Definition: Erlaubnisirrtum (§ 17 StGB)

8. Juli 2025

12 Kommentare

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Was versteht man unter einem „Erlaubnisirrtum“ (§ 17 StGB)?

Ein Erlaubnisirrtum liegt vor, wenn der Täter trotz zutreffender Erfassung des Sachverhalts entweder irrig einen rechtlich nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund annimmt (Bestandsirrtum) oder aber die Grenzen eines rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes zu seinen Gunsten überdehnt (Grenzirrtum).

Der Erlaubnisirrtum wird auch als indirekter Verbotsirrtum bezeichnet. Er führt nur zur Straffreiheit, wenn der Irrtum unvermeidbar war und somit die Schuld des Täters ausnahmsweise entfällt (§ 17 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

2.8.2024, 10:14:09

Was wäre ein Beispiel dazu 😊? Gerne auch in Abgrenzung zu dem Verbotsirrtum. Danke!

Tobias Krapp

Tobias Krapp

2.8.2024, 18:46:03

Hallo Juraddicted, danke für deine Nachfrage. Zur Abgrenzung der Irrtümer ist es immer hilfreich, sich zwei Fragen zu stellen: 1. Irrt der Täter sich über

Tatsachen

oder erfasst er die

Tatsachen

richtig, irrt sich aber über deren rechtliche Bewertung? 2. Auf welche Ebene bezieht sich der Irrtum inhaltlich? Auf Tatbestand,

Rechtswidrig

keit oder

Schuld

? Sowohl beim

Erlaubnisirrtum

als auch beim direkten Verbotsirrtum erfasst der Täter die

Tatsachen

richtig, irrt sich aber über die rechtliche Bewertung. Der Unterschied ist die Ebene, auf die sich der Irrtum bezieht: Beim

Erlaubnisirrtum

bezieht sich der Irrtum auf die

Rechtswidrig

keit. D.h. der Täter geht davon aus, dass es einen Straftatbestand gibt, der sein Verhalten erfasst. Er denkt aber, gerechtfertigt zu handeln. Beispiel: Vater V schlägt seinen minderjährigen Sohn S, weil er findet, S habe etwas falsch gemacht. Dabei denkt V, ihm stehe ein elterliches Züchtigungsrecht zu. In Wirklichkeit gibt es ein solches in Deutschland aber nicht (mehr). V erfasst also die

Tatsachen

richtig, bewertet diese aber falsch (1. Frage). Dabei weiß er zwar, dass Körperverletzungen

tatbestandlich

verboten sind. Er denkt aber, gerechtfertigt zu handeln. Der Bezugspunkt ist daher die

Rechtswidrig

keit (2. Frage). Damit liegt ein

Erlaubnisirrtum

vor, hier in der Form des Bestandsirrtums. Beim direkten Verbotsirrtum hingegen bezieht sich der Irrtum auf die Tatbestandsebene: Der Täter denkt, es gebe gar keinen Straftatbestand, der sein Verhalten unter Strafe stellt. Beispiel: Dieb D schenkt seiner Freundin F nach erfolgreicher Diebestour ein gestohlenes Armband. F weiß um die Herkunft des Armbands, geht aber davon aus, dass sie sich ja nichts zu

schuld

en hat kommen lassen und das Armband annehmen und behalten darf. F erfasst also alle

Tatsachen

richtig, bewertet diese aber flach (1. Frage). Sie denkt, die Annahme sei

tatbestandlich

nicht verboten, der Irrtum bezieht sich auf den Tatbestand (2. Frage). Damit liegt ein direkter Verbotsirrtum vor. Direkter Verbotsirrtum und

Erlaubnisirrtum

sind also eng verwandt, bei beiden fehlt dem Täter die Einsicht, Unrecht zu tun,

§ 17 StGB

, nur der Bezugspunkt ist unterschiedlich. Beides sind demnach Verbotsirrtümer in unterschiedlicher Ausprägung und damit nach

§ 17 StGB

zu lösen. Ich hoffe, das hilft dir bei der Abgrenzung! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias @[Wendelin Neubert](409)

Juraddicted

Juraddicted

2.8.2024, 21:33:36

Super, vielen lieben Dank 😊!

CAR

Carla

8.2.2025, 15:33:06

Hallo, hat jemand ein Beispiel an dem die Abgrenzung von

ETBI

und

Erlaubnisirrtum

erkennbar ist? :)

Tabasco

Tabasco

13.2.2025, 00:24:22

Also

Erlaubnisirrtum

wäre glaub ich zB: T schießt mit seiner Pistole in die Brust des ihn angreifenden und unbewaffneten A und verletzt diesen tödlich. Allerdings denkt T, dass er zur

Verteidigung

direkt tödlich schießen darf.

ETBI

wäre: A haut den Hund von E, weil er dachte, dass dieser ihm ins Gesicht beißen will. Eigentlich wollte der Hund nur As Gesicht ablecken, um ihm seine Liebe zu zeigen.

OKA

okalinkk

27.3.2025, 13:51:33

@[Carla](270119) so wie ich das gelernt habe, bezieht sich der

EtbI

auf einen Sachverhaltsirrtum, während beim

Erlaubnisirrtum

der Täter den Sachverhalt zutreffend erkennt, jedoch in rechtlicher Hinsicht irrt.

EtbI

: Täter nimmt irrig einen Sachverhalt an, bei dessen Vorliegen er gerechtfertigt wäre. ZB A denkt B greife ihn an, tats will B gar nicht eingreifen. A verteidigt sich vermeintlich

Erlaubnisirrtum

: der Täter erkennt den Sachverhalt zutreffend, erfindet aber einen Rechtfertigungsgrund oder überdehnt die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes. ZB A denkt er dürfe seinen Sohn verhauen, da er an den RF-Grund des elterlichen Züchtigungsrechts glaubt

G0d0fMischief

G0d0fMischief

2.10.2024, 10:33:05

Hallo, Ist ein Notwehrexzess dann automatisch ein Spezialfall des Grenzirrtums? Weil auch bei einem Notwehrexzess überschreitet der Täter die Grenzen eines Rechtfertigungsgrundes in unzulässiger Weise. Der intensive Notwehrexzess wäre dann ja ein klarer Fall des § 33 StGB, während der extensive dann ja ggf. über 17 StGB entschieden werden könnte.

erikxxx

erikxxx

22.1.2025, 17:57:08

Würde mich auch interessieren. Könnte einer aus dem Jurafuchs-Team hierauf antworten?

Charles "Chuck" McGill

Charles "Chuck" McGill

19.2.2025, 22:15:03

Nein, da der Täter beim Notwehrexzess jedenfalls nicht zweingend glaubt, sein Handeln sei erlaubt, also sich falsche Vorstellungen über die Legalität seines Handelns macht. Das kann natürlich sein, ist aber nicht notwendig.

OKA

okalinkk

27.3.2025, 13:53:02

wieso nennt man den

Erlaubnisirrtum

einen „indirekten“ Verbotsirrtum

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

5.4.2025, 13:01:25

Hallo @[okalinkk](253888), Das liegt daran, dass der Täter sich wie beim Verbotsirrtum über die rechtliche Bewertung seiner Tat irrt, aber eben nicht darüber, dass die Tat auf Tatbestandsebene verboten ist, sondern darüber, dass sie auf Rechtfertigungsebene erlaubt ist. Das stellt sozusagen die andere Richtung des Verbotsirrtums dar, was sich ja auch schon an den Namen "Verbotsirrtum" und "

Erlaubnisirrtum

" zeigt. Einmal findet der Irrtum über das Verbot statt, einmal über die ausnahmsweise Erlaubnis. Deswegen "indirekt". Nicht zu verwechseln ist das Ganze jedoch mit dem "umgekehrten Verbotsirrtum", was ein anderer Begriff für das

Wahndelikt

ist. Dort werden objektive und subjektive Lage vertauscht. Beim Verbotsirrtum ist das Verhalten objektiv verboten, der Täter denkt aber, es wäre nicht verboten. Beim

Wahndelikt

ist das Verhalten dagegen objektiv nicht verboten und der Täter stellt sich nur auf rechtlicher Ebene irrtümlich vor, dass es verboten wäre. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

5.4.2025, 15:27:35

Vielen Dank für die hilfreiche Erklärung :) @[Tim Gottschalk](287974)


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