(Qualifizierte) Schriftform, §§ 492ff.

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Frau F und Bankmitarbeiterin B einigen sich mündlich über ein Darlehen von €50.000 mit einer Laufzeit von vier Jahren und einem jährlichen Zins von 1,5%. F will mit dem Geld ihre neue Wohnung finanzieren. B zahlt das Darlehen an F aus.

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Einordnung des Falls

(Qualifizierte) Schriftform, §§ 492ff.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F und B haben einen Verbraucherdarlehensvertrag nach § 491 BGB geschlossen.

Ja!

Verbraucherdarlehensverträge sind nach § 491 BGB entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Der Darlehensgeber ist Unternehmer, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit das Darlehen gewährt (§ 14 Abs. 1 BGB). Der Darlehensnehmer ist Verbraucher, wenn er den Darlehensvertrag nicht zu einem Zweck abschließt, der überwiegend seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet wird (§ 13 BGB). Für solche Verträge gelten die §§ 491-505d BGB. B handelt in Stellvertretung der Bank, die nach § 14 Abs. 1 BGB als Unternehmer das Darlehen gewährt. F will mit dem Darlehen seine neue Wohnung finanzieren und handelt daher als Verbraucher nach § 13 BGB. F und B haben einen Verbraucherdarlehensvertrag geschlossen.
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2. Der Vertrag zwischen F und B verstößt gegen die Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Zum Schutz des Verbrauchers gilt beim Verbraucherdarlehensvertrag das Schriftformerfordernis des §492 Abs. 1 BGB. Abweichend von § 126 Abs. 2 S. 1 BGB können Angebot und Annahme beim Verbraucherdarlehensvertrag in getrennten Urkunden erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf entgegen § 126 Abs. 1 BGB nicht der eigenhändigen Unterschrift, wenn sie durch eine automatische Einrichtung erstellt wird (§ 492 Abs. 1 S.2-3 BGB). F und B haben den Vertrag mündlich geschlossen, sodass gegen das Schriftformerfordernis in § 492 Abs. 1 BGB verstoßen wurde.

3. Der Vertrag zwischen F und B ist bei Vertragsschluss nichtig nach § 494 Abs. 1 BGB.

Ja, in der Tat!

Fehlt bei einem Verbrauchervertrag die vorgeschriebene Schriftform ist dieser nach § 494 Abs. 1 BGB grundsätzlich nichtig. Ein Formmangel eines Verbraucherdarlehensvertrag kann aber unter den Voraussetzungen des §494 Abs. 2 BGB geheilt werden. Beim Vertragsschluss ist der Verbraucherdarlehensvertrag zwischen F und B nichtig gemäß § 494 Abs. 1 BGB, da die vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten wurde.

4. Der Formmangel wurde aber mit Auszahlung des Darlehens an F geheilt.

Ja!

Nach § 494 Abs. 2 BGB wird ein Verbraucherdarlehensvertrag trotz Formmangels wirksam, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Dies schützt den Verbraucher davor, das Darlehen direkt zurückzahlen zu müssen. Das Darlehen wurde von B bereits an F ausgezahlt, sodass der Schriftformmangel nach § 494 Abs. 2 BGB geheilt wurde.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

4.9.2023, 16:59:40

Eine sprachliche Formulierungsfrage: Haben F und B bis zur Auszahlung der Darlehensvaluta tatsächlich einen Vertrag geschlossen, auch wenn sie gegen das Schriftformerfordernis verstoßen haben? Oder haben sie den Vertrag erst geschlossen, sobald die Auszahlung erfolgt? Oder haben sie einfach einen unwirksamen Vertrag geschlossen, der mit der Heilung wirksam wird, sodass der ursprüngliche Zeitpunkt relevant bleibt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.9.2023, 13:05:16

Hallo evanici, für einen Vertrag bedarf es zunächst mindestens zwei sich korrespondierende Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, die die wesentlichen Vertragsinhalte (essentialia negotii) enthalten. Insofern liegt hier bereits in der mündlichen Abrede ein Vertragsschluss. Davon zu trennen ist die Frage der Wirksamkeit. Nach § 494 Abs. 1 BGB ist der abgeschlossene Vertrag zunächst nichtig. Aus dem Gesetzeswortlaut geht also auch noch einmal hervor, dass ein (zunächst unwirksamer) Vertragsschluss vorliegt, wenn es nur an der Schriftform des Verbraucherdarlehensvertrages kommt. Durch die Auszahlung wird der

schwebend unwirksam

e Vertrag dann geheilt (§ 494 Abs. 2 S. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FW

FW

8.11.2024, 19:17:25

Hi, die Schriftform soll im BGB ja eigentlich dem Beweis dienen und vor Übereilung schützen, oder? Ich verstehe nicht ganz, warum der Verbraucher dadurch schutzbedürftiger ist, dass die Bank das Darlehen auszahlt. Möglicherweise irrt er sich über das Erfordernis und die Bank nutzt dies gezielt aus, um einen im Zweifel später höheren Zins zu verlangen. Also folgendes Beispiel: B zahlt an V ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro aus nach Abschluss eines Darlehensvertrages zum mündlich vereinbarten Zinssatz von 1 %. Im Nachhinein verlangt die Bank dann die Rückzahlung von 100.000 Euro + zusätzlich Zinsen in Höhe der durchschnittlich vereinbarten Zinsen, sagen wir 3-4 %. Dann hat der Verbraucher ja keinen Nachweis, hat jedoch bereits die 100.000 Euro verbraucht. Letztendlich würde der Richter ja aus Billigkeitsgründel einen normalen Zinssatz annehmen, oder nicht? Ein Zinssatz von 1% ist ja völlig abwegig.

LO

Lorenz

9.11.2024, 12:39:31

Das dürfte tatsächlich ein Problem sein. Umgekehrt könnte die Bank das Geld nach 812 sofort verlangen, wenn der Vertrag nichtig bliebe. Offenbar möchte man den Verbraucher lieber davor schützen.


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