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§ 886 BGB – Verjährungsbeginn des gesicherten Anspruchs (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 224/22)
§ 886 BGB – Verjährungsbeginn des gesicherten Anspruchs (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 224/22)
13. Juni 2025
6 Kommentare
4,7 ★ (10.892 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Verkäufer V und Käuferin K schließen 2004 formwirksam einen Grundstückskaufvertrag (Kaufpreis: € 200.000) und lassen eine Vormerkung zugunsten von K ins Grundbuch eintragen. K bezahlt zunächst € 80.000. Den Rest soll K nach Vs Aufforderung zahlen. Erst nach vollständiger Zahlung soll der Notar den Antrag auf Vollzug der Auflassung beim Grundbuchamt stellen.
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Einordnung des Falls
§ 886 BGB – Verjährungsbeginn des gesicherten Anspruchs (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 224/22)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V verlangt von K die Beseitigung der Auflassungsvormerkung. Könnte V gegen K einen darauf gerichteten Anspruch aus § 886 BGB haben?
Ja!
2. Müsste zunächst eine wirksame, nicht erloschene Vormerkung bestehen?
Genau, so ist das!
3. K hat gegen V einen Anspruch auf Eigentumsverschaffung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Könnte dieser Anspruch grundsätzlich nach § 883 Abs. 1 S. 1 BGB sicherungsfähig sein?
Ja, in der Tat!
4. Ks Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist zwar entstanden, könnte aber noch nicht fällig geworden sein. Muss Ks Anspruch fällig sein, damit dieser durch eine Vormerkung nach § 883 Abs. 1 S. 1. BGB gesichert werden kann?
Nein!
5. V hat die Eintragung der Auflassungsvormerkung bewilligt. Hat K wirksam eine Vormerkung erworben?
Genau, so ist das!
6. K hat zunächst eine wirksame Vormerkung erworben. Könnte V die Beseitigung der Vormerkung auch dann noch nach § 886 BGB verlangen, wenn die Vormerkung bereits durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen wäre?
Nein, das trifft nicht zu!
7. V und K haben bisher nur die Auflassung vereinbart. Ist der Eigentumsverschaffungsanspruch von K damit durch Erfüllung erloschen (§§ 362 Abs. 1, 433 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Nein!
8. Die Vormerkung zugunsten K besteht wirksam fort. Setzt ein Beseitigungsanspruch aus § 886 BGB weiterhin voraus, dass V im Sinne der Norm Gläubiger und K Schuldnerin ist?
Genau, so ist das!
9. Schließlich müsste V für den Beseitigungsanspruch aus § 886 BGB eine dauerhafte peremptorische Einrede gegen den gesicherten Anspruch von K zustehen. Hat V eine solche Einrede, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch von K verjährt ist?
Ja, in der Tat!
10. Konnte die Verjährungsfrist für den Anspruch von K nur dann beginnen, wenn der Anspruch i.S.v. § 200 BGB entstanden ist?
Ja!
11. Wird ein auf die Verschaffung von Eigentum an einem Grundstück gerichteter Anspruch immer mit Vertragsschluss fällig (§ 271 Abs. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
12. Ks Anspruch auf Eigentumsverschaffung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht fällig. Ist der Anspruch damit i.S.v. § 200 S. 1 BGB entstanden?
Nein, das trifft nicht zu!
13. Hat V gegen K einen Anspruch aus § 886 BGB?
Nein!
14. Der Beseitigungsanspruch scheitert daran, dass der vorgemerkte Anspruch von K noch wirksam und durchsetzbar ist. Kann V von K die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB (analog) verlangen, wenn das Grundbuch richtig ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Ant2196
20.5.2025, 09:40:51
wenn der BGH hier von der fälligkeit als Entstehungsvoraussetzung ausgeht, führt dass nicht in der Konsequenz dazu, dass der bekannte Aufbau - Anspruch entstanden- Anspruch untergegangen- Anspruch durchsetztbar- obsolet wird ? bzw. die Prüfung der fälligkeit nunmehr in Abspruch entstanden zu verorten ist ?

Linne Hempel
21.5.2025, 16:52:55
Hallo @[Ant2196](136428), danke für die Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden habe, aber hier ein paar Ausführungen, die Dir hoffentlich weiterhelfen: Die Fälligkeit ist Voraussetzung dafür, dass nach § 200 S. 1 BGB die „Entstehung des Anspruchs“ bejaht werden kann. Das ist ein anderer Anknüpfungspunkt, als der Prüfungspunkt „Anspruch entstanden“ im Sinne des von Dir angesprochenen Prüfungsschemas. Schauen wir uns das einmal genau an: Dass wir die Verjährung hier unter „Anspruch entstanden“ prüfen, hat damit zu tun, dass das Bestehen einer dauerhaften Einrede (hier: Verjährung) eine tatbestandliche Voraussetzung des § 886 BGB ist. Es geht hier gerade nicht um die Verjährung des Anspruchs aus § 886 BGB selbst (diese würde man hier unter „Anspruch nicht durchsetzbar“ prüfen), sondern um die Verjährung des nach § 883 Abs. 1 BGB gesicherten Anspruchs (hier: Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Grundstück aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. In unserem konkreten Fall prüfen wir i.R.d. Anspruchs nach § 886 BGB unter „Anspruch entstanden“ folgende Punkte: I. Bestehen einer wirksamen, nicht erloschenen
Vormerkung1. Sicherungsfähiger Anspruch (§ 883 Abs. 1 BGB) 2. Bewilligung durch V (§ 885 Abs. 1 BGB) 3. Eintragung im Grundbuch 4. Fortbestand der Bewilligung bei Eintragung 5. Berechtigung des V zur Bewilligung II. Fortbestehen der
Vormerkung1. Kein Erlöschen durch
Erfüllung(§
362 BGB) 2. Kein anderweitiges Erlöschen (§ 875 BGB analog,
§ 892 BGB) III.
Aktivlegitimation: V als durch
VormerkungBelasteter IV. Passivlegitimation: K als
Vormerkungsberechtigte V. Dauerhafte Einrede gegen den gesicherten Anspruch 1. § 214 Abs. 1 BGB (Verjährung) 2. Beginn der Verjährung (§ 200 S. 1 BGB) Da der Anspruch aus § 886 BGB in diesem Fall schon nicht entstanden ist, kommen wir nicht dazu, zu prüfen, ob er untergegangen oder nicht durchsetzbar ist. Falls Du etwas anderes meintest, sag gerne Bescheid. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs–Team

Ant2196
22.5.2025, 09:13:13
Danke für die ausführliche Antwort, meine Frage hing sich eigentlich nur an der Formulierung des §
200 BGBauf, der von der Entstehung des Anspruchs spricht,
was mich verwirrt hatte, weil mir nicht bewusst war wie die „Entstehung“ in §
200 BGBausgelegt wird. Würde man streng bei der Anspruchssystematik bleiben, wäre die Entstehung unberührt von der Fälligkeit.

Linne Hempel
26.5.2025, 11:51:04
Hey @[Ant2196](136428), danke für Deinen Nachtrag. Wichtig ist, dass wir hier beachten, dass der Dreischritt „Anspruch entstanden“, „Anspruch nicht erloschen“ und „Anspruch durchsetzbar“ vor allem eine Hilfe bei der Prüfung ist und – wie dieser Fall zeigt – aus dieser Einteilung bzw. der
Verwendungdes Begriffs der „Anspruchsentstehung“ auch Verwirrung entstehen kann. Die Überschrift „Anspruch entstanden“ ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Anspruchsentstehung aus
§ 199 BGBals Voraussetzung der Verjährung. Bei der Frage, ob ein sicherungsfähiger Anspruch iSv. § 883 Abs. 1 BGB besteht, fragen wir uns: Besteht ein Anspruch iSv. § 194 BGB? Also hat K hier grsd. ein Recht, von V ein Tun oder Unterlassen zu fordern (hier: Übertragung des Eigentums). Wie Du richtig sagst, ist es davon nicht relevant, ob dieser Anspruch bereits fällig (also durchsetzbar) ist. Dass der Anspruch i.S.v.
§ 199 BGB„entstanden" ist, bedeutet, dass er geltend gemacht UND durchgesetzt werden kann. Erst dann beginnt die Verjährung. Alles andere wäre zweckwidrig. Stell Dir vor, die Parteien vereinbaren ein so spätes Fälligkeitsdatum, dass Verjährung eintritt bevor der Gläubiger überhaupt die Leistung fordern konnte. Das würde absolut keinen Sinn ergeben. Mache Dir immer bewusst, an welcher Stelle der Prüfung Du Dich gerade befindest und dass die Frage, ob ein Anspruch BEsteht (welche Du unter „Anspruch entstanden“ klären kannst) nicht dasselbe ist, wie die Anspruchsentstehung i.S.v.
§ 199 BGB. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

kithorx
24.5.2025, 18:10:17
Ich finde die Tipps zum Lernen und zur Klausurbearbeitung hier super. Das hilft gerade bei dem meist als sperrig empfundenen Immobiliarsachenrecht enorm. Eine top Lerneinheit, so wünsche ich mir das!

Linne Hempel
27.5.2025, 16:50:44
Hallo kithorx, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team