Prozessrecht & Klausurtypen
Die zivilrechtliche Anwaltsklausur
Die Anwaltsklausur aus Beklagtensicht (Typ 2)
Zweckmäßigkeit - Reaktion bei vollumfänglich begründeter Klage
Zweckmäßigkeit - Reaktion bei vollumfänglich begründeter Klage
3. Juli 2025
15 Kommentare
4,9 ★ (10.620 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Mandant M erscheint bei Anwältin A. Er trägt vor, dass er von K auf Zahlung von €4.000 verklagt wird. Die Klage ist vollumfänglich begründet. M hat vorprozessual gegenüber K dessen Anspruch zurückgewiesen.
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Einordnung des Falls
Zweckmäßigkeit - Reaktion bei vollumfänglich begründeter Klage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A sollte M raten, den Anspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast anzuerkennen (§§ 307, 93 ZPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Auch wenn ein sofortiges Anerkenntnis ausscheidet, ist es zweckmäßig, den Anspruch im Termin anzuerkennen (§ 307 ZPO).
Nein, das trifft nicht zu!
3. A wird M raten, ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen.
Nein!
4. Für M wäre es zweckmäßig, die €4.000 sowie alle Zinsen und alle Anwalts- und Gerichtskosten unverzüglich an K zu zahlen, um diesen komplett klaglos zu stellen und außergerichtlich bei K anzuregen, die Klage zurückzunehmen.
Genau, so ist das!
5. Alternativ kann A dem M raten, die €4.000 unverzüglich an K zu zahlen und bei diesem die Abgabe einer Erledigungserklärung anzuregen, wobei M schon jetzt antizipiert den Anschluss an die Erledigungserklärung des K erklären sollte.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hilfloser Melancholiker
16.4.2024, 19:24:30
Aber wird die Gegenseite dann nicht einfach für erledigt erklären, statt zurückzunehmen? Angenommen, man schließt sich dann der Erledigungserklärung an, wäre der dann ergehende Kostenbeschluss billiger (oder genauso billig), wie ein
Anerkenntnisurteil, hätte man anerkannt?

Lukas_Mengestu
18.4.2024, 16:04:49
Hallo hilfloser Melancholiker, in der Tat kann sich der Kläger aussuchen, ob er die Klage zurücknimmt oder für erledigt erklärt. Wir haben dies noch ergänzt und dabei auch klargestellt, dass auch der Anschluss zur Erledigung zweckmäßig im Hinblick auf die Kosten ist. Ein Vorteil, den die Rücknahme-/Erledigungserklärung ggü. dem
Anerkenntnisurteil haben, ist der Umstand, dass der Kläger keinen vollstreckbaren Titel erhält. Damit wird also auch weiteren Kosten vorgebeugt, die im Falle einer Zwangsvollstreckung anfallen würden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Hilfloser Melancholiker
18.4.2024, 16:57:38
Klasse, vielen Dank für die super schnelle Antwort!!
Lorenz
12.4.2025, 16:50:20
Also hängt sowohl die sofortige
Klaglosstellung, als auch die Erfüllung davon ab, dass der Kläger mitmacht und den Prozess nicht einfach durchziehen will?
moritzsthd
14.4.2025, 10:21:26
Naja, in beiden Fällen wird die Klage ja nachträglich unbegründet. Die Klage würde also abgewiesen und dem Kläger die Kosten auferlegt werden. Er wird sich also sinnvollerweise entweder zur Rücknahme oder Erledigungserklärung entscheiden; wenn nicht, umso besser.
Lorenz
14.4.2025, 10:34:19
Aber würde der Kläger in dieser Situation nicht typischerweise die Klage in eine FK umstellen und so gewinnen?
Entenpulli
30.4.2025, 09:37:06
@[Lorenz](211175) Das war auch mein Gedanke. Allein deshalb wird es wohl in der Praxis keinen Sinn machen so ohne Anwalt vorzugehen. Das macht denke ich nur Sinn, wenn die Anwälte untereinander aushandeln, dass so vorgegangen wird. Aufgabe des Beklagtenanwalts wäre also, den gegenerischen Anwalt davon zu überzeugen, dass es ansonsten wesentlich aufwendiger und länger würde, um an das
geldzu kommen (zB weil der Beklagte kaum
Geldhat und eine Zwangsvollstreckung daher riskant wäre).
Lorenz
30.4.2025, 10:46:27
@[Entenpulli](169608) wobei dann natürlich wieder Gebühren für die Anwälte anfallen...Es dürfte insgesamt nicht sehr praxistauglich sein.

Sebastian Schmitt
26.5.2025, 09:54:54
Hallo @Lorenz, ich fürchte, ich habe den Hintergrund Deiner Frage noch nicht ganz verstanden. Nachfolgend trotzdem mal meine Gedanken dazu. Wenn etwas unklar geblieben ist, melde Dich gerne nochmal. Der Zivilprozess ist so gesehen immer davon abhängig, dass der Kläger "mitmacht", denn er bestimmt grds über den Streitgegenstand bzw der Beklagte kann jedenfalls nicht einseitig über diesen Gegenstand disponieren. Und was genau meinst Du mit "den Prozess durchziehen"? Lässt der Kläger das Verfahren auf eine Zahlung des Beklagten hin einfach laufen, wird die Klage als unbegründet abgewiesen und der Kläger verliert und trägt die kompletten Kosten, wie @[moritzsthd](296153) völlig richtig gesagt hat. Der Kläger hat also schon ein eigenes Interesse daran, den Prozess nicht einfach "durchzuziehen". Du, Lorenz, bringst noch eine
Feststellungsklageins Spiel. Aber worauf soll diese Feststellung gerichtet sein? Rechtlich und wirtschaftlich interessant ist für den Kläger doch nur noch, dass er nicht die Kosten tragen muss - und dafür ist genau die Erledigungserklärung da. Der Versuch der Umstellung auf eine
Feststellungsklageohne relevantes
FeststellungsinteresseiSd § 256 I ZPO riskiert jedenfalls, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Es kann auch in der Praxis durchaus mal sinnvoll sein, das Ganze gerade nicht auf der "Anwaltsebene" durchzuziehen, @[Entenpulli](169608). Das setzt aber natürlich voraus, dass der Kläger entweder gewisse juristische Vobildung hat oder man ihm, falls das nicht der Fall ist, als Beklagter vermitteln kann, warum es hier (auch für ihn!) nicht wirtschaftlich sinnvoll ist, die Klage fortzuführen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Lorenz
26.5.2025, 10:11:37
@[Sebastian Schmitt](263562) Das heißt, dass wenn der Beklagte eine Erledigung mit vollständiger
Klaglosstellunganregt, das
Feststellungsinteressedes Klägers für eine FK entfällt?

Sebastian Schmitt
26.5.2025, 11:24:13
Hallo @Lorenz, das kann ich so abstrakt kaum beantworten, dazu müsstest Du zunächst die auch schon oben von mir gestellte Frage beantworten, was genau der Kläger denn noch festgestellt haben möchte - geht es um die Kostentragung, um die Erledigung, um irgendwelche (angeblich) verbleibenden "inhaltlichen" Interessen? Davon hängt die Antwort entscheidend ab. Jedenfalls dann, wenn es allein um die Kostentragung geht und der Beklagte der Erledigung zustimmt, hält das Gesetz aber mit § 91a ZPO genau die prozessuale Möglichkeit bereit, die der Kläger anstrebt. Es ist mE zumindest zweifelhaft, dass sich der Kläger der mit § 91a I ZPO intendierten Verfahrenserleichterung und Schonung der gerichtlichen Ressourcen einfach durch eine simple Umstellung auf eine
Feststellungsklageentziehen können soll (aA mit entsprechender Argumentation ggf vertretbar, detailliert zu den recht ausdifferenzierten Streitständen BeckOK-ZPO/Jaspersen, 56. Ed, Stand 1.3.2025, § 91a Rn 6 ff; MüKoZPO/Schulz, 7. Aufl 2025, § 91a Rn 19 ff). Dogmatisch verankern ließe sich das eben zB beim (fehlenden)
Feststellungsinteressenach § 256 I ZPO. In der Praxis wird man in aussichtslosen Fällen als Beklagter zusammen mit der (antizipierten) Zustimmung zur Erledigung häufig auch gleich die Bereitschaft zur Kostenübernahme erklären. Spätestens dann dürfte es für eine verbleibende
Feststellungsklagedes Klägers rechtlich sehr "dünn" werden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
sparfüchsin
17.6.2025, 12:10:25
Also als ich dieses Vorgehen in der Klausur mal als Zweckmäßig beschrieben habe, schrieb der Korrektor drunter, vollkommen praxisfern, weil unklar, ob sich der Kläger auf dieses Vorgehen einlässt. 😅
PhilippRhein
17.6.2025, 20:56:17
Diese Anmerkung deines Korrektors halte ich für schwerlich nachvollziehbar; jedenfalls sofern die gestellte Klausur nicht einige Besonderheiten aufwies, die ein anderes Vorgehen zweckmäßig machten Wenn nämlich der Kläger den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt, wird er - da sein Anspruch infolge der Erfüllung untergegangen ist - mit seiner weiter verfolgten Klage abgewiesen und hat daher die Kosten des Rechtsstreits in Gänze selbst zu tragen. Es liegt daher im Interesse des Klägers, die Erledigung zu erklären. Und es wäre für den beklagten Mandanten sogar noch besser, wenn der Kläger dies nicht täte. (Das kann man so auch in die Zweckmäßigeserwägungen schreiben und so zeigen, dass man - aus anwaltlicher Vorsicht - an alle Eventualitäten gedacht hat.) Was aber praktisch teils zu beachten ist: 1. Es kann zweckmäßig sein, auch einer eigentlich begründeten Klage entgegen zu treten, um letztlich einen für den Mandanten günstigeren Vergleich zu erzielen. Das hängt aber sehr von der Vergleichsbereitschaft der Gegenseite ab und ist daher tatsächlich riskant. 2. Der Weg über Zahlung + Erledigung macht nur bei vollständiger
Begründetheitder Klage und entsprechend vollständigener Zahlung und Erledigung Sinn. Eine beiderseitige
Teilerledigunghat nämlich bis auf den durch die Streitwertänderung ggf. erwirkte (minimale) Kostenreduktion keine Kostenvorteile. Nr. 1210 KV GKG gilt nämlich nur für die Beendigung des "gesamten Verfahrens".