenheit aufgehoben oder zumindest vermindert sein. Trunkenheit stellt eine krankhafte seelische Störung bzw. tiefgreifende Bewusstseinsstörung iSd §§ 20, 21 StGB dar (=Stufe 1, biologischer Befund). Sie lässt die Schuldfähigkeit entfallen, wenn sie so erheblich ist, dass sie die Fähigkeit des Täters zu normgemäßer Motivation ausschließt (Stufe 2, psychologische Komponente).Nach gegenwärtigem Stand der Rspr. gibt es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der BAK die Schuldfähigkeit immer aufgehoben ist. Vielmehr hängt dies maßgeblich von der Konstitution des Täters ab. Als Richtwerte kann man allerdings 2,0‰ für verminderte Schuldfähigkeit und 3,0‰ für Schuldunfähigkeit heranziehen. Bei Kapitaldelikten 2,2‰ + 3,3‰.
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2. Bei der Rückrechnung auf Schuldebene ist ein stündlicher Abbauwert in Höhe von 0,1 ‰ hinzuzurechnen.

Nein, das trifft nicht zu!

Jeder Mensch baut unterschiedlich schnell Alkohol ab, wobei der Abbau zwischen 0,1‰ und 0,2‰ liegt. Entsprechend des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo) muss deshalb bei der Rückrechnung der für den Täter günstigstes Wert zugrunde gelegt werden. Auf Tatbestandsebene (zB bei der Frage der Fahruntüchtigkeit) ist es für den Täter vorteilhaft, zum Tatzeitpunkt eine möglichst geringe Alkoholisierung aufzuweisen. Aus diesem Grund wird dort ein Abbauwert von 0,1‰ pro Stunde zugrunde gelegt. Anders ist dies auf Ebene der Schuld. Hier ist ein hoher Alkoholisierungsgrad vorteilhaft, da dadurch unter Umständen Schuldunfähigkeit erreicht wird. Hier wird bei der Rückrechnung deshalb ein Abbauwert von 0,2‰ pro Stunde hinzugerechnet, die zwischen der Blutentnahme und der Tat liegt.

3. Bei der Rückrechnung zur Ermittlung der Schuldfähigkeit sind die ersten beiden Stunden nach Trinkende von der Rückrechnung auszunehmen.

Nein!

Nach dem Trinken gelangt nicht der gesamte Alkohol unmittelbar ins Blut. Wie lange der Prozess dauert, ist u.a. von der Trinkgeschwindigkeit und dem Füllstand des Magens abhängig. Da in den ersten zwei Stunden (sog. Resorptionsphase) nach Trinkende die BAK noch steigen und nicht fallen kann, wird bei der Berechnung auf Tatbestandsebene zugunsten des Täters davon ausgegangen, dass in diesem Zeitraum kein Rückgang der BAK erfolgt ist, sodass auch keine Rückrechnung erfolgt. Anders ist dies wiederum bei der Rückrechnung auf Schuldebene. Hier wird zugunsten des Täters davon ausgegangen, dass direkt nach Trinkende die BAK zu sinken beginnt. Die Resorptionsphase wird bei der Rückrechnung auf Schuldebene also nicht ausgenommen.

4. Bei der Rückrechnung zur Ermittlung der Schuldunfähigkeit ist zunächst ein Sicherheitszuschlag von 0,2‰ hinzuzurechnen.

Genau, so ist das!

Wird die Schuldunfähigkeit ermittelt, wird zusätzlich zu dem stündlichen Abbauwert einmalig noch ein Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille zugunsten der Beschuldigten hinzugerechnet. Auch dies dient dazu sicherzustellen, dass wirklich jede Benachteiligung des Täters durch das Verfahren der Rückrechnung ausgeschlossen ist (in dubio pro reo).
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