Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage bei vergangenen Rechtsverhältnissen

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage bei vergangenen Rechtsverhältnissen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gemeinde G hat sich verpflichtet, Ls Reetdachhaus zu restaurieren. Als G dieser Verpflichtung nicht nachkommt, erhebt L die Leistungsklage. Bevor das Gericht entscheidet, brennt Ls Haus vollständig ab. L will nun feststellen lassen, dass sie einen Anspruch auf die Restauration hatte.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage bei vergangenen Rechtsverhältnissen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L begehrt weiterhin die Herbeiführung der Restauration durch G. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage.

Nein, das trifft nicht zu!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn der Kläger ein Realhandeln oder ein Unterlassen einer hoheitlichen Handlung begehrt. L wollte zunächst die Restauration des Reetdachhaus erreichen. Statthaft war also die allgemeine Leistungsklage. Da das Haus inzwischen vollständig abgebrannt ist, ist eine Restauration nicht mehr möglich, die allgemeine Leistungsklage liefe ins Leere. L begehrt nun die Feststellung, dass sie einen Anspruch auf die Restauration hatte, als das Haus nicht stand.
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2. Weil sich Ls ursprüngliches Klagebegehren vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt hat, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO).

Nein!

Hat sich ein ursprünglich wirksamer Verwaltungsakt vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Davon abzugrenzen ist der Fall, in dem das ursprüngliche Klagebegehren nicht gegen einen Verwaltungsakt (bzw. auf dessen Erlass) gerichtet war. Das sind insbesondere die Fälle, in denen der Kläger ursprünglich eine tatsächliche Leistung oder ein Unterlassen der Behörde erreichen wollte und die darauf gerichtete Leistungsklage keinen Erfolg mehr verspricht, weil sich die Sach- oder Rechtslage inzwischen geändert hat. In diesen Fällen lag nie ein Verwaltungsakt vor, gegen den der Kläger vorgehen wollte. In Betracht kommt daher nur die Feststellungsklage, gerichtet auf ein vergangenes Rechtsverhältnis.

3. Die Frage, ob L einen Anspruch auf die Restaurierung hatte oder nicht, dreht sich darum, ob ein Rechtsverhältnis zwischen L und G bestand, als das Haus noch vorhanden war.

Genau, so ist das!

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Kläger begehrt, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnis festgestellt wird. Ein Rechtsverhältnis ist die öffentlich-rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache, die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergeben. Für die Bejahung eines Rechtsverhältnis genügt bereits, dass eine Person ein subjektives öffentliches Recht gegenüber der anderen Person hat. Ein solches Recht des Bürgers gegenüber dem Staat können Ansprüche, Beherrschungs- und Gestaltungsrechte des Bürgers sein. Ob L einen Anspruch auf die Restauration gegen G hatte, ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.

4. Tauglicher Prüfungsgegenstand einer Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) kann nur ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Kläger die Feststellung begehrt, ob ein strittiges Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. § 43 VwGO trifft keine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt das Rechtsverhältnis bestehen muss. Deswegen sind neben gegenwärtigen Rechtsverhältnissen prinzipiell auch vergangene und zukünftige Rechtsverhältnisse feststellungsfähig. Besonders für vergangene Rechtsverhältnisse ist dies weitgehend unumstritten. Ob eine Feststellungsklage gerichtet auf ein vergangenes oder zukünftiges Rechtsverhältnis auch im Übrigen zulässig ist, ist zu prüfen. Problematisch ist oftmals, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung bestehen muss. Dies prüfst Du im Rahmen des Rechtsschutzbefürdnisses.

5. L will gerichtlich feststellen lassen, dass sie einen Anspruch auf Restauration des Hauses gegen G hatte. Statthaft ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO).

Ja!

Die Feststellungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Feststellung begehrt, ob ein strittiges Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. Auch vergangene Rechtsverhältnisse können feststellungsfähig sein. Hat der Bürger zunächst eine Leistungsklage auf Erfüllung eines Anspruchs erhoben, kann er diese Klage auf eine Feststellungsklage umstellen, wenn die Leistungsklage nicht mehr sinnvoll ist. L will feststellen lassen, dass sie einen Anspruch auf die Restaurierung hatte, als das Haus noch nicht abgebrannt war. Sie kann ihre bereits erhobene Leistungsklage prozessual auf eine Feststellungsklage umstellen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BBE

bibu knows best

4.7.2022, 10:51:05

Ich habe mal eine ganz dumme Frage: was würde es denn noch bringen, dies feststellen zu lassen ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 14:02:39

Hallo bibu knows best, Feststellungsinteresse kann zum Beispiel eine Kostenfrage sein oder rechtlicher Natur, wenn L mehr Häuser hat, bei denen eine vergleichbare Situation gegeben ist. In der Praxis ist natürlich immer die Frage, ob - selbst bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses- der Kläger davon profitiert den Anspruch feststellen zu lassen.

Juraluchs

Juraluchs

20.1.2023, 19:38:32

Die vierte Frage ist etwas eigentümlich formuliert bzw. die Logik zweifelhaft.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 14:21:01

Hey Juraluchs, wir haben die Frage umformuliert. Danke für deine Rückmeldung. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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