Haftung für Sachmängel, § 524 BGB

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nachbar N trifft die fußballbegeisterte F auf der Straße. N sagt, dass er F seinen alten Lieblingsfußball von zuhause sowie Fußballschuhe schenken will, die er noch in der Stadt kaufen muss. Am nächsten Tag übergibt N der S beide Geschenke. Der Fußball ist kaputt, was N der F arglistig verschiegen hatte. Auch die Fußballschuhe sind mangelhaft, was N beim Kauf grob fahrlässig verkannt hatte.

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Einordnung des Falls

Haftung für Sachmängel, § 524 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F könnte gegen N einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 437 Abs. 1, 439 BGB wegen des Fußballs und der Schuhe haben.

Nein, das trifft nicht zu!

Die §§ 523 ff. BGB enthalten ein eigenes, vom allgemeinen Schuldrecht abweichendes Haftungssystem für Sach- und Rechtsmängel. Stehen Ansprüche wegen Sachmängeln am Schenkungsgegenstand im Raum, ist daher § 524 BGB zu prüfen. F und N haben einen Schenkungsvertrag über den Fußball und die Schuhe geschlossen, sodass für Ansprüche aufgrund von Sach- und Rechtsmängeln nur §§ 523, 524 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen.
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2. Die Haftung des F für den Fußball richtet sich nach § 524 Abs. 1 BGB und die für die Schuhe nach § 524 Abs. 2 BGB.

Ja!

§ 524 BGB trifft eine unterschiedliche Haftungsregel je nach Schenkungsgegenstand. Hatte der Schenker eine nur der Gattung nach bestimmten Sache versprochen, die er erst erwerben sollte haftet er nach § 524 Abs. 2 BGB bei grober Fahrlässigkeit auf Lieferung einer fehlerfreien Sache und im Falle der Arglist auch auf das positive Interesse. Bei anderen Schenkungsgegenständen haftet der Schenker nach § 524 Abs. 1 BGB nur bei Arglist und lediglich auf das negative Interesse. Die Fußballschuhe sind eine Gattungsschuld und F hat versprochen diese erst noch zu besorgen, sodass er für sie nach § 524 Abs. 2 BGB haftet. Für den Fußball, den er bereits besaß haftet er nach § 524 Abs. 1 BGB.

3. F hat gegen N einen Anspruch auf Nachlieferung eines neuen Fußballs nach § 524 Abs. 1 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für Sachmängel an Schenkungsgegenständen, die keine Gattungsschulden sind die erst besorgt werden müssen, haftet der Schenker nach § 524 Abs. 1 BGB nur wenn er diese arglistig verschwiegen hat. Zudem haftet er nur auf das negative Interesse Der Schenker ist also weder zur Nacherfüllung oder zum Ausgleich des eigentlichen Mangelschaden verpflichtet, sondern muss den Beschenkten so stellen, wie dieser stünde, wenn er den Mangel gekannt hätte. Der Fußball war mangelhaft und N hat den Mangel gegenüber F arglistig verschwiegen. Die Haftung nach § 524 Abs. 1 BGB richtet sich aber nur auf das negative Interesse, sodass F keinen Anspruch auf Nachlieferung eines neuen Fußballs hat.

4. F hat gegen N einen Anspruch auf Nachlieferung mangelfreier Fußballschuhe nach § 524 Abs. 2 BGB.

Ja, in der Tat!

Für Sachmängel an Schenkungsgegenständen, die nur nach der Gattung bestimmt sind und erst besorgt werden müssen, haftet der Schenker nach § 524 Abs. 2 S. 1 BGB bereits ab grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels auf Nachlieferung. Hat der Schenker einen Mangel arglistig verschwiegen haftet er nach § 524 Abs. 2 S. 2 BGB sogar auf das positive Interesse als Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Fußballschuhe waren mangelhaft, was N grob fahrlässig verkannt hat. F hat daher nach § 524 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Nachlieferung von mangelfreien Fußballschuhen. Auf die Nachlieferung einer mangelfreien Sache und den Schadensersatz wegen Nichterfüllung sind nach § 524 Abs. 2 S. 3 die allgemeinen Gewährleistungsregelungen entsprechend anwendbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

5.8.2024, 11:52:33

Hi, weiß jemand den Sinn und Zweck dieser nicht ganz einfachen Differenzierung? Warum haftet er bei Sachen, die ihm gehören, nur auf das negative Interesse und bei Sachen, die noch nicht ihm gehören, die er aber verspricht zu besorgen, auch auf das positive Interesse und auch bei grober Fahrlässigkeit?

JO

jomolino

29.8.2024, 09:42:57

Ich könnte mir vorstellen, dass es daran liegt, dass er im zweiten Fall ja selber einen NE Anspruch ggü. dem Verkäufer hat und es somit keine unbillige Belastung darstellt diesen „durchzureichen“. Bei dem ersten Fall wendet er eine Sache unentgeltlich aus seinem Vermögen zu und müsste noch draufzahlen, wenn er nachbessern müsste. :)

JulianF

JulianF

29.8.2024, 13:16:21

Der Grund ist, dass in Absatz 1 die Pflichtverletzung nicht in der Mangelhaftigkeit der eigenen Sache und der verbundenen Mangelleistung, sondern im Schenkungsversprechen wider besseres Wissen besteht. Nach der

Differenzhypothese

ist die Güterlage bei hinweggedachter Pflichtverletzung diejenige, die ohne das Vertrauen auf das Schenkungsversprechen bestanden hätte. Daher ist bloß das negative Interesse zu ersetzen. Entgegen allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien ist hier zum Schutz des Schenkers die fahrlässige Unkenntnis allein nicht haftungsbegründend für den Schadensersatz des Vertrauensschadens. In Absatz 2 besteht die Pflichtverletzung in der Beschaffung einer mangelhaften Sache und der verbundenen Mangelleistung. Denkt man die Mangelleistung als Pflichtverletzung hinweg, hätte der Beschenkte eine mangelfreie Sache erhalten, folglich ist das positive Interesse des Beschenkten an der Leistung zu ersetzen. Entgegen allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien ist die Nacherfüllung zum Schutz des Schenkers nicht verschuldensunabhängig, sondern hängt von dessen grober Fahrlässigkeit ab, der Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung hängt vom arglistigen Verschweigen der Mangelhaftigkeit ab.


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