Öffentliches Recht

Grundrechte

Freiheit des Eigentums (Art. 14 GG)

Steuern - erdrosselnde Wirkung von Geldleistungspflichten

Steuern - erdrosselnde Wirkung von Geldleistungspflichten

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Bundestag beschließt ein neues Gesetz. Danach sollen Superreiche eine Vermögenssteuer von 80 % zahlen. Milliardär M ist entrüstet. Das Geld habe er sich hart auf dem Rücken seiner Arbeiter verdient. Das Gesetz stelle insofern einen unzulässigen Eingriff in sein Eigentumsrecht dar.

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Einordnung des Falls

Steuern - erdrosselnde Wirkung von Geldleistungspflichten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Vermögen als solches, sodass die Erhebung von Steuern grundsätzlich den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit berührt.

Nein!

Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff umfasst (einzelne) vermögenswerte Rechte. Nicht umfasst ist dagegen das Vermögen als Ganzes, welches sich aus diesen (Einzel-)Rechten bloß zusammensetzt. Dies kommt insbesondere bei Steuern zum Tragen. Der Staat greift hier nicht auf konkrete einzelne Rechte zu. Der Steuerpflichtige entscheidet selbst, aus welchen Vermögenswerten in seinem Vermögen er die Steuerlast bezahlen möchte, weshalb Steuern grundsätzlich nicht die Eigentumsfreiheit berühren.
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2. Alle Steuern knüpfen an das Vermögen als Ganzes an.

Nein, das ist nicht der Fall!

Sofern eine Steuer, an einen konkreten Vermögensbestandteil beziehen. Bei solchen Steuern ist dann der sachliche Anwendungsbereich eröffnet, bzw. liegt ein Eingriff vor. Die Vermögenssteuer knüpft gerade an das Vermögen als solches an und nicht an einen konkreten Vermögensbestandteil. Hiernach wäre der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG also nicht betroffen.

3. Der Staat kann in unbegrenzter Höhe Steuern, die das Vermögen als solches betreffen, auferlegen.

Nein, das trifft nicht zu!

Überschreitet die Höhe der Steuern ein Maß, bei welchem die Steuerlast eine „erdrosselnde“ Wirkung entfaltet, soll nach dem BVerfG ausnahmsweise eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG vorliegen, obwohl nur das Vermögen als solches berührt ist. Eine erdrosselnde Wirkung liegt vor, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und die Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. Eine übermäßige Belastung ist bei einer vorliegenden Vermögenssteuer von 80 % anzunehmen. Hier bleibt dem Betroffenen nur noch ein Bruchteil seines ganzen Vermögens, sodass Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt und umgestaltet werden. Früher hat das BVerfG eine erdrosselnde Wirkung angenommen, wenn die Geldleistungspflichten insgesamt die Hälfte des Erwirtschafteten betrifft (sog. Halbteilungsgrundsatz). Von dieser starren Grenze hat sich das BVerfG später wieder distanziert (BVerfG, NJW 2006, 1191) und vielmehr wieder primär auf das Übermaßverbot im Einzelfall abgestellt.Die bis 1995 erhobene Vermögenssteuer bewegte sich zwischen 0,5-1 %.Die Rechtsprechung des BVerfG ist etwas widersprüchlich, da für eine Verletzung notwendigerweise auch der Schutzbereich eröffnet sein muss. In der Klausur empfiehlt es sich, diese Problematik insgesamt beim Schutzbereich zu behandeln.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

WI

Wirst12

6.3.2024, 10:46:11

Liebes Jura-Fuchs-Team, wie ist es zu verstehen, dass die Gewerbesteuer nicht das Vermögen als Ganzes/Solches betrifft, die Lohn bzw. Einkommenssteuer aber schon? Mit freundlichen Grüßen Wirst 12

Dogu

Dogu

25.5.2024, 12:03:32

Die Gewerbesteuer ist eine Realsteuer, die an den Gewerbebetrieb als Objekt anknüpft (vgl. §§ 7 ff. GewStG). Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer, die an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpft.

BAY

bayilm

29.3.2024, 20:04:56

Hier kann man doch bestimmt auch mit einer entsprechenden Begründung auf ein anderes Ergebnis, oder? Insbesondere tauchen ja immer wieder mal Diskussionen über die Etablierung einer Vermögenssteuer auf, da kann man doch vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit vom Eigentum, auch durchaus vertreten, dass besonders wohlhabende Personen, die finanziell besser gestellt sind, auch mehr belastet werden können. Jetzt mag zwar eine Vermögenssteuer für Multimilliadäre von 80% erstmal echt viel Anteil des Vermögen wegnehmen, aber dann ist ja immernoch so viel Vermögen übrig, dass das Vermogen immernoch viele Millionen beträgt. Vor Allem mit den ständigen Problemen um die Finanzierung einger Problembereiche in Deutschland wären das immens hohe Summen, mit denen gewirtschaftet werden kann, und die dann letztendlich als Zukunftsinvestitionen darstellen, die im Rahmen von Steuergeldern wieder in den Haushalt fließen würden. So ein auf den ersten Blick ziemlich einscheidender Eingriff könnte sich durch vor dem Hintergrund doch durchaus rechtfertigen lassen, oder nicht?

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

10.10.2024, 22:22:48

Sehe ich genauso. Was mich in dem Zusammenhang interessieren würde, ist auch die stiefmütterliche Behandlung des Art. 14 II GG: Wenn man den Art. 14 GG als ein ausdrückliches Bekenntnis des Grundgesetzes zur Marktwirtschaft betrachtet, indem das Privateigentum gesichert wird, warum wird dann der Art. 14 II GG nicht als ein klares Bekenntnis zur Pflicht einer sozialen Verantwortung für Superreiche herangezogen?


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