Rückwirkung 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Händler H kauft von Schreiner S Tische für €10.000. Da H knapp bei Kasse ist, einigen sie sich, den Kaufpreis zu stunden. Während der Stundung muss H 5% Zinsen zahlen. Nach drei Monaten fällt H ein, dass ihm noch ein fünf Monate „alter“, fälliger Anspruch auch i.H.v. €10.000 gegen S zusteht.
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Einordnung des Falls
Rückwirkung 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. H steht ein Zahlungsanspruch gegen S i.H.v. €10.000 zu . Kann H mit diesem gegen den Kaufpreisanspruch des S aufrechnen?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. H möchte die gezahlten Zinsen von S zurück. Als Anspruchsgrundlage kommt § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) in Betracht.
Genau, so ist das!
3. Die Aufrechnung beseitigt die Forderung des S nur für die Zukunft, sodass ein Rechtsgrund für die gezahlten Zinsen bestand (§ 389 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Zinszahlungen sind „ohne Rechtsgrund“ i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) erfolgt.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sniter
30.10.2023, 09:50:59
Liebes Jurafuchsteam, es macht wsl im Fall der Aufrechnung auch Sinn, zu streiten, ob die Rückforderung auf die
condictio indebitii oder die
condictio ob causam finitamfällt. Sowohl Anfechtung als auch Aufrechnung werden im Nachhinein erklärt (das könnte für
condictio ob causam finitamsprechen), wirken aber ex tunc (das könnte für
condictio indebitii sprechen).
Phil
23.12.2023, 15:30:33
Bei der ersten Frage müsste S gegen H einen Anspruch auf 10.000€ haben und nicht umgekehrt.
Leo Lee
24.12.2023, 18:35:31
Hallo Phil, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat könnte die erste Aufgabe etwas falsch verstanden werden. Jedoch bezogen sich die 10.000 auf den Anspruch des H, den er gegen S hat (Ende des Sachverhalts). Damit keine Missverständnisse entstehen, haben wir nun im Sachverhalt erwähnt, dass der H gegen den S einen alten Anspruch auf ebenfalls i.H.v. 10.000 Euro besitzt :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
Wolli
26.1.2024, 09:11:48
Bewirkt hier die Stundung inkl. Zinspflicht nicht, dass die Hauptforderung noch nicht erfüllbar ist? Die Zweifelsregel aus 271 II dürfte wg. der Zinszahlungen doch gerade nicht gelten oder? Oder ist die Stundung ein reines Entgegenkommen des Gläubigers, bei der der Schuldner grds. trotzdem weiterhin voll erfüllen darf?
Leo Lee
27.1.2024, 18:13:43
Hallo Wolli, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat könnte man auf den ersten Blick meinen, dass wegen der Stundung auch die
Erfüllbarkeit„ausgesetzt“ sei für den bestimmten Zeitraum. Beachte allerdings, dass die Stundung die FÄLLIGKEIT (also wenn der Gläubiger fordern darf und Schuldner leisten muss) betrifft und die
Erfüllbarkeit(wenn der Schuldner leisten kann und der Gläubiger annehmen muss) bestehen lässt! Somit bewirkt die Stundung, dass die Fälligkeit bei BESTEHEN bleibender
Erfüllbarkeithinausgeschoben wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Krüger § 271 Rn. 22 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Steinfan
29.4.2024, 15:20:49
Hallo, ich glaube der Gedanke von @[Wolli](208773) ist eher, dass bei befristeten entgeltlichen Darlehen normalerweise die
Erfüllbarkeitdes Rückzahlungsanspruchs fehlt, da der Darlehensgeber ein Interesse an der Zahlung der Zinsen hat. Dürfte der Darlehensnehmer früher erfüllen, würde auch der Anspruch auf künftige Zinszahlungen entfallen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass
Erfüllbarkeithier - wie von Wolli angedeutet - entgegen dem vorstehenden vorliegt, da der Schuldner hier ja durch die Zinsen primär zur Zahlung motiviert werden soll. Es geht dem „Darlehensgeber“ hier weniger darum, eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen. Nicht nur darf der „Darlehensnehmer“ hier erfüllen, er soll dass vielmehr so schnell wie möglich. LG