Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Diebstahl (§ 242 StGB)
Pfandflaschen | Individualisierte Pfandflaschen
Pfandflaschen | Individualisierte Pfandflaschen
16. April 2025
15 Kommentare
4,8 ★ (26.752 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

D entwendet zwei Säcke mit leeren Flaschen vom Pfandlagerhof des Getränke-Einzelhändlers H, um sie anschließend zum Zwecke der Erlangung des Flaschen"pfandes" zurückzugeben. Es handelt sich um Individualflaschen. D geht davon aus, dass das Eigentum an den Flaschen in jedem Fall auf den Käufer übergegangen ist.
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Einordnung des Falls
Pfandflaschen | Individualisierte Pfandflaschen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D hat eine fremde bewegliche Sache weggenommen im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Für die Zueignungsabsicht kommt es darauf an, ob D die Flaschen unter Leugnung fremden Eigentums zurückgeben wollte.
Ja!
3. Als Käufer der Flasche wäre D auch die Flasche übereignet worden.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Da es auf die objektive Eigentumslage ankommt, handelte D nicht mit Zueignungsabsicht.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Martymcfly
10.4.2021, 11:04:56
Also wenn das Eigentum bei den Indiviualflaschen beim Hersteller bleibt, liegt dann eine Unterschlagung vor, wenn ich diese behalte und daraus etwas bastel etc.?

Lukas_Mengestu
11.4.2021, 12:34:02
In der Tat, martymcfly. Zudem erfüllt es auch den objektiven Tatbestand einer Sachbeschädigung. Bis jetzt hätte es dir indes wohl an dem entsprechenden
Vorsatzgefehlt, sofern du davon ausgegangen bist, durch den Kauf Eigentümer der Flasche geworden zu sein (
Tatbestandsirrtum). Damit ist es wohl nun vorbei 😉 Die Staatsanwaltschaften dürften indes nicht allzu begierig sein, diese Taten zu verfolgen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

suessmaus
2.10.2023, 12:29:16
Wieso genau verbleibt denn das Eigentum beim Flaschenhersteller? Vielleicht könntet ihr das noch darstellen, ggf. auch im Sachenrecht Teil. Das wäre super!
Leo Lee
8.10.2023, 10:52:43
Hallo suessmaus, das liegt daran, dass bei Individualflaschen (die eben nicht standardisiert sind – etwa Coca-Cola-Flaschen) rechtlich durch den Hersteller nur „verliehen“ wird an den Vertreiber (der Grund dahinter ist unbekannt, jedoch steht rechtlich fest, dass das Eigentum and diesen Flaschen nicht übertragen wird; vielmehr sammelt der Hersteller diese wieder ein, um sie z.B. wieder zu verwenden). Bei den Einheitsflaschen (also standardisiert) ist es für den Hersteller „egal“, ob genau diese oder ähnliche Flaschen (die ohnehin nicht unterscheidbar sind) zu ihm zurückkommen, Hauptsache er kriegt irgendwelche Einheitsflaschen. Somit wird hier nicht nur „verliehen“ (was höchst unpraktisch wäre, weil man diese Flaschen nicht auseinanderhalten kann), sondern gleich übereignet an den Vertreiber :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Vincent
22.1.2025, 11:27:25
Vorsicht: "verliehen" wäre in einer juristischen Klausur wohl grob falsch, da die Sache nicht entgeltlich überlassen wird. Es geht hier viel mehr um die Absicherung der Rückgabe

Gruttmann
4.5.2024, 12:58:59
In der letzten Frage wird geschrieben, dass es laut BGH richtigerweise auf die Sicht und Vorstellung des Täters ankommt. Nun hat er Täter sich offensichtlich geirrt, indem er dachte, dass ein Käufer Eigentum an den Flaschen erlangen würde. Müsste man in einer Klausur dann diesen Irrtum gem. §16 Abs.1 S.1 StGB problematisieren, und ob es eine wesentliche oder unwesentliche Abweichung vom vorgestellten war ? Weil sagen wir, er wusste, dass man kein Eigentum erlangt bei Individualflaschen, dann irrt er sich darüber auch nicht und ein Diebstahl würde nicht in Betracht kommen oder lieg ich da jetzt ganz falsch?
L.Goldstyn
10.6.2024, 16:40:19
Hallo Gruttmann, eine interessante Frage! § 16 Abs. 1 StGB in direkter Anwendung nicht in Betracht, da sich der Täter über keinen Umstand des Tatbestandes irrt. Der Aspekt, dass der Täter glaubte, dass ein Käufer Eigentum an Indiviualflaschen erwirbt, wird erst im Rahmen der
Zueignungsabsichtrelevant. Ansprechen könnte man aus meiner Sicht möglicherweise eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 1 StGB (zu Gunsten des Täters), in der Literatur wird dies aber, soweit ich sehen kann, nicht vertreten. Einige (MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB
§ 242Rn. 183) befürworten in diesen Fällen, den Täter nur wegen Versuchs zu bestrafen; leider fehlt aber eine dogmatische Begründung.

HannahML
16.10.2024, 13:29:15
ich verstehe nicht ganz was der Unterschied zwischen individualisierten Flaschen und den anderen Flaschen ist. Kann mir das jemand erklären und vielleicht Beispiele nennen?
Julian Ost
25.11.2024, 13:56:36
Hi! Ich kann das gerne versuchen. Es gibt individualisierte Flaschen und Einheitsflaschen. Einheitsflaschen sind meist genormt und sind nicht an gewisse Getränke gebunden. PET-Wasserflaschen bspw.. An den Plastikflaschen wird dir mit dem Kauf der Flasche auch die Flasche an sich übereignet. Folglich gäbe es hier kein Problem beim Feststellen des Diebstahls. Individualflaschen sind allerdings an einen festen Hersteller gebunden. Z.B. ist auf manchen Cola-Flaschen "Coca-Cola" eingraviert. Diese werden nur von Coca Cola verwendet. Diese Flaschen werden einem nur geliehen. Eigentümer bleibt der Hersteller. Folglich würdest du dir objektiv nicht anmaßen bei der Rückgabe an der Pfandmaschine Eigentümer dieser Flasche zu sein. So ist das System gerade darauf ausgelegt, dass du bloß als B
esitzer, nicht aber als Eigentümer, die Flasche zurückgibst. Deswegen kann hier auch objektiv nicht von einer Anmaßung des Eigentümerstatus ausgegangen werden. Hier schlägt man dann die Brücke, um doch einen Diebstahl zu bejahen indem man auf die subjektive Vorstellung des Täters abstellt, nach welcher er sich doch eine eigentümerähnliche Stellung anmaßt.

FalkTG
3.1.2025, 20:12:34
Also ist der Diebstahl vollendet? Und sollte er sich nicht irren, wäre es dann ein Betrug?
Vincent
22.1.2025, 11:29:07
Ist, im Falle einer Rückgabe durch den Dieb, auch der Computerbetrug einschlägig ?