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Minderung erklärt – Selbstvornahme ausgeschlossen? (BGH, Urt. v. 22.08.2024 – VII ZR 68/22)

Minderung erklärt – Selbstvornahme ausgeschlossen? (BGH, Urt. v. 22.08.2024 – VII ZR 68/22)

20. Mai 2025

23 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat M damit beauftragt, auf Gs Grundstück ein Wohnhaus zu errichten. Nach der Abnahme bemerkt G, dass der Schallschutz nicht ihren Erwartungen entspricht. G setzt M erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung. Die Schlussrechnung von M über den verbleibenden Werklohn steht noch aus.

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Einordnung des Falls

Minderung erklärt – Selbstvornahme ausgeschlossen? (BGH, Urt. v. 22.08.2024 – VII ZR 68/22)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M verlangt nach ihrer Schlussrechnung den ausstehenden Werklohn i.H.v. € 100.000. Steht M ein Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB zu?

Ja, in der Tat!

Der Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB setzt einen wirksamen Werkvertrag und die Fälligkeit der Vergütung voraus. Die Vergütung wird gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Abnahme nach § 640 Abs. 1, Abs. 2 BGB fällig. M und G haben sich über den Bau eines Wohnhauses geeinigt und somit einen Werkvertrag geschlossen. G hat das Wohnhaus abgenommen, womit die Werklohnforderung fällig geworden ist. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen – wie hier – unproblematisch erfüllt, solltest du den Anspruch kurz im Feststellungsstil oder im verkürzten Gutachtenstil darstellen.
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2. G hält den Schallschutz im Haus für mangelhaft. Die Beseitigung kostet € 20.000. Könnte G der Werklohnforderung von M eine Minderung nach §§ 634 Nr. 3, 638 Abs. 1 S. 1 BGB entgegenhalten?

Ja!

Eine Minderung nach §§ 634 Nr. 3, 638 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Werkvertrag (§ 631 BGB) (2) Sach- oder Rechtsmangel (§ 633 BGB) (3) Abnahme des Werkes (§ 640 BGB) (4) Minderungserklärung (§ 638 Abs. 1 S. 1 BGB) (5) Rücktrittsvoraussetzungen (§ 638 Abs. 1 S. 1 BGB: „statt zurückzutreten“) nach (a) § 323 BGB oder (b) § 326 Abs. 5 BGB (6) kein Ausschluss (z.B. § 640 Abs. 3 BGB). Werkvertragliche Gewährleistungsrechte können in Ausnahmefällen auch ohne Abnahme geltend gemacht werden. Mehr dazu findest Du in dieser Aufgabe (BGH, Urteil vom 19.01.2017, VII ZR 301/13).

3. Der Schallschutz ist an drei Stellen im Haus schlechter, als G und M vereinbart haben. Liegt ein Sachmangel nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB vor?

Genau, so ist das!

Eine Sache ist mangelhaft, wenn ihr Ist-Zustand negativ vom Soll-Zustand abweicht. Der Soll-Zustand richtet sich nach § 633 Abs. 2 S. 1, 2 Nr. 1, Nr. 2 BGB. Maßgeblich ist die (ausdrücklich oder konkludent) vereinbarte Beschaffenheit, die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder die gewöhnliche Verwendung und die Beschaffenheit, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach Art des Werkes erwarten kann. Der Schallschutz weicht negativ von der ausdrücklichen Vereinbarung von G und M ab, womit ein Sachmangel nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegt. Wir haben den Mangel hier verkürzt dargestellt. Wenn hier in einer Klausur Probleme angelegt sind, solltest Du sorgfältig die Soll-Beschaffenheit herausarbeiten und die negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit prüfen. Mehrere Mängel solltest Du sauber getrennt prüfen, damit Deine Ausführungen übersichtlich bleiben.

4. Der mangelhafte Schallschutz beeinträchtigt den Wert des Gebäudes nicht. G erklärt die Minderung gegenüber M. Ist G mit ihrer Minderung erfolgreich (§ 638 Abs. 3 S. 1 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Minderung sind erfüllt. Insbesondere ist die Nacherfüllungsfrist erfolglos verstrichen (§§ 323 Abs. 1, 638 Abs. 1 S. 1 BGB). Allerdings bleibt der Anspruch auf Rechtsfolgenseite erfolglos. Wenn der mangelhafte Schallschutz den Wert des Wohnhauses nicht verringert, ist die Minderung der Vergütung nach § 638 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen. Im Ausgangsfall haben die Beklagten weitere Mängel vorgetragen, die den Wert des Wohnhauses gemindert haben. In einer Klausur müsstest Du sauber darstellen, ob und welche Mängel den Wert des Werkes mindern. In einer Klausur im 1. Examen solltest Du – wenn hier ein Schwerpunkt liegt – erst die übrigen Minderungsvoraussetzungen prüfen, bevor Du dieses Problem auf Rechtsfolgenseite ansprichst. Im 2. Examen kannst du regelmäßig direkt auf die Rechtsfolge springen, wenn Du den Anspruch dort ablehnst.

5. G kann Ms Werklohnforderung nicht mindern. Könnte G aber gegen Ms Forderung aufrechnen, wenn die Voraussetzungen aus §§ 387 ff. BGB erfüllt sind?

Ja!

Die Aufrechnung setzt voraus: (1) Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) (2) Aufrechnungslage (§ 387 BGB), d.h. (a) wechselseitige Forderungen (Haupt- und Gegenforderung) (b) Gleichartigkeit der Forderungen (c) Hauptforderung erfüllbar (d) Gegenforderung fällig und durchsetzbar (2) kein Ausschluss der Aufrechnung (insbes. §§ 392 ff. BGB). Die Reihenfolge ist nicht zwingend. Es bietet sich aber an, die Erklärung eines Gestaltungsrechts vor den weiteren Voraussetzungen zu prüfen. Im 1. Examen solltest Du klausurtaktisch vorgehen, damit Du die Schwerpunkte bearbeiten kannst. In einer Urteilsklausur darfst Du ein Gestaltungsrecht nur prüfen, wenn eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung vorliegt (Dispositionsmaxime). In einer Anwaltsklausur müsstest Du gegebenenfalls zur Erklärung raten.

6. Könnte G als Gegenforderung gegen M einen Anspruch auf Kostenvorschuss aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB haben?

Genau, so ist das!

Ein Anspruch auf Kostenvorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB setzt voraus: (1) Werkvertrag (§ 631 BGB) (2) Sach- oder Rechtsmangel (§ 633 BGB) (3) Abnahme (§ 640 BGB) (4) erfolgloser Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung (§ 637 Abs. 1 BGB) oder die Entbehrlichkeit der Fristsetzung (§ 637 Abs. 2 S. 2 BGB) (5) kein Ausschluss (§§ 637 Abs. 1, 635 Abs. 3 BGB). Wie bereits dargelegt, bestand zwischen M und G ein Werkvertrag. Das von G abgenommene Werk des M war mangelhaft. G hat damit einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschuss für die Beseitigung des Mangels gegen M. Im Ausgangsfall haben die Beklagten den Kostenvorschuss per Widerklage geltend gemacht. Aus didaktischen Gründen prüfen wir die Aufrechnung. In einer Anwaltsklausur aus Beklagtensicht würde es sich anbieten, die Zweckmäßigkeit von Aufrechnung und Widerklage zu thematisieren.

7. Nach einer Ansicht kann der Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB erst entstehen, wenn der Besteller den Werklohn gezahlt hat. Könnte G nach dieser Ansicht mit einem Anspruch auf Kostenvorschuss gegen die Werklohnforderung aufrechnen (§§ 387, 389 BGB, 634 Nr. 2, 637 Abs. 2 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist umstritten, ob der Besteller mit einem Anspruch auf Kostenvorschuss gegen die Werklohnforderung des Unternehmers aufrechnen kann. Der BGH lässt eine Aufrechnung mit dem Kostenvorschussanspruch ohne Weiteres zu (vgl. BGH v. 19.11.2020 – VII ZR 193/19, ZfBR 2021, 151, RdNr. 22 f.). Nach einer a.A. ist eine Aufrechnung nicht möglich, weil vor Zahlung des Werklohns kein Vorschuss zu leisten sei (vgl. Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 637, RdNr. 12). Der Besteller könne sich aber mit der dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) verteidigen. Wir folgen hier dem BGH (h.M.). Halte Dich in Deiner Klausur nicht zu lange mit dem Thema auf. Im Grüneberg wird die Ansicht des BGH ausdrücklich genannt. Du musst die Meinungen nicht auswendig lernen und solltest in der Klausur dem BGH folgen.

8. M ist der Auffassung, Gs Anspruch auf Kostenvorschuss sei mit der Erklärung der Minderung untergegangen. Ergibt sich das aus dem Wortlaut von §§ 634, 637, 638 BGB?

Nein!

Die Frage, ob es für den Besteller nach einer erklärten Minderung ein „Zurück“ zu anderen Gewährleistungsrechten gibt, ist der Knackpunkt dieser Entscheidung. BGH: Der Anspruch auf Kostenvorschuss werde nicht durch eine zuvor erklärte Minderung ausgeschlossen (RdNr. 27 ff.). Ein Ausschluss ergebe sich nicht aus dem Wortlaut von § 634 BGB oder §§ 637, 638 BGB.

9. Der Gesetzgeber wollte mit der Schuldrechtsmodernisierung die Mängelrechte im Werkvertragsrecht flexibler gestalten. Spricht diese Gesetzeshistorie für einen Ausschluss des Anspruchs auf Kostenvorschuss?

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Der Gesetzgeber habe mit der Schuldrechtsmodernisierung die Mängelrechte im Kauf- und Werkvertragsrecht flexibler gestalten wollen. Diese Historie spreche dagegen, dass die Geltendmachung eines Mängelrechts ohne Weiteres andere Mängelrechte ausschließe. Denn damit würde die Ausübung der Mängelrechte gerade erschwert und nicht flexibel gehalten.

10. Mit der Minderung erklärt die Bestellerin, die Sache behalten zu wollen. Ist es unbillig, wenn sie später einen Vorschuss für die Beseitigung des Mangels an der Sache verlangt?

Nein, das trifft nicht zu!

Der BGH argumentiert weiter: Systematik: Mit der Minderung erkläre die Bestellerin, die mangelhafte Sache behalten zu wollen. Nacherfüllung, Rücktritt und großer Schadensersatz statt der Leistung seien dann ausgeschlossen. Allerdings müsse durch die Mängelrechte ein Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses gewährleistet werden. Telos: Der Vorschuss diene dazu, der Bestellerin die Nachteile und Risiken zu nehmen, die mit der Vorfinanzierung der Beseitigung einhergingen. Der Unternehmerin sei kein schützenswertes Interesse zuzubilligen, nach der Minderung nicht mehr auf die Kosten der Mängelbeseitigung in Anspruch genommen zu werden.Der BGH wendet hier die klassischen Auslegungsmethoden an. Solltest Du in einer Klausur unsicher sein, kannst du mit einer sauberen Auslegung eine vertretbare Lösung finden und Punkte sammeln! Nach Ansicht des BGH schließt eine erklärte Minderung den Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht aus. G hat grundsätzlich einen Anspruch auf Kostenvorschuss gegen M. Mit diesem Anspruch könnte G gegen Ms Werklohnforderung aufrechnen (§§ 387, 389 BGB).

11. G kann mit dem Anspruch auf Kostenvorschuss aufrechnen, wenn der Anspruch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Wäre dies der Fall, wenn M die Nacherfüllung rechtmäßig verweigern darf (§ 637 Abs. 1 BGB)?

Ja!

Der Anspruch auf Kostenvorschuss ist nach §§ 637 Abs. 1, 635 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn die Unternehmerin die Nacherfüllung rechtmäßig verweigert. Dies ist der Fall, wenn die Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Der Anspruch ist nach §§ 637 Abs. 1, 635 Abs. 3 BGB auch ausgeschlossen, wenn die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB unmöglich ist. Im Übrigen sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Kostenvorschussanspruchs erfüllt. Insbesondere hat M eine angemessen Frist zur Nacherfüllung erfolglos verstreichen lassen (§ 637 Abs. 1 BGB).

12. Die Schallschutzmängel mindern nicht den Wert des Wohnhauses. Allerdings wird die Lebensqualität von G erheblich beeinträchtigt. Sind demgegenüber die Mängelbeseititungskosten i.H.v. €20.000 unverhältnismäßig (§ 635 Abs. 3 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Unverhältnismäßig i.S.v. § 635 Abs. 3 BGB sind die Kosten dann, wenn das Interesse an der Beseitigung des Mangels außer Verhältnis zu den erforderlichen Kosten steht. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Leistung unter Abwägung aller Umstände ein ganz erheblicher und deswegen vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Die Schallschutzmängel beeinträchtigen die Qualität des Wohnens in erheblichem Ausmaß. Das Interesse des Bestellers muss nicht notwendig finanzieller Natur sein. Es ist G nicht ohne Weiteres zuzumuten, mit den Folgen der Mängel zu leben. Dagegen sind die prognostizierten Kosten nicht derart hoch, dass die Beseitigung unverhältnismäßig erschiene.

13. Ist die Werklohnforderung von M in Höhe des Kostenvorschusses erloschen (§ 389 BGB)?

Ja, in der Tat!

Die Aufrechnung bewirkt gemäß § 389 BGB, dass die Forderungen als erloschen gelten, soweit sie sich decken. Die Werklohnforderung von M ist daher in Höhe von €20.000 erloschen. M kann € 80.000 von G fordern. Aus didaktischen Gründen haben wir uns auf die wesentlichen Prüfungspunkte konzentriert. In Deiner Klausur musst du natürlich – den Schwerpunkten entsprechend – auch die weiteren Tatbestandsmerkmale der Aufrechnung bearbeiten. Mehr zu den weiteren Voraussetzungen der Aufrechnungslage und – erklärung findest Du in unserem Kurs zum Schuldrecht AT.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MARC

Marco

15.4.2025, 10:48:42

Toll, dass ihr auch in Fällen aktueller Rechtsprechung Tipps fürs 2. Examen für die jeweiligen Klausurtypen einbaut. Gerne mehr davon!

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

16.4.2025, 12:36:31

Hallo Marco, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

JI

Jimmy105

19.4.2025, 12:06:31

Letztlich wird durch eine

Aufrechnung

mit dem Anspruch auf Vorschuss doch die Wertung des § 638 Abs.3 S.1 unterlaufen?

SABI

Sabine

19.4.2025, 20:55:06

Weshalb wird hier nicht der § 650a BGB (Bauvertrag) als einschlägiger Vertragstyp herangezogen?

Ara8

Ara8

19.4.2025, 21:02:54

Ein Bauvertrag ist ein Werkvertrag, für den *ergänzend* die Vorschriften des 2. Kapitels des Untertitels 1. gelten. Der Untertitel 1. hat die amtliche Überschrift "Werkvertrag". Hoffe, das hilft :)

FTE

Findet Nemo Tenetur

19.4.2025, 21:33:07

Der Aufmachung des Falls nach ist der “Ausgangsanspruch” ja die Werklohnforderung M —> G. Die

Aufrechnung

mit der Vorschussforderung bringe ich bei Prüfung, ob der Anspruch in dieser Höhe erloschen sein könnte, unter. Aber wie bringe davor ich die Minderung unter? Auch in Form einer

Aufrechnung

(denn ein

Zurückbehaltungsrecht

wäre ja demgegenüber weniger speziell, da auch eine

Geld

forderung vorliegt)?

BenKenobi

BenKenobi

21.4.2025, 15:53:53

Die Minderung ist eine rechtshindernde Einwendung, wird also gedanklich nach "Anspruch entstanden" geprüft. Wenn der

Schuld

ner eine Minderung nach §§ 638 I 1, III 1, 634 Nr. 3 Alt. 2 BGB geltend macht, ist keine

Aufrechnung

einschlägig. Die Minderung ist ein

Gestaltungsrecht

, dessen Rechtsfolge in der Herabsetzung der Vergütung liegt. Eine

Aufrechnung

ist dem Grunde nach mit dem Rückforderungsanspruch nach § 638 IV 1 BGB möglich, weil es sich hierbei um einen Leistungsanspruch handelt. Weil eine Rückforderung aber zunächst eine Überzahlung voraussetzt, dürfte eine

Aufrechnungslage

zwischen Vergütungs- und Rückforderungsanspruch ausgeschlossen sein.

FTE

Findet Nemo Tenetur

21.4.2025, 18:42:43

Danke @[BenKenobi](204235)! Mir ist nur immer noch nicht ganz klar, wie ich dann einsteige/was mein Obersatz wäre. zB: “Der Anspruch auf Werklohnforderung könnte jedoch in Höhe des geminderten Werklohns erloschen sein. Dies ist der Fall wenn G die Minderung erklärt hat, ihr ein Minderungsrecht zusteht usw..(also dann die VSS der Minderung gem. §§ 638 I 1, III 1, 634 Nr. 3 Alt. 2 prüfen).” ?

BenKenobi

BenKenobi

21.4.2025, 20:26:26

Gerne @[Findet

Nemo Tenetur

](254807)! Der Einstieg in den Obersatz ist noch etwas unsauber. Die Werklohnforderung oder der Anspruch auf Werklohn (nicht Anspruch auf Werklohnforderung) erlischt nicht in Höhe des geminderten Werklohns. Der geminderte Werklohn ist das Ergebnis bzw. die Rechtsfolge der Minderung. Richtig wäre daher z.B. "Der Anspruch auf Werklohn könnte aufgrund einer Minderung nach §§ 638 I 1, III 1, 634 Nr. 3 Alt. 2 BGB teilweise erloschen sein." oder (was ich persönlich bevorzugen würde) "G könnte die Werklohnforderung/Vergütung nach §§ 638 I 1, III 1, 634 Nr. 3 Alt. 2 BGB gemindert haben." PS: Bei der Zitation gibt es Spielraum. Es ist m.E. auch zulässig, § 634 BGB vor

§ 638 BGB

zu zitieren. Hier kann man dogmatisch sicherlich hitzig diskutiere. Ich zitiere lieber die Anspruchsgrundlage zuerst und bin bisher gut damit gefahren.

FTE

Findet Nemo Tenetur

21.4.2025, 20:45:58

Vielen, vielen Dank für die aufschlussreiche Antwort @[BenKenobi](204235) :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

22.4.2025, 16:21:40

Hey in die Runde, danke für euren Austausch! Für den Gesamtüberblick hier ergänzend eine kurze Lösungsskizze zu dem Fall: A. Anspruch von M gegen G auf Zahlung des Werklohns (§ 631 Abs. 1 BGB) I. Wirksamer Werkvertrag II. Fälligkeit der Vergütung (§ 641 Abs. 1 BGB) III. Zwischenergebnis: Anspruch dem Grunde nach gegeben IV. Einwendungen / Einreden des G 1. Minderung (-) a) Voraussetzungen der Minderung aa) Werkvertrag (+) bb) Sachmangel (§

633 BGB

) (+) cc) Abnahme (+) dd) Erfolgloser Ablauf der Nach

erfüllung

sfrist (

§ 323 BGB

) (+) ee)

Minderungserklärung

(+) ff) Rechtsfolge: Minderung der Vergütung (-) - § 638 Abs. 3 BGB (Wertminderung) (-) gg) Zwischenergebnis: Keine Minderung wegen fehlender Wertminderung 2.

Aufrechnung

des G (+) a) Aufrechungserklärung (§ 388 BGB) b)

Aufrechnungslage

(§ 387 BGB) aa) Wechselseitige, gleichartige Forderungen (+) bb) Hauptforderung erfüllbar (hier: Ms Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB) (+) cc) Gegenforderung fällig und durchsetzbar -> Hier kommt der Anspruch auf Kostenvorschuss aus § 637 Abs. 3 BGB in Betracht (P) Bestehen des Kostenvortschuss VOR Bezahlung des Werklohns (P)

Sperrwirkung

der

Minderungserklärung

ggü. § 637 Abs. 3 BGB c) Rechtsfolge

Aufrechnung

389 BGB

) -> Erlöschen der Werklohnforderung i.H.v. € 20.000 V. M hat einen Anspruch i.H.v. € 80.000 Viele Grüße, Linne – für das Jurafuchs-Team

Wesensgleiches Minus

Wesensgleiches Minus

25.4.2025, 07:51:03

@[Linne_Karlotta_](243622) solche kurze Lösungsskizzen am Ende von fällen, insbesondere bei examensrelevanter Rechtsprechung, wären ein riesiger Mehrwert hier bei Jurafuchs! :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

25.4.2025, 12:47:43

Hey @[Wesensgleiches Minus](241758), ich verstehe den Mehrwert dieser Lösungsskizzen und wir arbeiten daran, hierfür eine gute (technische) Lösung zu finden. Bis dahin möchte ich gerne auf den Lerneffekt verweisen, den ihr daraus ziehen könnt, wenn ihr euch selber eine solche Skizze erstellt, nachdem ihr einen Fall gelöst habt. Mit Hilfe des „Lesemodus“ sollte diese dann auch gut überprüfbar sein. Wenn ihr eure Skizzen im Forum teilt, könnt ihr hier von der Schwarmintelligenz der Community profitieren. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

MAND

Mandy

7.5.2025, 13:11:36

Hallo zusammen, die Lösungsskizze finde ich auch super, allerdings wird so die Frage mehr oder weniger „umgangen“. In der Skizze wird das einfach unter „Einwendungen/Einreden“ geprüft und nicht nach dem klassischen Schema. mE nach handelt es sich bei der Minderung um eine rechtsvernichtende Einwendung, die ich dann unter Anspruch erloschen prüfe, da ja grds. Der Werklohnanspruch entstanden ist und ich anschließend die Minderung erkläre. Also vergleichbar mit dem

Rücktritt

, der ja auch zur „Vernichtung“ eines Anspruchs führt. Auch der Obersatz von @[BenKenobi](204235) „(…) könnte (…) teilweise erloschen sein“ spricht ja eher für eine rechtsvernichtende Einwendung. Ich dachte, dass

Gestaltungsrechte

immer zum nachträglichen erlöschen führen (d.h. Im klassischen Aufbau unter „Anspruch (nicht) erloschen“ zu prüfen), außer die Anfechtung, dessen Rechtswirkung ja gem. § 142 I BGB ex tunc wirkt. Daher würde ich dann unter Anspruch erlöschen direkt mit der Minderung als eigenen Prüfungspunkt einsteigen. Kann man das so machen und sich das vor allem so merken @[Linne_Karlotta_](243622) ?

BenKenobi

BenKenobi

7.5.2025, 13:21:25

@[Mandy](256332) Ich klinke mich nochmal ein. Die Minderung ist eine rechtsvernichtende Einwendung, die (gedanklich) unter "Anspruch (nicht) erloschen" geprüft wird. Ich würde aber in einer Examensklausur nicht nach den Ebenen "Anspruch entstanden, nicht untergegangen und durchsetzbar" gliedern. Diese Gliederung ist eher für das eigene Verständnis und die Einordnung von Einwendungen und Einreden relevant.

Menelaos

Menelaos

23.4.2025, 19:57:07

Hier könnte man mE noch mit dem § 281 BGB analog arbeiten, als dass zu fragen wäre, ob ein Ausschluss der zuvor erklärten Minderung hiernach in Betracht kommt. Im Ergebnis wird es abzulehnen sein, der Kostenvorschuss des Bestellers bleibt bestehen.


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