Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 2 BGB

Verstoß gegen Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB)

Schema: Verstoß gegen Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB)

17. Dezember 2025

18 Kommentare

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Wie prüfst Du den Anspruch auf Schadensersatz bei Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz)?

  1. Verstoß gegen ein Schutzgesetz

    Statt einer Rechtsgutsverletzung setzt § 823 Abs. 2 BGB voraus, dass ein Schutzgesetz verletzt worden ist und dass die geschädigte Person in den persönlichen Schutzbereich des Schutzgesetzes fällt.

    1. Schutzgesetz

      Schutzgesetz ist eine materielle Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), die – sei es auch nur neben dem Schutz der Allgemeinheit – zumindest auch dazu dient, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts oder Rechts zu schützen.

    2. Verstoß

      Für den Verstoß gelten die Tatbestandsvoraussetzungen des Schutzgesetzes. Ist also eine Vorschrift des Strafgesetzbuches das Schutzgesetz, musst Du alle Merkmale des Straftatbestandes (objektiver und subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und strafrechtliche Schuld) prüfen.

    3. Persönlicher Schutzbereich

      Der Verletzte muss zu dem durch das Schutzgesetz geschützten Personenkreis gehören.

  2. Rechtswidrigkeit

    Die Rechtswidrigkeit wird durch die Schutzgesetzverletzung indiziert. Ist sie bereits im Rahmen der Verletzung des Schutzgesetzes positiv festgestellt worden (etwa bei einem Strafgesetz), muss sie nicht nochmal geprüft werden.

  3. Verschulden

    Der vom Schutzgesetz geforderte Verschuldensgrad muss erfüllt sein (Beispiel: Vorsatz bei § 303 StGB). Das wird oben zusammen mit den anderen Voraussetzungen der Schutzgesetzverletzung geprüft und ist nicht noch einmal zu prüfen. Setzt das Schutzgesetz kein Verschulden voraus, dann muss mindestens Fahrlässigkeit vorliegen (§§ 823 Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese ist dann an hier zu prüfen. Das Verschulden braucht sich aber nur auf den Verstoß gegen das Schutzgesetz, nicht auch auf den daraus resultierenden Schaden zu beziehen. Im Übrigen kann bei einer Schutzgesetzverletzung das Verschulden vermutet werden. Das Verschulden wird nur vermutet, wenn das Schutzgesetz ein so konkret formuliertes Verhalten beschreibt, dass dieser Schluss naheliegt. Das ist nicht der Fall, wenn das Schutzgesetz alleine einen Verletzungserfolg verbietet.

  4. Kausaler Schaden

    Es muss ein nach §§ 249ff. BGB-ersatzfähiger Schaden äquivalent und adäquat kausal durch die Verletzung des Schutzgesetzes hervorgerufen werden (haftungsausfüllende Kausalität). Weiterhin muss der Schaden und die Art und Weise der Schadensverwirklichung unter den Schutzzweck des Schutzgesetzes fallen (objektive Zurechnung).

  5. Haftungsbegründende Kausalität

    Die Verletzung des Schutzgesetzes muss sich äquivalent und adäquat kausal aus der Handlung/dem Unterlassen des Schuldners ergeben und ihm objektiv zurechenbar sein (Schutzzweck der Norm).Wenn die Merkmale der haftungsbegründenden Kausalität bereits Tatbestandsvoraussetzung für den Verstoß gegen das Schutzgesetz sind, musst du sie an dieser Stelle nicht noch einmal gesondert prüfen!

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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TAY

Taylaw

5.10.2021, 17:55:11

Wäre es nicht logischer, hier erst die Zugehörigkeit einer Person zum geschützten Personenkreis zu prüfen, und anschließend die Verletzung des

Schutzgesetz

es? Wenn nämlich die betroffene Person sowieso nicht zum geschützten Personenkreis gehört, würde ich es als seltsame Schwerpunktsetzung ansehen, wenn man zuerst die Verletzung thematisiert (wenn die denn dann überhaupt vorliegt). Vielleicht kann man es aber auch so oder so machen und es ist Geschmackssache. Als generelles Feedback (…->)

TAY

Taylaw

5.10.2021, 17:55:55

Als generelles Feedback fände ich es bei den Schemata deswegen toll, wenn Alternativen, die auch gut vertretbar sind, nicht als falsch gewertet werden :) Danke!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.10.2021, 11:02:45

Hey Taylaw, vielen Dank für den Hinweis. In der Tat sind

Prüfungsschemata

nicht in Stein gemeißelt. Leider haben wir bislang noch keine technische Möglichkeit gefunden, alternative Lösungen als richtig zu werten. Wir sind allerdings dabei, hierfür eine Lösung zu finden. Im konkreten Fall würde ich Dir zustimmen, dass es in der Regel mehr Sinn ergibt, den persönlichen Schutzbereich vor der Verletzung zu prüfen. Wir haben das entsprechend angepasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TAY

Taylaw

6.10.2021, 12:09:09

Vielen Dank! Und super, dass ihr versucht, das zu implementieren :)

Dogu

Dogu

29.10.2023, 19:44:32

Wird der

Vorsatz

nach strafrechtlichen Kriterien bestimmt oder muss sich dieser im

Deliktsrecht

auch auf die Rechtswidrigkeit beziehen`?

Sambajamba10

Sambajamba10

24.1.2024, 13:01:22

Hallo @[Dogu](137074), letzteres ist richtig. Der

Vorsatz

ist im Zivilrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der Rechts- bzw. pflichtwidrigkeit (

Unrechtsbewusstsein

entsprechend der

Vorsatz

theorie). Daher stellt sich hier beispielsweise eine Problematik wie der Erlaubnis

tatumstandsirrtum

glücklicherweise nicht

BEN

benjaminmeister

19.1.2025, 19:22:51

Ist der Prüfungspunkt "

haftungsbegründende Kausalität

" nicht eigentlich völlig überflüssig wenn ich schon bei "

Schutzgesetz

/Verstoß gegen

Schutzgesetz

" den kompletten Tatbestand des

Schutzgesetz

es prüfe?

Nils

Nils

18.7.2025, 16:32:32

Das würde mich auch interessieren.

Giuliana

Giuliana

22.7.2025, 18:28:27

In einem Aufbauschemata-Büchlein (A. Schmidt für ZivilR), welches ich bei Unklarheiten während Fallbearbeitungen gerne auch nochmal ranziehe, wird z.B. nicht nochmal der Prüfungspunkt der haftungsbegründenden Kausalität eröffnet, sondern die Prüfungspunkte

Schutzgesetz

/Schutzbereich/Verstoß werden (tatsächlich auch neben Rechtswidrigkeit und Ver

schuld

en) unter „haftungsbegründenden Tatbestand“ zusammengefasst. Auf einer bekannten Jura-Seite fand ich ein Schema, dass auch wie hier den Prüfungspunkt „alleinstehend“ aufgreift. Hauptsache wird sein, dass es deutlich wird, dass der Verstoß kausal für die Verletzung ist und somit die Haftung begründet ist.

Nils

Nils

22.7.2025, 19:55:32

Es scheint so zu sein, dass es genauso wie bei §

823 I

BGB zu prüfen ist. Der Grund, warum es oft nicht separat in

Prüfungsschemata

aufgeführt ist, liegt wohl darin, dass es bei vielen

Schutzgesetz

en einfach kein eigenes Tatbestandsmerkmal und deswegen kein "universaler" Prüfungspunkt ist. "Nach allgemeinen Regeln obliegt dem Geschädigten der Kausalitätsnachweis, also der Nachweis einer ursächlichen Verbindung zwischen der Verletzung des

Schutzgesetz

es und dem Eintritt des Schadens. Während der Nachweis der Schadenshöhe und der haftungsausfüllenden Kausalität eine Angelegenheit des § 287 ZPO ist, stellt sich hinsichtlich der „haftungsbegründenden“ Kausalität, also des Ursachenzusammenhangs zwischen

Schutzgesetz

verstoß und primärer Rechtsgutsverletzung, die Frage nach Beweiserleichterungen. Im technischen Sinn haftungsbegründend ist die Rechtsgutsverletzung bei § 823 Abs. 2 zwar regelmäßig nicht, weil sie kein Tatbestandsmerkmal der meisten

Schutzgesetz

e ist, doch ändert dies nichts daran, dass der Geschädigte einen Schaden nachweisen muss, wenn er Kompensation und nicht bloß Unterlassung verlangt." MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 715

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

12.8.2025, 11:44:06

Hallo @[benjaminmeister](216712), @[Nils](40945) und @[Giuliana](188708), wie ihr schon ganz richtig herausgestellt habt, ist der Prüfungspunkt nur dann erforderlich, wenn man nicht beim Verstoß gegen das

Schutzgesetz

bereits prüft, ob der Anspruchsgegner gegen dieses auch durch ein Handeln oder Unterlassen kausal und zurechenbar verstoßen hat. Das wird bei den klassischen Klausurfällen in der Regel der Fall sein, sodass ein separates Eingehen darauf nicht erforderlich ist. Es gibt aber auch andere

Schutzgesetz

e, bei denen das die Prüfung erleichtern kann. Als Beispiel würde ich Art. 101 AEUV heranziehen. Der Tatbestand verbietet bestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Prüft man einen Anspruch gegen eine an einem solchen Unternehmen beteiligte natürliche Person (B), gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man macht es so wie wir und prüft bei Verstoß gegen das

Schutzgesetz

nur, ob eben der Tatbestand des Art. 101 AEUV erfüllt ist, also zwischen den Unternehmen eine verbotene Vereinbarung besteht. Die separate Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität ist dann erforderlich, da erst sie zur Zurechnung gerade zum konkreten Anspruchsgegner (B) führt. Alternativ kann man auch sagen, dass im Hinblick auf

§ 823 Abs. 2 BGB

("welcher gegen ein [...] Gesetz verstößt") ja bereits nur der Verstoß gegen das

Schutzgesetz

durch den Anspruchsgegner gemeint ist und gleich unter "Verstoß gegen

Schutzgesetz

" prüfen, ob denn auch der B selbst zurechenbar gegen das

Schutzgesetz

verstoßen hat. Das kann es aber meines Erachtens komplizierter machen als der Weg, den wir einschlagen, und erfordert höhere sprachliche Präzision. Deswegen finde ich unsere Lösung grundsätzlich die bessere. Ich sehe aber auch, dass unser Schema verwirren kann. Daher haben wir jetzt den Hinweis hinzugefügt, dass eine Prüfung nur dann erforderlich ist, wenn die

haftungsbegründende Kausalität

nicht bereits Tatbestandsvoraussetzung der

Schutzgesetzverletzung

ist. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

ROBE

Robert_Fhain

8.9.2025, 16:23:49

In der Box "Verstoß" schreibt ihr: "Für den Verstoß gelten die Tatbestandsvoraussetzungen des

Schutzgesetz

es. Ist also eine Vorschrift des Strafgesetzbuches das

Schutzgesetz

, musst Du alle Merkmale des Straftatbestandes (objektiver und

subjektiver Tatbestand

, Rechtswidrigkeit und strafrechtliche

Schuld

) prüfen." Ich habe im Strafrecht gelernt, dass der Tatbestand aus dem objektiven und dem subjektiven Teil besteht. Rechtswidrigkeit und

Schuld

gehören nicht zum Straftatbestand, sondern zur Straftat an sich. Habt ihr da einen Formulierungsfehler?

LELEE

Leo Lee

10.9.2025, 13:25:14

Hallo Robert_Fhain, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Es mag zwar auf den ersten Blick etwas eigenartig klingen, dass trotz "StrafTATBESTANDS" das volle Programm gefordert wird. Allerdings ist hiermit tats. auch die RWK sowie die

Schuld

gemeint. Denn der TATBESTAND eines Strafgesetzes meint sehr wohl den obj. + subj. TB. Allerdings wird der Begriff Straftatbestand auch allgemein mit dem Strafgesetz (also TB, RWK,

Schuld

) synonym verwendet, weshalb in der Tat alles durchzuprüfen ist (siehe etwa auch in der Lösung von Prof. Stephan Lorenz: https://lorenz.userweb.mwn.de/lehre/gk1/rep/sosefall13.pdf). Dies ist z.B. auch nicht zuletzt deshalb nötig, weil die Erwägungen zu der RWK sowie der

Schuld

haftigkeit nicht immer deckungsgleich sind zw. dem Strafrecht und dem

Deliktsrecht

(auch wenn das

Deliktsrecht

- wie "Delikt" schon sagt - ziemlich nah am Strafrecht steht). Bspw. kennen wir ja alle die ALIC aus dem Strafrecht; allerdings wäre es - nicht unmöglich aber sehr ungewohnt und auch knifflig - diese Figur in die Prüfung des 823 einzubauen, weil man dann ständig mit dem Strafrecht argumentieren müsste i.R.d. Zivilrechts. Deshalb haben wir uns hier in der Tat nicht vertippt :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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