Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Abwesenheit des Verteidigers - notwendige Verteidigung - Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge (§ 140 Abs. 2 StPO)

Abwesenheit des Verteidigers - notwendige Verteidigung - Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge (§ 140 Abs. 2 StPO)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird ohne Verteidiger zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. A fiel es schwer, den rechtlichen Ausführungen zu folgen. Da er die Tat während einer laufenden Bewährung beging, droht auch der Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f StGB). Diese Strafe betrug 4 Monate.

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Einordnung des Falls

Abwesenheit des Verteidigers - notwendige Verteidigung - Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge (§ 140 Abs. 2 StPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge kann eine Pflichtverteidigerbestellung erforderlich machen (§ 140 Abs. 2 StPO).

Genau, so ist das!

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn wegen (1) der Schwere der Tat, (2) der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen (3) der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder (4) wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 StPO).
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2. Für die Beurteilung der Schwere der Rechtsfolge kommt es ausschließlich auf die Strafhöhe an (§ 140 Abs. 2 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Straferwartung von einem Jahr gibt in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers. Aber auch sonstige schwerwiegende Nachteile, die unmittelbar oder mittelbar aus dem Urteil folgen, fließen in die Bewertung ein und können bei geringerer Straferwartung eine Bestellung erforderlich machen. Auch spielen As Verteidigungsfähigkeit, seine Persönlichkeit und die Umstände des Falles eine Rolle.Die Schwere der Rechtsfolge war in § 140 Abs. 2 StPO a.F. Teil der „Schwere der Tat” und wurde im Zuge der Gesetzesänderung 2021 nunmehr gesondert erwähnt. Eine Änderung der Rechtslage ist damit nicht verbunden. Beide Varianten sind keine scharf zu trennenden Bestellungsgründe, sondern zeigen die Notwendigkeit einer umfassenden Würdigung des Einzelfalls an. Auch eine Kombination aller Varianten des Abs. 2 kann die Verteidigung notwendig machen.

3. Ein Verfahrensfehler liegt vor, da das Gericht aufgrund der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen einen Pflichtverteidiger bestellen musste (§ 140 Abs. 2 StPO).

Ja!

Ein Verteidiger ist beizuordnen, wenn die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen dies erforderlich macht (§ 140 Abs. 2 StPO). Maßgeblich ist die Straferwartung. Aber auch sonstige Nachteile, die sich unmittelbar oder mittelbar aus der Verurteilung ergeben sowie die Umstände des Falles fließen in die Bewertung mit ein.Es drohte nicht nur eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten, sondern als mittelbare Folge des Urteils auch der Bewährungswiderruf (§ 56f StGB). Hieraus folgte eine weitere Freiheitsstrafe von 4 Monaten, sodass beide Strafen zusammen ein Jahr Freiheitsstrafe übersteigen. Überdies hatte A Schwierigkeiten, dem Prozess zu folgen. Damit war eine Pflichtverteidigerbestellung erforderlich.Auch Folgen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wie ein Arbeitsplatzverlust oder aufenthaltsrechtliche Konsequenzen sind beachtlich.

4. As Verteidiger muss in der Revisionsbegründungsschrift nur pauschal darauf hinweisen, dass A insgesamt eine Gefängnisstrafe von über einem Jahr droht (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einem Verfahrensfehler müssen in der Revisionsbegründung die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, den Fehler allein anhand des Tatsachenvortrags zu prüfen.Wird ein Fall der notwendigen Verteidigung wegen der schwere der Rechtsfolge geltend gemacht, genügt der pauschale Verweis auf die Strafhöhe nicht. Die einjährige Freiheitsstrafe ist für die Beurteilung der Schwere der Rechtsfolge keine starre Grenze, sondern Orientierungspunkt. Das Revisionsgericht muss auch anhand der Umstände des Einzelfalls prüfen können, ob die übrigen in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen vorliegen. Hier muss der Verteidiger umfassendere Ausführungen machen.
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