Schema: Verpflichtungsklage - Begründetheit (§ 113 Abs. 5 VwGO)
22. März 2025
12 Kommentare
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Üblicherweise prüfst Du die Begründetheit der Verpflichtungsklage nach dem sog. Anspruchsaufbau. Wie sieht dieser Aufbau aus?
Anspruchsgrundlage
Begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakt, bedarf es zunächst einer passenden Anspruchsgrundlage, d.h. einer Norm, aus der der Kläger ein subjektives Recht gegenüber der Behörde auf Erlass des Verwaltungsakts ableiten kann. Diese ist zu Beginn des Anspruchsaufbaus zu identifizieren. Anspruchsgrundlagen finden sich vor allem in Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts. In der Klausur wirst Du in der Regel einen Hinweis darauf finden, in welchem Gesetz Du nachgucken musst. Manchmal musst Du die konkrete Anspruchsgrundlage aber selbst finden. Damit wird Deine Fähigkeit geprüft, mit fremden Normen umzugehen. Tatbestand
Nach der Identifikation der einschlägigen Anspruchsgrundlage beginnst Du mit der Prüfung, ob der Tatbestand der Anspruchsgrundlage auch erfüllt ist, also ob die Voraussetzungen gegeben sind, damit die Anspruchsgrundlage erfüllt ist und der Kläger sich auf sie berufen kann. Jede Anspruchsgrundlage hat - wie auch jede Ermächtigungsgrundlage - einen Tatbestand und eine Rechtsfolge. Führe Dir diese Normstruktur immer vor Augen und arbeite so juristisch sorgfältig. Nur weil der Tatbestand gegeben ist, heißt es noch nicht, was die Rechtsfolge im jeweiligen Fall ist. Formelle Tatbestandsvoraussetzungen
Liegt eine Anspruchsgrundlage vor, prüfst Du im zweiten Schritt zunächst, ob die formellen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage gegeben sind. Die zu verpflichtende Behörde muss sachlich, örtlich und instanziell zuständig sein. Im Falle der Versagungsgegenklage muss der Bürger einen ordnungsgemäßen Antrag stellen. Manchmal ist ein besonderes Verfahren oder eine besondere Form des Antrags vorgeschrieben. Lies die Anspruchsgrundlage genau und ggf. die Normen „drumherum“. Materielle Tatbestandsvoraussetzungen
Prüfungsschwerpunkt liegt regelmäßig darin, die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage zu prüfen. Gehe hier strukturiert vor (orientiere Dich an der jeweiligen Anspruchsgrundlage) und argumentiere mit den Angaben im Sachverhalt. Voraussetzungen, die Du unproblematisch bejahen kannst, führst Du nur knapp aus. Sind Voraussetzungen strittig, argumentierst Du ausführlicher.
Rechtsfolge
Liegen die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage vor, ist zu prüfen, welche Rechtsfolge an das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft ist. Das ist entscheidend dafür, ob ein Vornahmeurteil (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) oder lediglich ein Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) ergehen kann. Ist die Rechtsfolge einer Anspruchsgrundlage eine gebundene Entscheidung der Behörde, liegt Spruchreife i.S.v. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO vor. Eine gebundene Entscheidung bedeutet, dass die Behörde den Verwaltungsakt erlassen muss, wenn die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sind. In diesen Fällen verpflichtet das Gericht die Behörde dazu, den konkreten Verwaltungsakt zu erlassen (= Vornahmeurteil). Liegt keine Spruchreife vor, etwa weil der Behörde Ermessen für die Entscheidung eingeräumt wird, kann in der Regel nur ein Bescheidungsurteil ergehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
simon175
12.6.2022, 21:21:12
Sehr übersichtlich und ergiebig. Danke.
Pacta sunt servanda
14.3.2023, 08:36:04
Sehr unüblicher Aufbau der Prüfung aus meiner Sicht.

Nora Mommsen
14.3.2023, 12:05:43
Hallo pacta sunt servanda, danke für die Rückmeldung. Dieser ist der typische Aufbau für die Prüfung nach dem Anspruchsaufbau. Ich nehme an, du hast in der Uni den sogenannten "
Rechtswidrigkeitsaufbau" kennengelernt. Keiner der beiden ist richtiger als der andere, der Anspruchsaufbau ist klausurtaktisch einfacher zu handhaben weil er bei allen Formen der
Verpflichtungsklage- sei es Untätigkeits- oder
Versagungsgegenklagegleichermaßen funktioniert, ohne dass man dazu geneigt ist Aufbaufehler zu machen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
evanici
29.8.2023, 14:55:37
Könntet ihr hier evtl. genauer darauf eingehen, warum der
Rechtswidrigkeitsaufbau fehleranfälliger im Aufbau (bzw. an welcher Stelle der Begründetheit) ist?

kikiara
4.5.2024, 13:01:44

Maximilian Puschmann
7.5.2024, 12:36:00
Hallo Kikiara, das prüfst du in der Rechtsfolge. Wenn du beispielsweise dazu kommst, dass die
Behördezwar eine Entscheidung treffen muss, aber hi
erbei noch Ermessen hat, würdest du feststellen, dass die Entscheidung noch nicht spruchreif ist und lediglich die
Behördezur neuen Bescheidung verurteilt wird (
Bescheidungsurteil). Du prüfst es also immer automatisch in der Rechtsfolge bzw. dem Ergebnis mit. Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team

sy
18.3.2025, 21:05:43

Linne_Karlotta_
20.3.2025, 09:01:01
Hey @[sy](30718), danke für Deine Frage. Der hier dargestellte Aufbau ist der gängige „Anspruchsaufbau“, den wir für die Begründetheit der
Verpflichtungsklageempfehlen. Soweit der Rechtsschutzsuchende einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat, hat das die Konsequenz, dass es
rechtswidrigist, wenn die
Behördeden Verwaltungsakt nicht erlässt. In der Prüfung der Begründetheit solltest Du mit dem Obersatz aus § 113 Abs. 5 VwGO einsteigen und dann überleiten zur Anspruchsprüfung: „Die
Verpflichtungsklageist begründet, soweit die Ablehnung/Unterlassung des Verwaltungsakts
rechtswidrigund der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass des abgelehnten/unterlassenen Verwaltungsakt hat.“ Danach steigst Du in die hier abgebildete Prüfung ein: „Ks Anspruch auf Erlass der Genehmigung könnte sich aus § xy ergeben. (...)" Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team