Schema: Verstoß gegen Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB)
Wie prüfst Du den Anspruch auf Schadensersatz bei Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz)?
Verstoß gegen ein Schutzgesetz
Statt einer Rechtsgutsverletzung setzt § 823 Abs. 2 BGB voraus, dass ein Schutzgesetz verletzt worden ist und dass die geschädigte Person in den persönlichen Schutzbereich des Schutzgesetzes fällt.
Schutzgesetz
Schutzgesetz ist eine materielle Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), die – sei es auch nur neben dem Schutz der Allgemeinheit – zumindest auch dazu dient, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts oder Rechts zu schützen.
Verstoß
Für den Verstoß gelten die Tatbestandsvoraussetzungen des Schutzgesetzes. Ist also eine Vorschrift des Strafgesetzbuches das Schutzgesetz, musst Du alle Merkmale des Straftatbestandes (objektiver und subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und strafrechtliche Schuld) prüfen.
Persönlicher Schutzbereich
Der Verletzte muss zu dem durch das Schutzgesetz geschützten Personenkreis gehören.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Schutzgesetzverletzung indiziert. Ist sie bereits im Rahmen der Verletzung des Schutzgesetzes positiv festgestellt worden (etwa bei einem Strafgesetz), muss sie nicht nochmal geprüft werden.
Verschulden
Der vom Schutzgesetz geforderte Verschuldensgrad muss erfüllt sein (Beispiel: Vorsatz bei § 303 StGB, Prüfung oben zusammen mit den anderen Voraussetzungen). Setzt das Schutzgesetz kein Verschulden voraus, dann muss mindestens Fahrlässigkeit vorliegen (§§ 823 Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Verschulden braucht sich aber nur auf den Verstoß gegen das Schutzgesetz, nicht auch auf den daraus resultierenden Schaden zu beziehen. Im Übrigen wird bei einer Schutzgesetzverletzung das Verschulden vermutet.
Kausaler Schaden
Es muss ein nach §§ 249ff. BGB ersatzfähiger Schaden äquivalent und adäquat kausal durch die Verletzung des Schutzgesetzes hervorgerufen werden (haftungsausfüllende Kausalität). Weiterhin muss der Schaden und die Art und Weise der Schadensverwirklichung unter den Schutzzweck des Schutzgesetzes fallen (objektive Zurechnung).
Haftungsbegründende Kausalität
Die Verletzung des Schutzgesetzes muss sich äquivalent und adäquat kausal aus der Handlung/dem Unterlassen des Schuldners ergeben und ihm objektiv zurechenbar sein (Schutzzweck der Norm).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Taylaw
5.10.2021, 17:55:11
Wäre es nicht logischer, hier erst die Zugehörigkeit einer Person zum geschützten Personenkreis zu prüfen, und anschließend die Verletzung des Schutzgesetzes? Wenn nämlich die betroffene Person sowieso nicht zum geschützten Personenkreis gehört, würde ich es als seltsame Schwerpunktsetzung ansehen, wenn man zuerst die Verletzung thematisiert (wenn die denn dann überhaupt vorliegt). Vielleicht kann man es aber auch so oder so machen und es ist Geschmackssache. Als generelles Feedback (…->)
Taylaw
5.10.2021, 17:55:55
Als generelles Feedback fände ich es bei den Schemata deswegen toll, wenn Alternativen, die auch gut vertretbar sind, nicht als falsch gewertet werden :) Danke!
Lukas_Mengestu
6.10.2021, 11:02:45
Hey Taylaw, vielen Dank für den Hinweis. In der
Tatsind
Prüfungsschematanicht in Stein gemeißelt. Leider haben wir bislang noch keine technische Möglichkeit gefunden, alternative Lösungen als richtig zu werten. Wir sind allerdings dabei, hierfür eine Lösung zu finden. Im konkreten Fall würde ich Dir zustimmen, dass es in der Regel mehr Sinn ergibt, den persönlichen Schutzbereich vor der Verletzung zu prüfen. Wir haben das entsprechend angepasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Taylaw
6.10.2021, 12:09:09
Vielen Dank! Und super, dass ihr versucht, das zu implementieren :)
evanici
11.9.2023, 16:21:12
Würde sich eine Prüfung des Verschuldens ähnlich wie bei der
Rechtswidrigkeit nicht auch erübrigen, wenn es im Rahmen der Verletzung des Schutzgesetzes bereits thematisiert wurde? Bezugspunkt scheint ja erst einmal derselbe zu sein... Als eigener Prüfungspunkt bekäme es doch nur dann scGehalt, wenn gerade kein Verschulden für den Verstoß nötig ist i.S.d. § 832 II 2...
Sambajamba10
24.1.2024, 13:06:05
Ja, das tut es. Oftmals sind ja Schutzgesetze aus dem Strafrecht entnommen, wo ein Verschulden zwingend vorgeschrieben ist. Andererseits gibt es Schutzgesetze, die dies nicht vorsehen, weshalb, wie du sagtest, § 823 II 2 Anwendung findet, um die Anforderungen des § 823 I nicht zu unterlaufen.
Dogu
29.10.2023, 19:44:32
Wird der
Vorsatznach strafrechtlichen Kriterien bestimmt oder muss sich dieser im Deliktsrecht auch auf die
Rechtswidrigkeit beziehen`?
Sambajamba10
24.1.2024, 13:01:22
Hallo @[Dogu](137074), letzteres ist richtig. Der
Vorsatzist im Zivilrecht das Wissen und Wollen des
rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der Rechts- bzw. pflichtwidrigkeit (
Unrechtsbewusstseinentsprechend der
Vorsatztheorie). Daher stellt sich hier beispielsweise eine Problematik wie der Erlaubnis
tatumstandsirrtumglücklicherweise nicht