Strafklageverbrauch nach Teileinstellung, § 154a StPO

17. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250, 26 StGB) in Tateinheit mit Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) angeklagt. Im Prozess stellte das Gericht die Bedrohung „nach § 154 Abs. 2 StPO" vorläufig im Hinblick auf die wegen der Anstiftung zu erwartende Strafe ein. Später verurteilt es dann A wegen der Anstiftung.

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Einordnung des Falls

Strafklageverbrauch nach Teileinstellung, § 154a StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Will das Gericht innerhalb einer prozessualen Tat (§ 264 Abs. 1 StPO) von der Verfolgung eines Delikts absehen, richtet sich die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO.

Nein!

§ 154 Abs. 2 StPO ist einschlägig, wenn das Gericht von der Verfolgung einer gesamten „Tat“ im prozessualen Sinne absehen will. Will sie innerhalb einer Tat von der Verfolgung eines Delikts absehen, ist die Beschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO einschlägig. Hier hat das Gericht sich also irrtümlich auf die falsche Norm gestützt und hätte vielmehr § 154a StPO anwenden müssen.
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2. Die Anstiftung und die Bedrohung bilden eine prozessuale Tat (§ 264 Abs. 1 StPO). Steht der Verurteilung wegen Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung der Strafklageverbrauch entgegen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es kommt vor, dass das Gericht offensichtlich irrtümlich von mehreren prozessualen Taten und einem Fall des § 154 StPO ausgeht, obwohl objektiv nur eine prozessuale Tat vorliegt und stattdessen nach § 154a StPO vorzugehen wäre. Ebenso tritt natürlich der umgekehrte Fall auf. Mittlerweile ist die Tendenz der Rspr., dass die irrtümliche Anwendung der einen Norm in eine (tatsächlich gewollte) Anwendung der anderen Norm umgedeutet werden kann (BGH NStZ 2015, 96, 97, RdNr. 16). Es kommt also diejenige der beiden Vorschriften zur Anwendung, deren Voraussetzungen objektiv tatsächlich vorliegen. Das Gericht stellte das Verfahren zwar ausdrücklich nach § 154 Abs. 2 StPO ein, sodass sich die Einstellung eigentlich auf die gesamte prozessuale Tat erstreckte. Objektiv handelt es sich aber ohnehin nur um eine einzige prozessuale Tat. Gewollt war daher offensichtlich eine Beschränkung der Verfolgung nach § 154a Abs. 2 StPO auf die Anstiftung. Einer entsprechenden Verurteilung steht daher nicht der Strafklageverbrauch entgegen. Vereinzelte zwischenzeitliche Entscheidungen des BGH sahen das anders (z.B. BGH NStZ 2014, 46). Danach sollten die Rechtsfolgen der tatsächlich angewendeten Norm gelten. Das würde in unserem Fall Strafklageverbrauch bedeuten, denn zur Wiederaufnahme des Verfahrens hätte es eines Gerichtsbeschlusses bedurft (§ 154 Abs. 5 StPO). Die Staatsanwaltschaft kann ein von ihr eingestelltes Verfahren dagegen ohnehin auch konkludent wieder aufnehmen (vgl. § 154 Abs. 1, 5 StPO).

3. Angenommen, es bliebe bei den Rechtsfolgen der tatsächlich angewendeten Norm (§ 154 StPO): Würde das Revisionsgericht das Urteil aufheben und das Verfahren einstellen (§ 354 Abs. 1 StPO)?

Ja, in der Tat!

Da eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO vorliegen würde, wäre ein Wiederaufnahmebeschluss (§ 154 Abs. 5 StPO) für die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250, 26 StGB) Verfahrensvoraussetzung. Dieser hätte nicht vorgelegen, sodass das Verfahren einzustellen wäre.
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