§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB: Beschädigen von Fahrzeugen – konkrete Gefährdung fehlt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T durchtrennt am Pkw der O den Bremsschlauch. O bemerkt den Defekt erst, als sie am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit an einer roten Ampel bremsen muss. O bringt das Fahrzeug mit der Handbremse auf dem leeren Fußgängerüberweg zum Stehen.
Einordnung des Falls
§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB: Beschädigen von Fahrzeugen – konkrete Gefährdung fehlt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der objektive Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) verlangt einen verkehrsfremden Eingriff (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB), der die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt, sowie eine bestimmte konkrete Gefährdung (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).
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Ja, in der Tat!
2. Indem T den Bremsschlauch des Pkw der O durchtrennt hat, hat er "ein Fahrzeug beschädigt" (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB) und einen verkehrsfremden Eingriff vorgenommen.
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Ja!
3. Indem T den Bremsschlauch durchtrennt hat, hat T "die Sicherheit des Straßenvekehrs beeinträchtigt" (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB).
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Genau, so ist das!
4. T hat wegen der großen Unfallgefahr "Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet" (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
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Luuuuuuzifer
22.4.2020, 19:49:21
Hat T sich trotzdessen nach 315b strafbar gemacht oder ist dies komplett ausgeschlossen, weil die konkrete Gefahr fehlt ?
gelöscht
22.4.2020, 22:06:58
Laut dem Fischer Kommentar führt ein Fehlen der konkreten Gefahr zum Ausschluss der Strafbarkeit gem. § 315b StGB.

Luuuuuuzifer
22.4.2020, 22:08:08
Danke schön
Stefan Thomas Neuhöfer
23.4.2020, 10:56:35
Hi, § 315b StGB ist - ebenso wie beispielsweise § 306a Abs. 2 BGB - ein konkretes Gefährdungsdelikt. Das kann man aus dem Wortlaut (und dadurch ... in Gefahr bringt/gefährdet) herauslesen. Die konkrete Gefahr (Stichwort: Beinahe-Unfall) ist daher Tatbestandsvoraussetzung. Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

Anna TK
9.10.2020, 21:22:12
Aber könnte hier nicht ein Versuch nach § 315b II StGB vorliegen?

Antonia
12.1.2021, 08:12:17
Frage ich mich auch @Anna TK

Lukas_Mengestu
10.6.2021, 18:13:18
Hallo Anna & Antonia, in der Tat wird hier vorliegend nur die Vollendung der Tat geprüft (und mangels konkreter Gefährdung) abgelehnt. Wie ihr aber zutreffend erkannt habt, ist nach § 315b Abs. 2 StGB der Versuch grundsätzlich strafbar. Im Ergebnis ist dieser vorliegend auch zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Die Eule
23.4.2020, 15:08:03
Hat sich T dann tatsächlich nur wegen Sachbeschädigung strafbar gemacht?

Lukas_Mengestu
10.6.2021, 18:10:10
Hallo "Die Eule", da wir in diesem Kapitel primär die Straßenverkehrsdelikte behandeln, haben wir die Prüfung weiterer Delikte unterschlagen. Es kämen grundsätzlich noch eine ganze Reihe von Delikten in Betracht, für die es aber teilweise noch weiterer Sachverhaltsinformationen bedürfte, darunter unter anderem: versuchter Heimtückemord/Totschlag, sofern T den Tod der O wollte; versuchte (gefährliche) Körperverletzung (lebensgefährliche Behandlung iSv § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und natürlich Sachbeschädigung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
26.7.2022, 17:34:52
Ist bezüglich der Inline-Skates nicht stark umstritten ob dies Fahrzeuge sind (Rengier BT Kapitel 10 §43 S.407 Rn 3 20.Auflage)

Lukas_Mengestu
27.7.2022, 09:56:37
Hallo Blotgrim, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben das an dieser Stelle etwas präzisiert. In der Tat muss man bei dem Begriff des Fahrzeugs iSd § 315b StGB etwas vorsichtig sein. Keine (sonstigen) Fahrzeuge sind Fortbewegungsmittel mit geringem Gefährdungspotential, die deshalb dem Fußgängerverkehr zuzuordnen sind. Hierzu gehören Rodelschlitten, Kinderwagen, Schubkarren, und Tretroller. Umstritten ist dagegen die Einordnung von Inlineskates, Rollschuhen und Skateboard . So werden Inlineskates teilweise unter keinen Umständen als Fahrzeug behandelt, teilweise dann wenn sie hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit fahrradgleich eingesetzt werden und teilweise generell als Fahrzeug eingeordnet (näher hierzu Pegel, in: MüKo-StGB, 3.A. 2019, § 315c RdNr. 13). Hier ist insofern alles vertretbar. NIcht ausreichend ist dagegen der Verweis auf § 24 Abs. 1 StVO. Denn die dort geltende Definition des Fahrzeugbegriffes gilt nur für die StVO. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
An
28.11.2023, 16:35:22
Liebes Team, Frage 2 ist zweigeteilt. Auf den 2. Teil "und verkehrsfremden Eingriff" wird in der Antwort aber nicht eingegangen. Ggfs. könntet ihr hier noch eine Ergänzung insbesondere in der Subsumtion vornehmen?