Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Error in persona des Haupttäters - Hoferbenfall

Error in persona des Haupttäters - Hoferbenfall

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V will seinen Sohn S töten und engagiert T dafür. Die Tötung soll im Pferdestall erfolgen. V beschreibt T Aussehen und Gewohnheiten von S. Am Tattag betritt N den Stall. N sieht S ähnlich und trägt wie dieser oft eine Tüte bei sich. T hält N für S und erschießt ihn heimtückisch.

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Einordnung des Falls

Error in persona des Haupttäters - Hoferbenfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte sich wegen Mordes strafbar gemacht haben, indem er N erschoss, § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB.

Ja, in der Tat!

T müsste dafür einen anderen Menschen getötet und das Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht haben. Zudem müsste er vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. T dachte, er würde S töten. Tatsächlich schoss er aber auf N. Es ist umstritten, wie sich ein solcher error in persona auf den Vorsatz des Täters auswirkt.

Nein!

Bei gleichwertigen Objekten wird der Vorsatz des Täters nach einhelliger Ansicht nicht berührt. T wollte den Menschen, den er vor sich sah, töten. T hat den Menschen, den er vor sich sah, getötet. Der error in persona ist für Ts Vorsatz damit unstrittig unbeachtlich.

3. Ist der error in persona des Haupttäters auch für den Anstifter unstrittig unbeachtlich?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist umstritten, welche Auswirkungen ein error in persona des Haupttäters auf die Strafbarkeit des Anstifters hat: Eine Ansicht hält die Verwechslung grundsätzlich für unbeachtlich, solange die Abweichung nicht wesentlich ist. Eine andere Ansicht möchte Fälle, bei denen der Haupttäter einem Identitätsirrtum (error in persona vel obiecto) unterliegt, als Fehlgehen der Tat (aberratio ictus) für den Anstifter einordnen. Die Verwechslung würde damit für den Anstifter beachtlich.

4. Nach der h.M. und Rspr. ist der Identitätsirrtum (error in persona) des Haupttäters für die Strafbarkeit des Anstifters grundsätzlich irrelevant.

Ja, in der Tat!

Nach der h.M. ist ein Identitäsirrtum (error in persona vel obiecto) des Haupttäters dann irrelevant, wenn die Verwechslung sich im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren bewegt und auch keine andere Bewertung der Tat verdient. DV wollte, dass T den S tötete. Als T hingegen N erschoss, stellte das eine Abweichung vom geplanten Tatgeschehen dar. Zwar hat V dem T eine Beschreibung von S' Aussehen und Gewohnheiten gegeben. Eine Verwechslung des Opfers durch den Täter liegt dennoch nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren. Sie stellt sich als unwesentliche Abweichung dar, die - auch wenn sie ihm unerwünscht ist - vom Vorsatz des V erfasst ist. V ist nach dieser Ansicht wegen Anstiftung zum Mord strafbar, §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 26 StGB.

5. Die aberratio-ictus-Lösung stuft den Identitätsirrtum (error in persona) als für den Anstifter beachtlich ein. Eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum vollendeten Delikt scheidet danach aus.

Ja!

Nach dieser Ansicht weiche die tatsächlich ausgeführte Tat von jener ab, die der Anstifter sich vorgestellt und damit in seinen Vorsatz aufgenommen habe. Genau wie bei der Konstellation der aberratio ictus gehe die Tat fehl. Ob ein Fehlgehen darauf beruhe, dass der Haupttäter selbst ein anderes Ziel treffe oder ein abgefeuerter Pfeil (der Prototyp der aberratio ictus) abgelenkt werde, mache keinen Unterschied. Beides sei nicht vom Vorsatz erfasst. Eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum vollendeten Delikt liege nicht vor.T hat N getötet. V wollte aber, dass T den S tötete. Nach dieser Ansicht war nur die Tötung des S von Vs Vorsatz erfasst. Der Irrtum des T stellt eine fehlgegangene Tat im Sinne einer aberratio ictus für V dar. Sie war nicht von seinem Anstiftervorsatz erfasst. V hat sich demnach nicht wegen Anstiftung zum Mord strafbar gemacht.

6. Folgt man der aberratio-ictus-Lösung, bleibt für den V als Anstifter allein eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Tat des T wird V zwar nicht zugerechnet. Bei einem Mord handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, § 12 Abs. 1 StGB. Die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen ist gem. §§ 211 Abs. 2, 30 Abs. 1 StGB strafbar. Die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) steht dazu in Tateinheit.

7. Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Streitentscheid ist damit nötig.

Ja, in der Tat!

Für die Unbeachtlichkeit der Verwechslung spricht, dass zwischen Haupttat und Anstiftung Akzessorietät besteht. Der Irrtum des Haupttäters müsse sich also in gleicher Weise auf den Anstifter auswirken. Dafür spreche auch der Wortlaut des § 26 StGB, der den Anstifter „gleich einem Täter” bestraft. Gegen die Ansicht spricht das sog. „Blutbadargument”: Erkennt der Haupttäter seinen Fehler und tötet im Anschluss die nächste Person, wäre auch das dem Anstifter zuzurechnen. Bei einer Reihe von Irrtümern des Haupttäters käme es dadurch zur strafbaren Anstiftung zu einer Vielzahl von Tötungen, obwohl der Anstifter nur zu einer Tat anstiften wollte. Gegen die aberratio-ictus-Lösung spricht allerdings, dass sie zu Strafbarkeitslücken führen kann: handelt es sich bei der Haupttat nicht um ein Verbrechen, so ist auch die versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1 StGB) nicht strafbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skywalker

Skywalker

19.7.2024, 13:11:37

Es bietet sich an bei der Problematik „Zurechnung eines

error in persona

des Haupttäters“ auch die Individualisierungslösung anzusprechen.

LELEE

Leo Lee

21.7.2024, 14:17:19

Hallo Skywalker, vielen Dank für den sehr guten Hinweis! In der Tat gibt es noch die dritte Ansicht der Individualisierungslösung. Wir haben bei Jurafuchs jedoch auf die Inkludierung dieser Ansicht deshalb verzichtet, weil wir unsere Fälle so „klausurtauglich“ wie möglich konzipieren wollten. Und in der Klausur sowie im Examen ist es gängig, bei dem hiesigen Problemkreis die beiden „berühmtesten“ Ansichten (also

aberratio ictus

oder EIP) zu erwähnen und den Streit unter diesen Ansichten zu entscheiden. Wir möchten insoweit um dein Verständnis bitten und wünschen dir noch viel Spaß bei den anderen sehr tollen Fällen und freuen uns selbstverständlich auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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