Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Unzuständigkeit des Gerichts, § 338 Nr. 4 StPO - Grundfall
Unzuständigkeit des Gerichts, § 338 Nr. 4 StPO - Grundfall
17. April 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A lauert B auf dessen Abendspaziergang auf und sticht den unbekümmerten B hinterrücks nieder. B verstirbt. Im Prozess vor der großen Strafkammer rügt A rechtzeitig, aber erfolglos, das Schwurgericht sei zuständig. A wird wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt.
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Einordnung des Falls
Unzuständigkeit des Gerichts, § 338 Nr. 4 StPO - Grundfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Vorliegend war das Landgericht für die Anklage wegen Mordes (§ 211 StGB) erstinstanzlich zuständig (§ 74 Abs. 1 GVG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, weil die große Strafkammer hier nicht als Schwurgericht verhandelte (§§ 74 Abs. 2, 74e GVG).
Ja, in der Tat!
3. Nach § 338 Nr. 4 StPO wird vermutet, dass das Urteil auf der fehlerhaften Zuständigkeitsannahme beruht.
Ja!
4. Das Urteil wird infolge des Fehlers aufgehoben und an eine andere große Strafkammer zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die besondere Zuständigkeit des Schwurgerichts muss während des gesamten Strafverfahrens von Amts wegen berücksichtigt werden.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri
17.3.2024, 15:22:50
Ich verstehe hier die Falllösung nicht oder habe etwas nicht verstanden. § 338 Nr. 4 erfasst, soweit ich weiß nur die Fälle der sachlichen Unzuständigkeit und nicht die der funktionellen oder örtlichen. Bei der Abgrenzung
Schwurgerichtoder
große Strafkammergeht es aber um die funktionelle Zuständigkeit und § 338 Nr. 4 wäre meines Erachtens nicht anwendbar, sondern § 337 I, 6a StPO.

ri
17.3.2024, 15:26:09
Nein ok, ich habe es durcheinander gebracht. Die sachliche Zuständigkeit ist bereits Verfahrensvoraussetzung und § 338 Nr. 4 erfasst die örtliche und funktionale Zuständigkeit und gerade nicht die sachliche Zuständigkeit, sorry für die Verwirrung.

sy
30.1.2025, 17:41:21
aber so habe ich es auch verstanden, es wäre hier ein Verfahrenshindernis aufgrund der falschen sachlichen Zuständigkeit. § 338 Nr. 4 betrifft die örtliche. Und selbst wenn auch ich es falsch verstanden habe, wieso wird hier dann jedenfalls nicht auch über die Frage des Verfahrenshindernisses als zustätzlichen Punkt gesprochen ? Oder stehe ich hier aufm schlauch? wenn angenommen wird, dass hier de Unzuständigkeit aufgrund der gleichrangigkeit der Spruchkörper angenommen wird (und vorher nach § 16 S. 3 StPO rechtzeitig dies gerügt wurde), wäre es dann ein Fehler auch im Sinne der Verfahrenshindernisse die Thematik angesprochen zu haben ?

2cool4lawschool
13.2.2025, 18:14:17
Ich stimme dir zu @[sy](30718). Ich kapiere auch nicht, wieso dieser Fall unter 338 Nr. 4 StPO gefasst wird. Das wäre Mmn ein Verfahrenshindernis. @[Sebastian Schmitt](263562) Hier stimmt was nicht oder?

2cool4lawschool
13.2.2025, 18:17:23
Hey @[sy](30718), genau das habe ich mir auch gedacht. Habe jetzt 338 Nr. 4 StPO immer so eingeordnet, dass sich dieser auf die örtliche Zuständigkeit bezieht. @[Sebastian Schmitt](263562) wäre das hier nicht ein Verfahrenshindernis das vAw zu prüfen wäre?

2cool4lawschool
13.2.2025, 18:25:09
hey @[sy](30718), der 338 Nr. 4 hat in der Tat Bedeutung verloren im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit, so zB wenn wir AG Amtsrichter und AG
Schöffengerichthaben. Die Zuständigkeit eines höherrangigen Gerichts handeln wir dann im Verfahrenshindernis und in der Sachrüge ab. Neben der örtlichen Zuständigkeit umfasst der § 338 Nr. 4 aber noch die "besondere Zuständigkeit gleichrangiger" Gerichte, also zB das
Schwurgericht, Wirtschaftsstrafkammer und die Staatsschutzkammer. Diese besonderen Strafkammern sind in 74e GVG geregelt. Das Verhältnis
große Strafkammerund
Schwurgerichtist damit nicht identisch zum Verhältnis AG
Strafrichterund
Schöffengericht. Hoffe, es wird dadurch klarer. @[Sebastian Schmitt](263562) eine Erklärung in der Aufgabe dazu wäre noch super :)

2cool4lawschool
13.2.2025, 18:27:33
übrigens: s. M/G, § 338, Rn. 30 :)

Sebastian Schmitt
14.2.2025, 11:34:23
Hallo @[sy](30718), @[ri](98845) hat sich hier schon völlig richtig selbst korrigiert. Die (fehlende) Zuständigkeit einer großen Strafkammer als
Schwurgerichtist keine Frage der sachlichen Zuständigkeit und dementsprechend kein Verfahrenshindernis, sondern eine Frage der funktionellen Zuständigkeit, wobei die Vorgaben des § 6a StPO zu berücksichtigen sind. Die ggf erforderliche Rüge des Angeklagten richtet sich dann nicht nach § 16 I S 3 StPO (der nur für die örtliche Zuständigkeit gilt), sondern nach der entsprechenden Regelung in § 6a S 3 StPO. Man kann das sicher iRd Verfahrenshindernisse kurz ansprechen. Ich wäre hier aber doch eher zurückhaltend, weil für Praktiker recht klar sein dürfte, dass wir es iE nicht mit einem Verfahrenshindernis zu tun haben. IRv § 338 Nr 4 StPO kommt man dann ja ohnehin näher auf die Zuständigkeit des
Schwurgerichts zu sprechen. Das restliche Zusammenspiel hat @[2cool4lawschool](265024) inhaltlich schon gut erläutert. Wir haben die Aufgabe jetzt ergänzt und gehen insbesondere auf § 6a StPO und die Frage des Verfahrenshindernisses näher ein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team