Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Erledigung

Entscheidungsgründe - einseitige Teilerledigungserklärung

Schema: Entscheidungsgründe - einseitige Teilerledigungserklärung

30. Mai 2025

12 Kommentare

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Wie sind die Entscheidungsgründe bei einseitiger Teilerledigungserklärung aufzubauen?

  1. Gesamtergebnis

    1. Zulässigkeit der (restlichen) Leistungsklage

      Hier ist insbesondere auf die Zuständigkeit des Gerichts einzugehen. Ein Absinken des Streitwerts unter €5.000 infolge der einseitigen Teilerledigungserklärung ist nach § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO ohne Bedeutung (perpetuatio fori).

    2. Zulässigkeit der Feststellungsklage (Erledigungsantrag)

      1. Ausführungen zur Zulässigkeit der Klageänderung

        Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers ist ein Sachantrag auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Der Kläger begehrt mithin Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Dieser Übergang vom ursprünglichen Leistungsantrag zur Erledigungserklärung (Feststellungsantrag) ist nach hM eine nach § 264 Nr.2 ZPO privilegierte, zumindest aber eine nach § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung unter Einschränkung des Klageziels und damit zulässig.

      2. Zuständigkeit des Gerichts, § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO

      3. Feststellungsinteresse, § 256 ZPO

        Neben den sonstigen allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen muss insbesondere ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs.1 ZPO) vorliegen. Ein solches folgt regelmäßig aus dem Kosteninteresse des Klägers, der eine abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits haben will, um so die Kostentragung zu vermeiden.

      4. Ursprünglich zulässige Klage

      5. Ursprünglich begründete Klage

      6. Erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit

      7. Dadurch nun Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage

  2. Objektive Klagehäufung, § 260 ZPO

    Denk daran, dass die nachträgliche objektive Klagehäufung als Klageänderung zu behandeln ist. Auch hierfür müssen also die Voraussetzungen des § 263 ZPO (Einwilligung bzw. Sachdienlichkeit) vorliegen. Regelmäßig ist allerdings jedenfalls die Sachdienlichkeit zu bejahen.

  3. Begründetheit der Klage

    1. Begründetheit der (restlichen) Leistungsklage

    2. Begründetheit der Feststellungsklage (Erledigungsantrag)

      1. Ursprünglich zulässige Klage

      2. Ursprünglich begründete Klage

      3. Erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit

      4. Dadurch nun Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage

  4. Kostenentscheidung

    Die Kostenentscheidung muss wie gewohnt einheitlich ergehen (Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung), §§ 91, 92 ZPO.

  5. Vorläufige Vollstreckbarkeit

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich wie üblich nach den §§ 708 ff. ZPO.

  6. Zulässigkeit der Klage

    1. Zulässigkeit der (restlichen) Leistungsklage

      Hier ist insbesondere auf die Zuständigkeit des Gerichts einzugehen. Ein Absinken des Streitwerts unter €5.000 infolge der einseitigen Teilerledigungserklärung ist nach § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO ohne Bedeutung (perpetuatio fori).

    2. Zulässigkeit der Feststellungsklage (Erledigungsantrag)

      1. Ausführungen zur Zulässigkeit der Klageänderung

        Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers ist ein Sachantrag auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Der Kläger begehrt mithin Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Dieser Übergang vom ursprünglichen Leistungsantrag zur Erledigungserklärung (Feststellungsantrag) ist nach hM eine nach § 264 Nr.2 ZPO privilegierte, zumindest aber eine nach § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung unter Einschränkung des Klageziels und damit zulässig.

      2. Zuständigkeit des Gerichts, § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO

      3. Feststellungsinteresse, § 256 ZPO

        Neben den sonstigen allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen muss insbesondere ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs.1 ZPO) vorliegen. Ein solches folgt regelmäßig aus dem Kosteninteresse des Klägers, der eine abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits haben will, um so die Kostentragung zu vermeiden.

      4. Ursprünglich zulässige Klage

      5. Ursprünglich begründete Klage

      6. Erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit

      7. Dadurch nun Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage

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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jack Lawson

Jack Lawson

20.4.2023, 11:33:15

Bei 1) verstehe ich nicht, wie das Problem einer Streitwertsenkung in diesem Fall überhaupt entstehen kann. Wenn ich 8.500€ einklage, mir nach Klagezustellung 4.000€ gezahlt werden und ich diesen Teil dann einseitig als erledigt erkläre, dann Falle ich nach Umstellung eines Teils der Klage in eine

Feststellungsklage

zwar hierfür auf einen Streitwert von 4.000€, aber mit dem Rest der Klage (Streitwert 4.500€) bleibe ich ja trotzdem bei den 8.500€ Gesamtstreitwert, vgl. § 5 ZPO. Die Verfahren werden ja nicht getrennt. Und falls doch eine Streitwertsenkung vorstellbar wäre, könnte man dann nicht präziser mit dem § 4 Abs. 1 ZPO argumentieren?

SE.

se.si.sc

20.4.2023, 14:17:14

Die Frage des Streitwerts bei Erledigungserklärungen ist in der Rspr seit Jahren umstritten. Prinzipiell kann man hier vieles vertreten, auch deine Variante, die so auch von einigen Instanzgerichten geteilt wird. Der BGH und zunehmend auch die obergerichtliche Rechtsprechung sagt aber, dass sich das Interesse des erledigten Teils nicht auf die Höhe der Erledigung beläuft (hier 4.000 €), sondern allein auf das Kosteninteresse (von 4.000 €, müsste man mal ausrechnen, wie viel das ist). Das ergibt mE Sinn, denn die Klage hat sich in der Hauptsache nun mal erledigt, das

Geld

ist bezahlt. Der Kläger will nur nicht auf den bisherigen Kosten sitzen bleiben und streitet mit dem Beklagten hinsichtlich des erledigten Teils noch allein darüber. Bei Interesse an den Details: Blick in einen beliebigen ZPO-Kommentar, meist findet man dazu bei § 3 ZPO was unter dem Stichwort Erledigung(serklärung), zB Thomas/Putzo, § 3 Rn 62, der auf § 91a Rn 57 ff verweist.

Jonas91

Jonas91

8.6.2023, 23:02:40

Danke für das Schema, finde ich sehr gut. Eine (wahrscheinlich nervige) Nachfrage dazu: im Kaiserskript (Rn 426) machen sie in der Musterformulierung zur einseitigen

Teilerledigungserklärung

, wenn sie in der objektiven KHäufung sind - nachdem sie weiter oben 264 Nr.2 ZPO abgefrühstückt haben und den auch bejaht haben- nochmal den Turn zu 263 Alt 2 ZPO („Die in der Antragsänderung liegende nachträgliche, objektive kumulative Klagenhäufung gem

260 ZPO

ist ebenfalls ohne die Zustimmung des Beklagten zulässig. Aus 261 II ZPO folgt die grundsätzliche Zulässigkeit der nachträglichen Klagehäufung. Die darin liegende Klageänderung ist gem 263 Alt 2 ZPO sachdienlich, denn (…)“). Ist das überflüssig oder muss man das sogar machen (und verstehe ich das richtig, dass Kaiser hier offenbar zwei „Felder“ einer Klageänderung sehen , also (1) bzgl eines Teils von Leistung auf „nur“ noch

Feststellung

-> qualitative Beschränkung, 264 Nr. 2, und (2)

nachträgliche Objektive Klagehäufung

, da nunmehr Leistungsantrag+

Feststellung

santrag, diese „zweite“ Klageänderung dann wegen Sachdienlichkeit nach 263 Alt.2 ZPO zulässig )? Bin da leider etwas verwirrt.. Vielen Dank auf jeden Fall für die tolle App 😊

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.6.2023, 10:30:40

Klasse Nachfrage, Jonas! In der Tat wird die

NACHTRÄGLICHE objektive Klagehäufung

wie eine Klageänderung behandelt (Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 260 RdNr. 3). Entsprechend müssen hierfür ebenfalls die Voraussetzungen des §

263 ZPO

vorliegen. Wir haben nun noch einen entsprechenden Hinweis ergänzt. Die Entscheidung des BGH auf der diese Gleichsetzung beruht (BGH, 10.01.1985 - III ZR 93/83), findest Du unter folgendem Link: https://www.prinz.law/urteile/bgh/III_ZR__93-83https://www.prinz.law/urteile/bgh/III_ZR__93-83 Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

frausummer

frausummer

2.8.2023, 14:29:34

Weshalb spielt hier in der vorläufigen Vollstreckbarkeit § 794 Nr. 3 ZPO keine Rolle?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.8.2023, 15:43:55

Hallo frausummer, § 794Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet nur bei Entscheidungen Anwendung, gegen die das Rechtsmittel der

Beschwer

de stattfindet. Dies ist zB gegen den

Beschluss

bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Fall, gegen den die sofortige

Beschwer

de statthaft ist (§ 91a Abs. 2 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Bei einseitiger (Teil-) Erledigungserklärung ergeht dagegen ein Urteil und kein

Beschluss

. Damit dieses vollstreckbar ist, muss es entweder rechtskräftig sein oder für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (§ 704 ZPO). Die

vorläufige Vollstreckbarkeit

richtet sich entsprechend nach den §§ 708 ff. ZPO. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FL

Florian

21.11.2024, 13:05:13

Müsste die Zulässigkeit der Klageänderung(en) nicht vor der Zulässigkeit der beiden Klagen geprüft werden? Das wird doch sonst auch so gemacht, oder?

MEL

Melina

16.2.2025, 19:21:13

Ich habe es so verstanden, dass die Zulässigkeit der Klageänderung am Anfang geprüft wird, wenn man nur einen Antrag hat (Grundfall der einseitigen Erledigungserklärung). Da man aber bei der einseitigen

Teilerledigungserklärung

zwei Anträge hat, also den (Rest-)Leistungsantrag und den

Feststellung

santrag, prüfst du die Klageänderung ja nur bei der Zulässigkeit bezüglich des

Feststellung

santrages. Die Zulässigkeit Klageänderung hat mit dem (Rest-)Leistungsantrag nichts zu tun, der bleibt ja so oder so bestehen. Verneinst du die Zulässigkeit der Klageänderung bezüglich des

Feststellung

santrages, musst du die Erklärung des Klägers dahingehend auslegen, ob eine

Teilrücknahme

vorliegt oder der ursprüngliche Leistungsantrag in dieser Höhe zu prüfen ist. Ist jedenfalls auch sinnvoll, wenn die Voraussetzungen der nachträglichen objektiven Klagehäufung nicht vorliegen. Dann werden die Verfahren ja nur getrennt und die jeweilige Zulässigkeit ebenfalls getrennt geprüft.


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