+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bauherr B und die Baubehörde der Gemeinde G streiten sich über das von B geplante Bauvorhaben. Während B der Meinung ist, dass das Vorhaben genehmigungsfrei ist, ist G der Ansicht, dass es genehmigungsbedürftig ist. B fragt sich, was er beachten muss, damit eine Feststellungsklage zulässig ist.
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Einordnung des Falls
Überblick: Weitere Sachentscheidungsvoraussetzungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Muss B nach § 68 VwGO vor der Erhebung der Feststellungsklage erfolglos das Vorverfahren durchführen?
Nein, das trifft nicht zu!
Das Vorverfahren ist (abgesehen von den Fällen nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO) Sachentscheidungsvoraussetzung für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 68 VwGO). Das ergibt sich auch aus der Überschrift des 8. Abschnitts der VwGO: „Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen“. Weiterhin lehnt die h.M. auch eine analoge Anwendung von § 68 VwGO auf die Feststellungsklage ab. B muss nicht das Vorverfahren durchführen, bevor er Feststellungsklage erhebt. In dieser Aufgabe sollst Du einen Überblick über die Zulässigkeitsvoraussetzungen bekommen, die wir in den vorherigen Kapiteln noch nicht thematisiert haben. Diese sind i.d.R. in der Klausur weniger relevant als z.B. das Feststellungsinteresse.
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2. Die Klagefrist für die Feststellungsklage beträgt einen Monat (siehe § 74 VwGO).
Nein!
§ 74 VwGO gilt nur für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Für die Feststellungsklage sieht die VwGO keine Klagefrist vor. Das Subsidiaritätserfordernis (§ 43 Abs. 2 VwGO) stellt sicher, dass die Fristen für andere Klagearten nicht durch die Umstellung auf eine Feststellungsklage umgangen wird. Wenn der Sachverhalt weit in der Vergangenheit liegt, kann allerdings (statt einer Verfristung) eine Verwirkung in Betracht kommen. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung sind jedoch sehr streng. B muss keine Klagefrist einhalten. Er sollte aber auch nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, bevor er klagt.
3. B muss die Klage gegen den richtigen Klagegegner richten. Ist § 78 VwGO direkt auf die Feststellungsklage anwendbar?
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 78 VwGO ist direkt nur für auf die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage anwendbar (siehe die Stellung im 8. Abschnitt: „Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen“). Stattdessen gilt das allgemeine Rechtsträgerprinzip. Bei der positiven Feststellungsklage ist Klagegegner derjenige, mit dem das Rechtsverhältnis bestehen könnte. Bei der negativen Feststellungsklage ist es derjenige, der behauptet, das streitige Rechtsverhältnis sei existent. Bei der Nichtigkeitsklage richtet sich die Klage gegen den Rechtsträger der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
4. Richtiger Klagegegner ist die Gemeinde G.
Ja, in der Tat!
§ 78 VwGO gilt nicht für die Feststellungsklage. Stattdessen findet das allgemeine Rechtsträgerprinzip Anwendung. Bei der positiven und der negativen Feststellungsklage ergibt sich der Klagegegner aus dem (möglichen) Rechtsverhältnis. Der Streit über die Genehmigungsbedürftigkeit besteht zwischen B und der Baubehörde, da die Behörde behauptet, das Vorhaben sei genehmigungsbedürftig. (negative Feststellungsklage). Rechtsträger der Baubehörde ist die Gemeinde G. Sie ist richtiger Klagegegner. Im Ergebnis ergibt sich kein Unterschied zu den Fällen, in denen Du § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO anwenden würdest, es ist aber wichtig, dass Du die Norm nicht direkt anwendest, sondern Deine Ausführungen auf das allgemeine Rechtsträgerprinzip stützt.
5. Bei der Feststellungsklage gelten für die Bestimmung der Beteiligungs- und Prozessfähigkeit die allgemeinen Regelungen in § 61 VwGO und § 62 VwGO.
Ja!
Die Regelungen für die Bestimmung der Beteiligungsfähigkeit (§ 61 VwGO) und die Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO) gelten für alle Verfahrensarten und somit auch für die Feststellungsklagen. Hier ergeben sich keine Besonderheiten für die Feststellungsklage. B ist als natürliche Person gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligungsfähig und gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Gemeinde G ist gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligungsfähig. Sie muss im Prozess gemäß § 62 Abs. 3 VwGO vertreten werden.
6. Sofern keine besonderen Anhaltspunkte ersichtlich sind, ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Fehlt es in Bs Fall am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis?
Nein, das ist nicht der Fall!
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Kläger keine anderen (außergerichtlichen) Möglichkeiten hat, das Klageziel zu verwirklichen. Sofern alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind und Sachverhalt keine gegenteiligen Anhaltspunkte enthält, besteht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Bei der Feststellungsklage gelten hier keine Besonderheiten. Hier spricht nichts dafür, dass B – trotz der ansonsten zulässigen Klage – ausnahmsweise nicht rechtsschutzbedürftig wäre. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt in den meisten Fällen unproblematisch vor. In der Klausur genügt dann (wenn überhaupt) ein kurzer Satz dazu.