+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M bewohnt seit vielen Jahren als Mieter eine Wohnung im Hause der E. E kündigt das Mietverhältnis mit der Begründung, sie benötige die von M bewohnte Wohnung für eigene Zwecke. Als M nicht auszieht, erhebt sie Räumungsklage, der stattgegeben wird. M meint, hierdurch in seinem Eigentumsrecht verletzt zu sein.
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Einordnung des Falls
Umfang des Eigentums: Besitzrecht des Mieters als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Mieter kann für die Dauer des Mietverhältnisses gegen den Vermieter ein zivilrechtliches Recht zum Besitz geltend machen.
Ja!
Der Mietvertrag berechtigt den Mieter, die gemietete Wohnung zu nutzen (§§ 535 S. 1, 536 BGB). Bei einer widerrechtlichen Störung kann er Beseitigung das Unterlassen weiterer Störungen verlangen (§§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB). Wird ihm der Besitz widerrechtlich entzogen, kann er die Wiedereinräumung des Besitzes verlangen (§ 861 Abs. 1 BGB). Diese Ansprüche kann der Mieter gegenüber jedermann geltend machen, insbesondere auch gegenüber dem Vermieter. Das Recht zum Besitz ist auch als sonstiges Recht i.S.d. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB anerkannt. Die Rechtsstellung des Mieters gleicht insoweit derjenigen des Eigentümers.
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2. Gehört dieses Besitzrecht des Mieters auch zu den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumspositionen?
Genau, so ist das!
Art. 14 GG schützt das „Eigentum“. Dieses zeichnet sich auch durch das Recht des Berechtigten aus, andere von der Nutzung auszuschließen. Unter Art. 14 GG fallen deshalb alle vermögenswerten Rechte, aufgrund derer der Inhaber die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Erfasst ist also auch das Besitzrecht des Mieters.Auch hier zeigt sich wieder mal, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff nicht deckungsgleich zum zivilrechtlichen Eigentumsbegriff ist.
3. Kann sich der Mieter unmittelbar gegenüber dem Vermieter auf die Eigentumsfreiheit berufen?
Nein, das trifft nicht zu!
Grundrechte gelten unmittelbar nur zwischen Bürger und Staat. Sie gelten grundsätzlich nicht unmittelbar zwischen Bürgern. Der Bürger kann jedoch vom Staat fordern, dass er das Besitzrecht privatrechtlich durch Gesetzgebung schützt. Dabei hat der Gesetzgeber widerstreitende Interessen abzuwägen. Ein Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung ergibt sich jedoch nicht aus Grundrechten. Eine unmittelbare Drittwirkung ist nur gegeben, wenn diese selbst unmittelbar durch das Grundrecht vorgesehen ist (bspw. Art. 9 Abs. 3 GG).
4. Grundrechte spielen somit zwischen Privatpersonen überhaupt keine Rolle.
Nein!
Die Eigentumsgarantie wirkt in beide Richtungen (Vermieter und Mieter). Diese gegenläufigen Interessen (Erlangungsinteresse vs. Bestandsinteresse) hat der Gesetzgeber im Mietrecht abgewogen. Dies wird insbesondere bei den Regelungen zum Kündigungsschutz deutlich. Fachgerichte haben bei der Auslegung des Mietrechts die Eigentumsgarantie und ihre Grenzen zu beachten (mittelbare Drittwirkung der Grundrechte). Verkennen sie deren Bedeutung, so kann gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Mit Blick auf den aus Art. 14 GG abgeleiteten Schutz des Wohnungsmieters ist eine Kündigung nicht einfach so, sondern nur aus berechtigtem Grund möglich (vgl. § 573 Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber ist damit seiner Pflicht zur Berücksichtigung der Eigentumsgarantie beider Parteien gerecht geworden. Ein solcher berechtigter Grund liegt bei einer Kündigung aus Eigenbedarf vor (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Ms „Eigentums“recht ist somit durch das Urteil nicht verletzt.
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