Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB)?
- Tatbestandsmäßigkeit
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Absicht rechtswidriger Zueignung
- Objektiver Tatbestand
- Fremde bewegliche Sache
- Wegnahme
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T entwendet die geschlossene Schmuckschatulle der O. Er glaubt, darin befinde sich wertvoller Schmuck. Später öffnet er die Schatulle und stellt fest, dass sich darin nur wertloser Modeschmuck befindet. Daraufhin wirft er die Schatulle und den Modeschmuck weg.
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Einordnung des Falls
Der BGH entscheidet hier über die Zueignungsabsicht im Falle eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Dem Täter war es bei einem Behältnis, das er im Rahmen des Diebstahls in seinen Gewahrsam gebracht hatte, gerade auf den vermeintlich wertvollen Inhalt angekommen. Als er feststellte, dass es sich nicht um den vorgestellten wertvollen Inhalt handelte, schmiss er diesen samt Behältnis weg. Hier fehle laut BGH die Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat T sich wegen Diebstahls strafbar gemacht, wenn er mit Zueignungsabsicht gehandelt hat (§ 242 Abs. 1 StGB)?
Ja!
Der Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt objektiv (1) die
Wegnahme einer (2) fremden beweglichen Sache, und subjektiv (3)
Vorsatz und (4) die Absicht rechtswidriger
Zueignung voraus. T hat die Schmuckschatulle der O und damit eine fremde bewegliche Sache weggenommen, d.h. den Gewahrsam der O gebrochen und eigenen Gewahrsam an der Schatulle begründet. Der
Vorsatz muss sich auf die
Wegnahme einer fremden Sache beziehen. Das ist hier der Fall. Dass sich etwas Anderes in der Schatulle befindet, als T angenommen hat, stellt nur einen unbeachtlichen
Motivirrtum dar. Dadurch entfällt der
Vorsatz nicht nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.
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2. Hätte T ohne Zueignungsabsicht gehandelt, wenn er von Anfang an geplant hätte, den Schmuck und die Schatulle wegzuwerfen?
Genau, so ist das!
Zum
Vorsatz muss beim Diebstahl in subjektiver Hinsicht die Absicht rechtswidriger
Zueignung hinzukommen. Mit Zueignungsabsicht handelt, wer es zumindest billigend in Kauf nimmt, den Berechtigten auf Dauer zu enteignen und sich die Sache absichtlich zumindest vorübergehend aneignen will. Für die darin enthaltene Aneignungsabsicht kommt es darauf an, ob sich der Täter eine Eigentümerstellung anmaßt. Das ist nicht der Fall, wenn T die Sache nach der
Wegnahme nur wegwerfen, sie selbst oder ihren Wert aber nicht seinem Vermögen einverleiben will.
3. Handelte T im Zeitpunkt der Wegnahme mit Zueignungsabsicht hinsichtlich der Schatulle und des Inhalts?
Nein, das trifft nicht zu!
Die Zueignungsabsicht muss zum Zeitpunkt der
Wegnahme vorliegen. Entschließt sich T erst später, die Sache wegzuwerfen, ist dies grundsätzlich unbeachtlich. Hier bezieht sich die Zueignungsabsicht des T im Zeitpunkt der
Wegnahme aber auf den erwarteten wertvollen Schmuck und nicht auf den tatsächlich wertlosen Inhalt. BGH: Enthält ein Behältnis, das T entwendet, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich nach dieser Feststellung deswegen des Behältnisses und des wertlosen Inhalts, so entfalle die Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute (RdNr. 6).
4. Hat T sich wegen versuchten Diebstahls strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB)?
Ja!
Mangels Zueignungsabsicht scheidet ein Diebstahl (auch ein
versuchter Diebstahl) an der Schatulle mit dem wertlosen Modeschmuck aus. Denn auch für den Versuch bedarf es im
Tatentschluss der Zueignungsabsicht.Im Zeitpunkt der
Wegnahme hatte T aber die Vorstellung, die Schatulle enthält wertvollen Schmuck. Hinsichtlich dieses (nicht existierenden) Schmucks hatte T Zueignungsabsicht. Jedoch hat T objektiv keinen Gewahrsam an dem wertvollen Schmuck gebrochen und neubegründet, sodass diesbezüglich keine
Wegnahme vorliegt (die Tat ist nicht
vollendet). Durch die tatsächliche
Wegnahme der (geschlossenen) Schatulle hat T unmittelbar zur Tat angesetzt. T hat sich wegen versuchten Diebstahls an der Schatulle (mit vorgestelltem) wertvollen Inhalt strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB).
5. Ist T durch das Wegwerfen der Schatulle und des Modeschmucks strafbefreiend vom Versuch des Diebstahls zurückgetreten (§ 24 StGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Um nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückzutreten, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: (1) kein fehlgeschlagener Versuch, (2) unbeendeter/beendeter Versuch, (3) Aufgeben der weiteren Ausführung/Verhindern der Vollendung, (4) Freiwilligkeit. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn T nach seiner Vorstellung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann. Hier kann T - zumindest ohne zeitliche Zäsur - nicht mehr den Diebstahl wertvollen Schmucks herbeiführen. Der gestohlene Schmuck ist endgültig wertloser Modeschmuck. Der Versuch ist fehlgeschlagen. T kann nicht mehr zurücktreten.
Wie Du die Prüfung des versuchten Diebstahls aufbauen kannst, kannst Du hier wiederholen. Alles zum Thema Rücktritt findest Du hier .6. Ist der Versuch des Diebstahls strafbar (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB)?
Genau, so ist das!
Korrekt. Voraussetzungen des versuchten Diebstahls nach §§ 22, 23 Abs. 1, 242 Abs. 1, Abs. 2 StGB sind: (1) keine Vollendung, (2) Strafbarkeit des Versuchs, (3)
Tatentschluss, (4) unmittelbares Ansetzen, (5) Rechtswidrigkeit, (6) Schuld, (7) kein Rücktritt. Nach § 242 Abs. 2 StGB ist der Versuch des Diebstahls strafbar.