Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Subsidiarität ggü Anfechtungsklage

Subsidiarität ggü Anfechtungsklage

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastundentin Lawra (L) bekommt einen Bescheid von der Uni G, der sie dazu auffordert, die fälligen Studiengebühren zu bezahlen. L hat die Gebühren zum Zeitpunkt des Erlasses schon überwiesen. Sie will gerichtlich feststellen lassen, dass sie die Gebühren nicht noch einmal bezahlen muss.

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Einordnung des Falls

Subsidiarität ggü Anfechtungsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Pflicht, Gebühren an G zu bezahlen, begründet grundsätzlich ein Rechtsverhältnis zwischen L und G. Man könnte daher zunächst an die Statthaftigkeit der Feststellungsklage denken.

Ja!

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Kläger begehrt, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt wird. Ein Rechtsverhältnis ist die öffentlich-rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache, die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergeben. Gs Recht, Gebühren von L fordern zu können, und Ls damit einhergehende Pflicht, die Gebühren zahlen zu müssen, begründen ein Rechtsverhältnis zwischen L und G. Wenn L der Meinung ist, dieses Rechtsverhältnis bestehe nicht, kann sie grundsätzlich die Feststellungsklage erheben.
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2. Die Feststellungsklage ist gegenüber anderen verwaltungsrechtlichen Klagen vorrangig statthaft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Kläger kann die Feststellungsklage nicht erheben, soweit er seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO). Gestaltungsklage im Sinne dieser Vorschrift ist die Anfechtungsklage, Leistungsklage ist die Verpflichtungsklage und die allgemeine Leistungsklage. Die Feststellungsklage ist gegenüber diesen Klagearten subsidiär. Die gesetzlich angeordnete Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO) soll u.a. verhindern, dass die spezifischen Voraussetzungen der vorrangigen Klagearten (z.B. Klagefrist, § 74 VwGO) durch die Feststellungsklage umgangen werden. Zudem sind die anderen Klagearten in vielen - nicht in allen - Konstellationen rechtsschutzintensiver sind (im Fall der Anfechtungsklage z.B. wegen des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 1 VwGO)).

3. L kann den Gebührenbescheid anfechten. Statthaft ist die Anfechtungsklage.

Ja, in der Tat!

Der Kläger kann die Feststellungsklage nicht erheben, soweit er seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO). Ist der Kläger der Meinung, dass eine Verpflichtung aus einem Verwaltungsakt nicht besteht, ist die Feststellungsklage grundsätzlich subsidiär gegenüber der Anfechtungsklage. Der Kläger kann die Aufhebung des Bescheids nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anstreben. L kann den Gebührenbescheid (= Verwaltungsakt) anfechten. Eine Feststellungsklage scheidet damit aus (§ 43 Abs. 2 VwGO). Kommt eine Feststellungsklage in Betracht, prüfe - zumindest gedanklich - immer erst die anderen Klagearten. Sollte die Klägerin - wie L hier - ausdrücklich eine gerichtliche Feststellung verlangen, solltest Du das Klagebegehren hin zur statthaften Klage - hier Anfechtungsklage - umdeuten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MK-

MK-

16.1.2023, 18:33:31

Ist der Gebührenbescheid nicht durch die Zahlung erledigt und somit nichtig? Dann wäre die Anfechtungsklage schon deshalb nicht statthaft, weil es an einem wirksamen VA mangelt und die

Nichtigkeitsfeststellungsklage

(43 I Var. 3 VwGO) statthaft, oder?

Johannes Nebe

Johannes Nebe

10.9.2023, 12:49:40

Ob die erste Frage mit "Ja" zu beantworten ist, ist ein bisschen fraglich. Die

Feststellungsklage

wäre nur statthaft, wenn sich die Klage tatsächlich auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses beziehen würde. Das ist in der Frage aber nicht so formuliert und auch im Sachverhalt so nicht angelegt. Auch die Subsumtion geht am Sachverhalt vorbei, denn L stellt das Rechtsverhältnis an sich gar nicht in Frage.

NI

Nilson2503

16.9.2023, 11:47:21

Grundsätzlich bleibt der Gebührenbescheide als Rechtsgrund für die gezahlte Gebühr bestehen und erledigt sich quasi nicht. LG

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

29.10.2023, 01:17:58

L will feststellen lassen, dass sie die Gebühren bereits bezahlt hat und stellt nicht den Gebührenbescheid als Ganzes im Frage. Das wirkt auf mich, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen, wenn man in diesem Sachverhalt eine Anfechtungsklage bejaht.

ahimes

ahimes

6.11.2023, 16:03:16

Dito. Genau dasselbe habe ich auch gedacht. Die AK entspricht eigentlich gar nicht Ihrem Klagebegehren. Wirkt sehr gekünstelt, die Lösung.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 14:22:36

Hallo in die Runde, danke für die Rückfragen! Es geht uns in diesem Fall darum, die

Subsidiarität der Feststellungsklage

nach § 43 Abs. 2 VwGO zu erläutern. Auch wenn L „feststellen lassen will“, dass sie die Gebühren nicht bezahlen muss, so richtet sich ihr Begehren doch letztlich darauf, die durch den

Verwaltungsakt

festgelegten Gebühren nicht bezahlen zu müssen. Dies würde ein Verwaltungsgericht wohl i.R.d. Auslegung des Klagebegehrens wohl auch so annehmen. Um die Gebühren nicht nochmal bezahlen zu müssen, muss L den Gebührenbescheid anfechten (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Da eine Anfechtung des Gebührenbescheids rechtsschutzintensiver ist, als allein festzustellen, dass L die Gebühren bereits gezahlt hat, ist hier die Anfechtungsklage statthaft. Genau dafür gibt es die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO. Auch die Rechtsklarheit spricht dafür: Denn so lange der Gebührenbescheid in der Welt ist, wirkt es so, als wäre L verpflichtet, diese Gebühren zu zahlen bzw. diese könnten ggf. sogar vollstreckt werden, wenn der Bescheid bestandskräftig wird. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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