Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Grundfall: Stattfhatigkeit des Anfechtungswiderspruchs

Grundfall: Stattfhatigkeit des Anfechtungswiderspruchs

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Franky (F) veranstaltet in Fs Tanzbar regelmäßig Parties für queere Menschen. Wegen einer Beschwerde des homophoben Nachbarn N teilt die zuständige Behörde B F schriftlich mit, dass F nur noch einmal im Monat eine Party veranstalten dürfe. F will sich das nicht gefallen lassen und am liebsten sofort klagen.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Stattfhatigkeit des Anfechtungswiderspruchs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). F möchte die Aufhebung eines Verwaltungsakts erreichen.

Ja, in der Tat!

Richtet sich das Klagebegehren auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Die Untersagungsverfügung der Behörde ist ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG. Statthaft ist damit die Anfechtungsklage. Wenn – wie hier – im Sachverhalt keine Zweifel daran bestehen, dass ein Verwaltungsakt vorliegt, solltest Du Dich nicht lange mit der Subsumtion aufhalten, sondern das Vorliegen eines Verwaltungsakts knapp feststell.
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2. Vor Erhebung der Anfechtungsklage ist grundsätzlich ein Vorverfahren durchzuführen (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Ja!

Nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die erfolglose Durchführung eines behördlichen Widerspruchsverfahrens nach Maßgabe der §§ 69ff. VwGO grundsätzlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung im Rahmen der Anfechtungsklage. Ausnahmen hiervon bestehen nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO. In 10 von 16 Bundesländern ist das Widerspruchsverfahren ganz oder teilweise abgeschafft. Weitgehend ausgeschlossen sind Vorverfahren in Niedersachsen (§ 80 Abs. 1 NJG) und Nordrhein-Westfalen (§ 110 Abs. 1 JustG NRW). Andere Länder wie Sachsen-Anhalt (§ 8a AG VwGO LSA) oder Bayern (Art. 12 Abs. 2 AGVwGO Bay) teilweise abgeschafft oder begrenzt. Außerdem gibt es weitere besondere gesetzliche Regelungen, wonach das Widerspruchsverfahren entbehrlich ist. Dazu später mehr!

3. Verstößt es gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, dass F Widerspruch bei B erheben muss?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nein! Man könnte zwar meinen, dass es eine „Zumutung“ für den Widerspruchsführer ist, sich erneut an die Behörde wenden zu müssen. Allerdings wird der effektive Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) dadurch sichergestellt, dass die Behörde, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat (= Ausgangsbehörde) dem Widerspruch in der Regel nur abhelfen, also zu Gunsten des Widerspruchsführers entscheiden, darf. Hält sie hingegen an ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung fest, muss sie den Widerspruch der Widerspruchsbehörde zur Prüfung vorlegen (Devolutiveffekt). Das Widerspruchverfahren ist zudem in der Regel günstiger und niedrigschwelliger als eine Klage. Weiterhin hat der Widerspruch gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO – genauso wie die Anfechtungsklage – aufschiebende Wirkung. Der effektive Rechtsschutz ist damit vollumfänglich gewährleistet bzw. sogar verstärkt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eileen 🦊

Eileen 🦊

25.7.2024, 10:01:37

Wäre in diesem Zusammenhang mit „abhelfen“ nicht auch die Verböserung durch einen Widerspruchsbescheid anzusprechen? LG

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

12.8.2024, 16:05:20

Hallo @[Eileen 🦊](190132), danke für Deine Frage. Ich bin mir leider nicht ganz sicher, welche „Abhilfe“ Du meinst. Falls Deine Frage darauf abzielt, ob die Einschränkung von Fs Genehmigung aufgrund der Beschwerde des Nachbarn eine

reformatio in peius

ist, so ist dies zu verneinen. Unabhängig davon, dass wir hier gar nicht so genau wissen, ob N Widerspruch gegen Fs Genehmigung eingelegt hat oder einen generellen „Hinweis“ erteilt hat, woraufhin die

Behörde

selbst tätig geworden ist, gilt Folgendes: Eine „echte“

reformatio in peius

liegt immer nur dann vor, wenn die

Verböserung im Widerspruchsverfahren

des Adressaten selbst getroffen wird. Damit, dass ein Dritter Rechtsschutz einlegt und diesem abgeholfen wird, muss der Adressat eines Verwaltungsakts sowieso immer rechnen. Die Frage des Vertrauensschutzes stellt sich daher nur, wenn der Adressat selbst den Verwaltungsakt angegriffen hat. Schaue Dir hierzu gerne folgende Aufgaben aus dem Kapitel zur

reformatio in peius

an: https://applink.jurafuchs.de/3CSCsWmf0Lb Ich hoffe, ich konnte Deine Frage beantworten. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

Eileen 🦊

Eileen 🦊

12.8.2024, 16:08:23

Danke!


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