+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Sicherungsverwahrte S ist wütend auf die JVA-Mitarbeiterin M. Aufgrund von Computerprobleme wurde S nicht rechtzeitig sein Taschengeld zur Verfügung gestellt. S beschwert sich bei M und bezeichnet diese im Rahmen dessen als „Trulla“. S wird wegen Beleidigung verurteilt.

Einordnung des Falls

Grundfall 3a: Eingriff durch Urteil eines Strafgerichts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Meinungsäußerungen mit beleidigendem Inhalt fallen grundsätzlich aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).

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Nein!

Aus einem Umkehrschluss aus Art. 5 Abs. 2 Var. 3 GG ergibt sich, dass Meinungsäußerungen nicht bereits aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG herausfallen, wenn sie scharf oder verletzend formuliert werden. Weiterhin spricht auch der für die freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutive Zweck der Meinungsfreiheit dafür, überspitzten, polemischen oder verletzenden Äußerungen nicht generell den grundrechtlichen Schutz zu versagen. Das Wort „Trulla“ hat grundsätzlich einen ehrverletzenden Charakter. Dies schließt S‘ Aussage aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts aus. S Äußerung ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Hier liegt ein irgendwie nachvollziehbarer Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung vor (über die Computerprobleme). Deshalb liegt keine – von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht geschützte – reine Schmähkritik vor. Verletzende Meinungsäußerungen und Schmähkritik sind Klausurklassiker. Aufpassen!

2. Die strafrechtliche Verurteilung greift in S‘ Meinungsfreiheit ein (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).

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Genau, so ist das!

Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegt vor, wenn eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt die Meinungsäußerung oder Meinungsverbreitung durch Ge- oder Verbote beeinträchtigt. Die strafrechtliche Verurteilung beschränkt S in seiner Meinungsäußerung und stellt daher einen Eingriff in seine Meinungsfreiheit dar. Ob ein Eingriff in ein Grundrecht vorliegt, ist meist wenig problematisch und kann oftmals kurz festgestellt werden. Die Rechtfertigung stellt regelmäßig den Klausurschwerpunkt dar.Im zugrundeliegenden Ausgangsfall hatte es das Amtsgericht versäumt, eine konkrete Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beamtin und der Meinungsfreiheit vorzunehmen, weshalb das BVerfG die Entscheidung aufhob und die Sache zur neuen Verhandlung zurückverwies.

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