Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Nebenintervention & Streitverkündung

Rechtliches Interesse = Rechtskrafterstreckung/Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention

Rechtliches Interesse = Rechtskrafterstreckung/Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention

19. Februar 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K erhebt Klage gegen B auf Zahlung von €3.000. Kurz nach Eintritt der Rechtshängigkeit tritt er den Zahlungsanspruch an D ab, der daraufhin seinen Beitritt zum Rechtsstreit als Nebenintervenient des K erklärt. B beantragt die Zurückweisung der Nebenintervention. ‌

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Einordnung des Falls

Rechtliches Interesse = Rechtskrafterstreckung/Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vorliegend kommt es nur darauf an, ob die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Nebenintervention erfüllt sind.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Beitritt eines Nebenintervenienten unterliegt bestimmten Voraussetzungen. Von Amts wegen wird lediglich geprüft, ob die Prozesshandlungsvoraussetzungen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) beim Beitretenden vorliegen. Nur auf einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention hin (§ 71 Abs. 1 ZPO) ist dagegen zu prüfen, ob der maßgebliche Inhalt (§ 70 Abs. 1 S. 2 ZPO) gewahrt ist, ob der Rechtsstreit zwischen den Parteien schon und noch anhängig ist (§ 66 Abs. 1 ZPO), ob der Beitretende ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei hat (§ 66 Abs. 1 ZPO) und ob seine Beitrittserklärung den Formerfordernissen des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO entspricht. B hat die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt. Daher kommt es nicht allein auf das Vorliegen der von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Nebenintervention an.
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2. Die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Nebenintervention sind erfüllt.

Ja!

Der Beitritt eines Nebenintervenienten unterliegt bestimmten Voraussetzungen. Von Amts wegen wird geprüft, ob die Prozesshandlungsvoraussetzungen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) beim Beitretenden vorliegen. D hat seinen Beitritt durch Schriftsatz erklärt. Mangels anderer Angaben ist davon auszugehen, dass die Prozesshandlungsvoraussetzungen bei ihm vorliegen.

3. Der Nebenintervenient hat nur dann ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Hauptpartei, wenn diese andernfalls Regressansprüche gegen ihn haben könnte.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 66 Abs. 1 ZPO muss der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Hauptpartei haben. Ein solches Interesse wird regelmäßig angenommen (1) bei Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits für zukünftige Ansprüche, die den Nebenintervenienten betreffen (Regressansprüche, akzessorische Haftung), (2) wenn sich die Rechtskraft des Urteils auf den Nebenintervenienten erstreckt oder das Urteil Gestaltungswirkung für den Nebenintervenienten hat oder (3) wenn der Nebenintervenient der materielle Rechtsinhaber ist und die Hauptpartei nur als Prozessstandschafter auftritt. Die Vermeidung von künftigen Regressansprüchen bildet daher nur einen Unterfall einer von mehreren Fallgruppen, in denen ein rechtliches Interesse iSd § 66 Abs. 1 ZPO bejaht wird. ‌

4. D hat ein rechtliches Interesse daran, dass K den Rechtsstreit gewinnt (§ 66 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Ein rechtliches Interesse iSd § 66 Abs. 1 ZPO wird unter anderem dann regelmäßig angenommen, wenn sich die Rechtskraft des Urteils auf den Nebenintervenienten erstreckt. Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt ein Urteil auch für und gegen die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. K hat die Klageforderung an D abgetreten. Dadurch ist D Rechtsnachfolger des K geworden. Da dies auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit von Ks Klage geschah, erstreckt sich die Rechtskraft eines Urteils zugunsten von K auch auf den D. K hat durch die Abtretung eigentlich seine Aktivlegitimation für den Prozess verloren. Aus § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO geht jedoch hervor, dass er den Prozess als gesetzlicher Prozessstandschafter trotzdem weiterführen und beenden darf. Durch eine Titelumschreibung nach § 727 ZPO könnte anschließend auch D aus diesem Urteil vollstrecken.

5. D muss sein rechtliches Interesse glaubhaft machen.

Ja!

Das rechtliche Interesse ist nach § 71 Abs. 1 S. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

6. Das Gericht wird die Nebenintervention sofort zurückweisen, wenn die Beitrittserklärung nicht den Formvorschriften des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO entspricht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO muss der vom Nebenintervenienten einzureichende Schriftsatz die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits, die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat, und die Erklärung des Beitritts enthalten. Eventuelle Formmängel können jedoch noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden. Da B die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hat, muss der Schriftsatz unter anderem die Form des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO erfüllen. Bei Nichteinhaltung der Schriftform erfolgt jedoch keine sofortige Zurückweisung der Nebenintervention. Vielmehr können eventuelle Formmängel noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden.

7. Die Nebenintervention ist zulässig, sobald ein der Form des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz eingereicht wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Im Fall eines Antrags auf Zurückweisung der Nebenintervention (§ 71 Abs. 1 ZPO) ist neben den von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen (Schriftsatz durch Beitretenden + Prozesshandlungsvoraussetzungen) auch zu prüfen, ob der Rechtsstreit zwischen den Parteien schon und noch anhängig ist (§ 66 Abs. 1 ZPO), ob der Beitretende ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei hat (§ 66 Abs. 1 ZPO) und ob seine Beitrittserklärung den Formerfordernissen des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO entspricht. B hat die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt. Die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen liegen vor. Ferner ist der Rechtsstreit zwischen K und B schon und noch anhängig und D hat ein rechtliches Interesse daran, dass K den Rechtsstreit gewinnt.

8. Auf die Interventionswirkung kommt es vorliegend nicht an.

Ja!

Nach § 68 HS 1 ZPO wird der Nebenintervenient im Folgeprozess mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit im Vorprozess unrichtig entschieden worden sei. Zu einem Folgeprozess kommt es jedoch regelmäßig nur bei „Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits für zukünftige Ansprüche, die den Nebenintervenienten betreffen“. In den anderen Fallkonstellationen wirkt sich bereits der Ausgangsprozess der Hauptpartei direkt auf den Nebenintervenienten aus, sodass es nicht mehr zu einem Folgeprozess und auch nicht zur Interventionswirkung kommt. D hat aufgrund der Rechtskrafterstreckung ein rechtliches Interesse am Beitritt als Nebenintervenient. Zu einem Folgeprozess zwischen D und K oder einer Interventionswirkung wird es daher nicht kommen.  ‌

9. Wenn die Klage des K keinen Erfolg hat, könnte D auf die Idee kommen, selbst eine Zahlungsklage gegen B zu erheben. Wäre eine solche zulässig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Zulässigkeit einer Klage setzt unter anderem voraus, dass über den Streitgegenstand noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist (= entgegenstehende Rechtskraft). Über den Zahlungsanspruch wird bereits im Prozess des K gegen B rechtskräftig entschieden werden. Die Rechtskraft dieser Entscheidung erstreckt sich auch auf D. Eine Klage des D gegen B wäre daher wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig.

10. K sollte im Prozess weiterhin Zahlung der €3.000 an sich selbst verlangen.

Nein!

Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO wird der Prozess zwar im Grundsatz unverändert fortgeführt, der Zedent kann die Forderung also weiterhin einklagen. Er sollte seine Klage aber nach § 264 Nr. 3 ZPO auf Zahlung an den Zessionar umstellen, anderenfalls droht ihm die Klageabweisung wegen fehlender Aktivlegitimation.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Luisa

Luisa

5.4.2024, 18:43:58

Die Frage, „die

Nebenintervention

ist zulässig, sobald ein Schriftsatz“… ist missverständlich, da ja die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Die Frage müsste lauten, „für die

Zulässigkeit

der

Nebenintervention

kommt es nur darauf an…“

TAMA

TamaraB

31.1.2025, 18:05:54

Das ist mir noch nicht ganz klar geworden

AND

AndiSchmandi

13.2.2025, 12:03:43

@[TamaraB](265527) Die Interventionswirkung kann sich ausschließlich im Folgeprozess zwischen dem

Nebenintervenient

en und der Hauptpartei entfalten. Zu einem solchen Folgeprozess wird es aber nie kommen, wenn das Urteil des Vorprozesses den

Nebenintervenient

en bereits bindet, da er (1. Möglichkeit): selbst materieller Rechtsinhaber ist und die andere Partei nur als Prozessstandschafter für ihn auftritt, oder (2. Möglichkeit): sich die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess bereits auf den

Nebenintervenient

en erstreckt. Ein Folgeprozess der Hauptpartei gg. den

Nebenintervenient

en wäre für die Hauptpartei in beiden Fällen mangels fehlender Aktivlegitimation erfolglos. Demnach kommt man gar nicht zur Frage, ob die Interventionswirkung greift oder nicht.


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