Definition: Erlaubnisirrtum (§ 17 StGB)
Was versteht man unter einem „Erlaubnisirrtum“ (§ 17 StGB)?
Ein Erlaubnisirrtum liegt vor, wenn der Täter trotz zutreffender Erfassung des Sachverhalts entweder irrig einen rechtlich nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund annimmt (Bestandsirrtum) oder aber die Grenzen eines rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes zu seinen Gunsten überdehnt (Grenzirrtum).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Juraddicted
2.8.2024, 10:14:09
Was wäre ein Beispiel dazu 😊? Gerne auch in Abgrenzung zu dem Verbotsirrtum. Danke!
Tobias Krapp
2.8.2024, 18:46:03
Hallo Juraddicted, danke für deine Nachfrage. Zur Abgrenzung der Irrtümer ist es immer hilfreich, sich zwei Fragen zu stellen: 1. Irrt der Täter sich über
Tatsachen oder erfasst er die
Tatsachen richtig, irrt sich aber über deren rechtliche Bewertung? 2. Auf welche Ebene bezieht sich der Irrtum inhaltlich? Auf
Tatbestand,
Rechtswidrigkeit oder Schuld? Sowohl beim
Erlaubnisirrtumals auch beim direkten Verbotsirrtum erfasst der Täter die
Tatsachen richtig, irrt sich aber über die rechtliche Bewertung. Der Unterschied ist die Ebene, auf die sich der Irrtum bezieht: Beim
Erlaubnisirrtumbezieht sich der Irrtum auf die
Rechtswidrigkeit. D.h. der Täter geht davon aus, dass es einen Straf
tatbestand gibt, der sein Verhalten erfasst. Er denkt aber, gerechtfertigt zu handeln. Beispiel: Vater V schlägt seinen minderjährigen Sohn S, weil er findet, S habe etwas falsch gemacht. Dabei denkt V, ihm stehe ein elterliches Züchtigungsrecht zu. In Wirklichkeit gibt es ein solches in Deutschland aber nicht (mehr). V erfasst also die
Tatsachen richtig, bewertet diese aber falsch (1. Frage). Dabei weiß er zwar, dass Körperverletzungen
tatbestandlich verboten sind. Er denkt aber, gerechtfertigt zu handeln. Der Bezugspunkt ist daher die
Rechtswidrigkeit (2. Frage). Damit liegt ein
Erlaubnisirrtumvor, hier in der Form des Bestandsirrtums. Beim direkten Verbotsirrtum hingegen bezieht sich der Irrtum auf die
Tatbestandsebene: Der Täter denkt, es gebe gar keinen Straf
tatbestand, der sein Verhalten unter Strafe stellt. Beispiel: Dieb D schenkt seiner Freundin F nach erfolgreicher Diebestour ein gestohlenes Armband. F weiß um die Herkunft des Armbands, geht aber davon aus, dass sie sich ja nichts zuschulden hat kommen lassen und das Armband annehmen und behalten darf. F erfasst also alle
Tatsachen richtig, bewertet diese aber flach (1. Frage). Sie denkt, die Annahme sei
tatbestandlich nicht verboten, der Irrtum bezieht sich auf den
Tatbestand (2. Frage). Damit liegt ein
direkter Verbotsirrtumvor.
Direkter Verbotsirrtumund
Erlaubnisirrtumsind also eng verwandt, bei beiden fehlt dem Täter die Einsicht, Unrecht zu tun, §
17 StGB, nur der Bezugspunkt ist unterschiedlich. Beides sind demnach Verbotsirrtümer in unterschiedlicher Ausprägung und damit nach §
17 StGBzu lösen. Ich hoffe, das hilft dir bei der Abgrenzung! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias @[Wendelin Neubert](409)
Juraddicted
2.8.2024, 21:33:36
Super, vielen lieben Dank 😊!
G0d0fMischief
2.10.2024, 10:33:05
Hallo, Ist ein
Notwehrexzess dann automatisch ein Spezialfall des Grenzirrtums? Weil auch bei einem
Notwehrexzess überschreitet der Täter die Grenzen eines Rechtfertigungsgrundes in
unzulässiger Weise. Der intensive
Notwehrexzess wäre dann ja ein klarer Fall des § 33 StGB, während der extensive dann ja ggf. über
17 StGBentschieden werden könnte.