Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Gewillkürte Erbfolge

Das notarielle Testament – Errichtung durch Übergabe offener Schrift (Fall)

Das notarielle Testament – Errichtung durch Übergabe offener Schrift (Fall)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Die dauergestresste E diktiert ihrem Assistenten A in einer freien Minute ihr Testament. Der A tippt dieses ungenau ab und druckt es aus. Ohne es noch einmal zu lesen oder zu unterschreiben, schickt E das Testament dem Notar N zu. Der Brief beinhaltet dabei keine Erklärung der E, dass das Schriftstück ihren letzten Willen enthält.

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Einordnung des Falls

Das notarielle Testament – Errichtung durch Übergabe offener Schrift (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Testament ist ungültig, da E das Testament nicht selbst geschrieben und unterschrieben hat.

Nein!

Die Schrift muss beim öffentlichen Testament weder eigenhändig geschrieben noch unterschrieben sein. Die Schrift kann daher vom Erblasser selbst oder auch von einer anderen Person geschrieben sein. Dass E das Testament nicht selbst geschrieben oder unterschrieben hat, führt nicht zur Ungültigkeit.
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2. Das Testament ist ungültig, da E die Schrift nicht persönlich übergeben hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 2232 S. 1 BGB muss der Erblasser die Schrift dem Notar übergeben. Eine körperliche Übergabe aus der Hand des Erblassers in die Hand des Notars ist jedoch nicht erforderlich. Das Testament ist nicht aufgrund der fehlenden persönlichen Übergabe ungültig.

3. Das Testament ist nach der herrschenden Meinung ungültig, da E den konkreten Inhalt der Schrift nicht kennt.

Ja, in der Tat!

Nach der herrschenden Meinung trifft den Erblasser die sittliche Verantwortung für die Ausgestaltung seines letzten Willens und der Erbfolge. Er muss daher den Inhalt der Schrift kennen. Die bloße Möglichkeit, sich vom Inhalt Kenntnis zu verschaffen, genüge danach nicht. Das Testament der E ist nach der herrschenden Meinung ungültig, da E den konkreten Inhalt nicht kennt. Nach anderer Ansicht genüge es hingegen, wenn E die Möglichkeit hat sich vom Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffe. Dieser Ansicht nach würde andernfalls der Rechtsfrieden erheblich gefährdet werden.

4. Das Testament ist ungültig, da die Erklärung der E fehlt, dass darin ihr letzter Wille enthalten ist.

Ja!

Der Erblasser muss erklären, dass die übergebene Schrift seinen letzten Willen enthalte. Dabei kommt es weder auf den gewählten Wortlaut noch auf die Form der Erklärung an. Das Testament ist aufgrund der fehlenden Testiererklärung des E ungültig. Hat der Erblasser jedoch die Niederschrift genehmigt und eigenhändig unterschrieben, liegt darin konkludent auch die erforderliche Erklärung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

18.5.2023, 13:42:40

Das öffentliche

Testament

ist wohl eher die Ausnahme oder? Wo ist es geregelt?

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 14:57:53

Vielen Dank für deine Frage IsiRider! Das öffentliche

Testament

ist in § 2232 BGB geregelt. Die Bedeutung ist gar nicht so gering, da es idR mit einer notariellen Beratung einher geht. Außerdem geht das

Testament

durch die amtliche Verwahrung nicht verloren. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

EI

Eike-Christian

18.9.2024, 04:29:08

Aber die Übergabe einer offenen Schrift ist eher die Ausnahme. Der Regelfall ist die mündliche Erklärung, und zwar in der Form der Zustimmung zu einem vom Notar verlesenen Entwurf.

L.G

L.Goldstyn

8.8.2024, 13:19:28

Um es eindeutig zu machen: In der bloßen Übergabe des

Testament

stexts liegt nie eine

konkludent

e Erklärung iSv § 2232 S. 1 BGB, „dass die Schrift seinen letzten Willen enthalte“, oder? Es bedarf demnach stets eine gesonderten Erklärung? Dafür spräche jedenfalls: 1. § 2232 BGB verlangt, dass die Übergabe mit einer Erklärung erfolgen muss. Daraus kann geschlossen werden, dass schon nach dem Willen des Gesetzgebers in der bloßen Übergabe nie eine (ausreichende) Erklärung liegen kann. 2. Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB: Bei einer bloßen Übergabe ohne zusätzliche Erklärung ist es für einen objektiven Dritten in der Position des Notars nicht ersichtlich, ob es sich um den letzten Willen handelt oder nur um einen Entwurf, der mit dem Notar besprochen werden sollte.


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