Strafrecht

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Zueignungsabsicht bei falscher Vorstellung über Beute

Zueignungsabsicht bei falscher Vorstellung über Beute

13. Mai 2023

4,6(15.889 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: T ist sauer, weil in der von ihm geöffneten Schmuckschatulle nur wertloser Modeschmuck ist.

T entwendet die geschlossene Schmuckschatulle der O. Er glaubt, darin befinde sich wertvoller Schmuck. Später öffnet er die Schatulle und stellt fest, dass sich darin nur wertloser Modeschmuck befindet. Daraufhin wirft er die Schatulle und den Modeschmuck weg.

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Einordnung des Falls

Der BGH entscheidet hier über die Zueignungsabsicht im Falle eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Dem Täter war es bei einem Behältnis, das er im Rahmen des Diebstahls in seinen Gewahrsam gebracht hatte, gerade auf den vermeintlich wertvollen Inhalt angekommen. Als er feststellte, dass es sich nicht um den vorgestellten wertvollen Inhalt handelte, schmiss er diesen samt Behältnis weg. Hier fehle laut BGH die Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich wegen Diebstahls strafbar gemacht, wenn er mit Zueignungsabsicht gehandelt hat (§ 242 Abs. 1 StGB)?

Ja!

Der Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt objektiv (1) die Wegnahme einer (2) fremden beweglichen Sache, und subjektiv (3) Vorsatz und (4) die Absicht rechtswidriger Zueignung voraus. T hat die Schmuckschatulle der O und damit eine fremde bewegliche Sache weggenommen, d.h. den Gewahrsam der O gebrochen und eigenen Gewahrsam an der Schatulle begründet. Der Vorsatz muss sich auf die Wegnahme einer fremden Sache beziehen. Das ist hier der Fall. Dass sich etwas Anderes in der Schatulle befindet, als T angenommen hat, stellt nur einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Dadurch entfällt der Vorsatz nicht nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Das Prüfungsschema zum vollendeten Diebstahl findest Du hier .
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2. Hätte T ohne Zueignungsabsicht gehandelt, wenn er von Anfang an geplant hätte, den Schmuck und die Schatulle wegzuwerfen?

Genau, so ist das!

Zum Vorsatz muss beim Diebstahl in subjektiver Hinsicht die Absicht rechtswidriger Zueignung hinzukommen. Mit Zueignungsabsicht handelt, wer es zumindest billigend in Kauf nimmt, den Berechtigten auf Dauer zu enteignen und sich die Sache absichtlich zumindest vorübergehend aneignen will. Für die darin enthaltene Aneignungsabsicht kommt es darauf an, ob sich der Täter eine Eigentümerstellung anmaßt. Das ist nicht der Fall, wenn T die Sache nach der Wegnahme nur wegwerfen, sie selbst oder ihren Wert aber nicht seinem Vermögen einverleiben will.

3. Handelte T im Zeitpunkt der Wegnahme mit Zueignungsabsicht hinsichtlich der Schatulle und des Inhalts?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Zueignungsabsicht muss zum Zeitpunkt der Wegnahme vorliegen. Entschließt sich T erst später, die Sache wegzuwerfen, ist dies grundsätzlich unbeachtlich. Hier bezieht sich die Zueignungsabsicht des T im Zeitpunkt der Wegnahme aber auf den erwarteten wertvollen Schmuck und nicht auf den tatsächlich wertlosen Inhalt. BGH: Enthält ein Behältnis, das T entwendet, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich nach dieser Feststellung deswegen des Behältnisses und des wertlosen Inhalts, so entfalle die Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute (RdNr. 6).

4. Hat T sich wegen versuchten Diebstahls strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB)?

Ja!

Mangels Zueignungsabsicht scheidet ein Diebstahl (auch ein versuchter Diebstahl) an der Schatulle mit dem wertlosen Modeschmuck aus. Denn auch für den Versuch bedarf es im Tatentschluss der Zueignungsabsicht.Im Zeitpunkt der Wegnahme hatte T aber die Vorstellung, die Schatulle enthält wertvollen Schmuck. Hinsichtlich dieses (nicht existierenden) Schmucks hatte T Zueignungsabsicht. Jedoch hat T objektiv keinen Gewahrsam an dem wertvollen Schmuck gebrochen und neubegründet, sodass diesbezüglich keine Wegnahme vorliegt (die Tat ist nichtvollendet). Durch die tatsächliche Wegnahme der (geschlossenen) Schatulle hat T unmittelbar zur Tat angesetzt. T hat sich wegen versuchten Diebstahls an der Schatulle (mit vorgestelltem) wertvollen Inhalt strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB).

5. Ist T durch das Wegwerfen der Schatulle und des Modeschmucks strafbefreiend vom Versuch des Diebstahls zurückgetreten (§ 24 StGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Um nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückzutreten, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: (1) kein fehlgeschlagener Versuch, (2) unbeendeter/beendeter Versuch, (3) Aufgeben der weiteren Ausführung/Verhindern der Vollendung, (4) Freiwilligkeit. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn T nach seiner Vorstellung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann. Hier kann T - zumindest ohne zeitliche Zäsur - nicht mehr den Diebstahl wertvollen Schmucks herbeiführen. Der gestohlene Schmuck ist endgültig wertloser Modeschmuck. Der Versuch ist fehlgeschlagen. T kann nicht mehr zurücktreten. Wie Du die Prüfung des versuchten Diebstahls aufbauen kannst, kannst Du hier wiederholen. Alles zum Thema Rücktritt findest Du hier .

6. Ist der Versuch des Diebstahls strafbar (§§ 242 Abs. 2 StGB, 22 StGB)?

Genau, so ist das!

Korrekt. Voraussetzungen des versuchten Diebstahls nach §§ 22, 23 Abs. 1, 242 Abs. 1, Abs. 2 StGB sind: (1) keine Vollendung, (2) Strafbarkeit des Versuchs, (3) Tatentschluss, (4) unmittelbares Ansetzen, (5) Rechtswidrigkeit, (6) Schuld, (7) kein Rücktritt. Nach § 242 Abs. 2 StGB ist der Versuch des Diebstahls strafbar.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. Absicht rechtswidriger Zueignung
    2. Objektiver Tatbestand
      1. Fremde bewegliche Sache
      2. Wegnahme
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

НИ

Нина

11.8.2020, 21:14:06

Ich verstehe nicht wieso, die

Zueignungsabsicht

nicht vorliegt. Zum Zeitpunkt der Wegnahme, bei der

Tathandlung

, wollte sich der T die Schatulle samt Inhalt aneignen und die O enteignen, dass er später feststellte, dass der Inhalt anders war, ist doch als

Motivirrtum

unerheblich. Was verstehe ich falsch?

EL

Elisabeth

20.8.2020, 10:41:24

Ich glaube es ist einfach die Rechtsprechung des BGH, der das eben anders sieht, nämlich wenn ich meine

Enteignung

s- und

Zueignungsabsicht

auf eine nicht vorhandene Sache beziehe, habe ich keine Absicht in Bezug auf das tatsächlich vorhandene. Der BGH sagt quasi das ist gerade kein

Motivirrtum

. In Bezug auf die Schatulle wollte er sich diese nie Aneignen, auch nicht den Sachwert ( z.b. die Schatulle wäre ein werthaltiges Sammlerstücke). Kann man bestimmt kritisieren, ein Vorschlag an das Jura-Fuchs Team: Wie wäre es bei manchen kontroversen Entscheidungen in StrafR z.b. mit einem Voting am Ende, wer stimmt der BGH- Rechtsprechung zu, wer nicht? Es wäre bestimmt interessant und lustig ab und zu die Mehrheitsmeinungen in der App zu ermitteln ;)

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

3.9.2020, 10:14:06

@Elisabeth, vielen Dank für den sehr interessanten Vorschlag! Das finden wir spannend. Und werden überlegen, ob und wie genau wir das umsetzen könnten. Tolle Idee! Wir sind immer dankbar für so kreative Vorschläge. Wir denken ohnehin seit einer Weile darüber nach, wie wir Kontroversen und streitige rechtliche Bewertungen stärker sichtbar machen können.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

12.3.2021, 18:43:53

Seltsam, ich war immer der Meinung, eine Versuchsstrafbarkeit würde das Fehlen eines OBJEKTIVEN Tatbestandsmerkmals voraussetzen und die subjektiven Merkmale dürften gerade nicht fehlen... Sieht der BGH wohl anders 🤷

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2021, 09:32:46

Hallo TeamRahad, die Linie des BGH ist im Falle der fehlenden

Zueignungsabsicht

in der Tat etwas gewöhnungsbedürftig, da objektiv ja eine vollendete Wegnahme stattgefunden hat und dies auch vorsätzlich erfolgte. Dies umso mehr, als bei anderen Delikten die vorsätzliche Verwirklichung genügt. Schieße ich zB auf B und denke er wäre A, so stellt dies einen unbeachtlichen

Motivirrtum

dar (

error in persona

). Der entscheidende Unterschied zu diesem Fall ist indes, dass in dem Beispielsfall alle Tatbestandsmerkmale des § 212 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dies ist hier im Falle des §

242 StGB

nicht der Fall, da neben den obj. Tatbetsand eben auch noch die

Zueignungsabsicht

tritt. Insofern müsstest Du Deine Eselsbrücke in der Tat anpassen :) Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

15.3.2021, 10:32:26

Hey Lukas, danke für deine Antwort. Dass es zur Vollendung die

Zueignungsabsicht

als

überschießende Innentendenz

braucht, war mir schon bewusst. Meine "Eselsbrücke" ist die Definition aus dem Vorlesungsskript (hatte extra nochmal nachgeschaut), die mir noch nie als falsch angestrichen wurde. Trotzdem verwenden der BGH und der Fischer eben eine andere Definition, wieder was gelernt 🤷 BG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2021, 11:01:13

Hi TeamRahad, in der Tat ist man wenn man dem BGH folgt in der Klausur und Praxis meist auf der sicheren Seite (auch wenn man sich das kritische Hinterfragen dennoch bewahren sollte). In unseren Fällen benutzen wir folgende Definition des Tatentschlusses: "Der Tatentschluss umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale". Damit hast Du dann auch die

Zueignungsabsicht

erfasst :-). Beste Grüße, Lukas

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

16.3.2021, 13:04:45

Hi Lukas, die von dir genannte Definition von Tatenschluss kenne und verwende ich auch. Das meinte ich in meinem ersten Kommentar damit, dass die subjektiven Elemente gerade nicht fehlen dürfen. Deswegen finde ich es ja problematisch, den Versuch bei fehlender

Zueignungsabsicht

zu bejahen. BG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2021, 17:33:06

:D sry, da hab ich dich wohl missverstanden. Der entscheidende Punkt ist hier, dass

Zueignungsabsicht

nur bzgl. des wertlosen Inhalts und der Schatulle fehlt. Insofern scheitert der vollendete Diebstahl. Das bedeutet aber nicht, dass T überhaupt keine

Zueignungsabsicht

zum Zeitpunkt der Wegnahme hatte. Diese bezog sich nur eben nicht auf den wertlosen Inhalt, sondern auf den werthaltiigen. Insofern bleibt es bei der von dir verwendeten Defintion :-)

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

16.3.2021, 18:06:27

Ahh ok, das macht mehr Sinn! Danke 👍 :)

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.3.2021, 10:44:36

Hey ihr beiden, stimme dir zu, TeamRahad. Ich habe fürs Erste Examen ebenfalls die Definition für die Nichtvollendung der Tat, in der Vorprüfung des Versuchs so gelernt. Also: Die Tat ist nichtvollendet, wenn irgendein objektives Tatbestandsmerkmal fehlt.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.3.2021, 10:54:49

In dem vorliegenden Fall hat der BGH wohl unsauber formuliert, aber angedeutet was er meint. Schauen wir in den Leitsatz: "(...) so kann er mangels

Zueignungsabsicht

bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden." Das legt den Schluss nahe, dass hier mangels

Zueignungsabsicht

der Versuch nichtvollendet ist. Dies ist aber falsch! Man muss klar unterscheiden zwischen den 2

Tatobjekt

en. 1. Schatulle mit wertlosem Inhalt. 2. Schatulle mit (vorgestelltem) wertvollen Inhalt.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.3.2021, 10:57:44

Bezüglich 1. der Schatulle mit wertlosem Inhalt hatte T keine

Zueignungsabsicht

(er wollte die Schatulle und den wertlosen Inhalt sich nicht zueignen, sondern hat sie weggeworfen). Bezüglich dieses

Tatobjekt

s prüfen wir jetzt auch keinen Versuch! Das würde zu nichts führen, da wir hier ebenfalls im Tatentschluss mangels

Zueignungsabsicht

scheitern würden.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.3.2021, 11:03:07

Aber bezüglich 2. der Schatulle mit (vorgestelltem) wertvollem Inhalt prüfen und bejahen wir jetzt den Versuch. Casus knacksus hier: Es fehlt tatsächlich ein objektives Tatbestandsmerkmal, nämlich: Die Wegnahme! Denn eine Schatulle mit wertvollem Inhalt hat T nicht weggenommen. Das deutet der BGH übrigens mit dem "(fehlgeschlagenen)" an. Der Versuch bzgl. der Schatulle mit wertvollem Inhalt ist nämlich fehlgeschlagen. Hinsichtlich

Tatobjekt

2. liegt natürlich auch

Zueignungsabsicht

vor. Hoffe es ist jetzt klarer. Ich werde das in unserer Aufgabe später nochmal präzisieren. LG Eigentum verpflichtet

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

17.3.2021, 13:28:27

Hallo Eigentum verpflichtet, danke für die nochmal ausführlichere Erklärung zur Antwort von Tr(u)mpeltweet :) LG

G0D0FM

G0d0fMischief

20.7.2024, 10:07:24

Beachte: Vorliegend kommt zunächst ein vollendeter Diebstahl in Betracht, dieser scheitert aber daran, dass die Schatulle und ihr Inhalt wertlos sind. Ein

versuchter Diebstahl

hinsichtlich dieses

Tatobjekt

es kommt nicht in Betracht, da es hier bereits am Tatentschluss des Täters fehlt! ABER es kommt ein

versuchter Diebstahl

im Bezug auf die Wegnahme einer Schatulle mit WERTVOLLEM Inhalt in Betracht. Zu diesem hatte T Tatentschluss und auch – durch Wegnahme der wertlosen Schatulle – nach seiner Vorstellung unmittelbar angesetzt. Es kommt hier also auch nur zur Verwertung eines Vorsatzes für die Versuchsstrafbarkeit. Lässt sich das so richtig feststellen? Im Endeffekt entspricht das schon dem was hier steht, ich wollte es nur für meine persönlichen Notizen herunterbrechen. Finde die Fälle in denen der Täter über den Wert das

Tatobjekt

es irrt besonders "tricky". Kurze Verständnisfrage auch an dieser Stelle: § 16 I 1 StGB dürfte könnte hier doch mitzitiert werden oder? Denn die

Zueignungsabsicht

gehört ja zum gesetzlichen Tatbestand.


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