+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
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Klassisches Klausurproblem
A übereignet seinen PKW sicherungshalber an die B. Er nutzt das Fahrzeug aber weiterhin als Halter selbst. Bei einer Kollision mit C und dessen Fahrzeug wird A’s PKW beschädigt. Ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer lässt sich nicht feststellen. A geht gerichtlich gegen C vor.
Einordnung des Falls
Zurechnung der Betriebsgefahr eines sicherungsübereigneten KFZ
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A kann den Anspruch der B gegen C in eigenem Namen geltend machen, wenn B ihn dazu ermächtigt hat.
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Genau, so ist das!
Es handelt sich um einen Fall der gewillkürten Prozessstandschaft. Das meint die Befugnis, ein fremdes Recht (Schadensersatzanspruch der B) in eigenem Namen geltend zu machen. Die Voraussetzungen: (1) Abtretbarkeit des Anspruches (2) Ermächtigung des Rechtsinhabers (3) schutzwürdiges rechtliches oder wirtschaftliches Interesse des Prozessstandschafters (4) kein Nachteil des Prozessgegners (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 51 RdNr. 31ff). BGH: Ein Interesse des Sicherungsgebers sei zu bejahen (RdNr. 10). Dafür spricht, dass die Sache wirtschaftlich noch dem Sicherungsgeber gehört. Wirtschaftliche und rechtliche Zuordnung durch die Sicherungsübereignung fallen jedoch auseinander.
2. B steht gegen C ein Anspruch aus § 7 StVG zu.
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Ja, in der Tat!
Eine Sache (der sicherungsübereignete PKW) der B wurde beschädigt. Dies geschah beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs des C. Achtung: Verschulden ist keine Tatbestandsvoraussetzung des § 7 StVG! Es handelt sich (ebenso wie § 833 BGB) um einen Ausnahmefall der Gefährdungshaftung. Die Norm bezweckt den Ausgleich des durch den zulässigen Betrieb eines KFZ entstandenen Schadens.
3. Die Zurechnung von Mitverschulden erfolgt auch im StVG gemäß § 254 BGB.
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Nein!
Das StVG enthält spezielle Vorschriften für die Verteilung der Haftungsanteile. § 17 Abs. 1 StVG behandelt das Innenverhältnis mehrerer Schädiger, die beide nach StVG haften, gegenüber Dritten. § 17 Abs. 2 StVG erklärt die Norm auch auf das Verhältnis mehrerer Fahrzeughalter anwendbar. In diesem Fall stehen sich zwei Haftungstatbestände aus Gefährdungshaftung gegenüber. Weil diese kein Verschulden erfordern, spricht man von Verursachungsbeiträgen und nicht von Mitverschulden. Die im Rahmen des § 17 Abs. 2 StVG ermittelte Haftungsquote ist dann auch auf alle konkurrierenden Ansprüche (etwa § 823 Abs. 1, 2 BGB) zu übertragen. Bei Zusammentreffen von KFZ und „nicht-KFZ“ (Fußgänger etc.) ist hingegen auf § 9 StVG, § 254 BGB abzustellen!
4. B muss sich die Betriebsgefahr des ihr sicherungsübereigneten KFZ nach § 17 Abs. 2 StVG entgegenhalten lassen.
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Nein, das ist nicht der Fall!
BGH: § 17 Abs. 2 StVG sei nur anzuwenden, wenn auch der Geschädigte nach den Bestimmungen des StVG hafte. Eine Erstreckung des Normanwendungsbereiches auf den nicht haltenden Sicherungseigentümer sei abzulehnen. In § 17 Abs. 3 S. 3 StVG habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er sich der Möglichkeit des Auseinanderfallens von Halter und Eigentümerstellung bewusst war. Eine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter sei daher nicht gewollt. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig (BGH, RdNr. 14). Hinweis: § 17 Abs. 3 S. 3 StVG gewährt dem Halter gegenüber dem „Nur-Eigentümer“ die Möglichkeit, sich auf den Haftungsausschluss wegen eines unabwendbaren Ereignisses zu berufen.
5. B muss sich die Betriebsgefahr des ihr sicherungsübereigneten KFZ nach § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB zurechnen lassen.
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Nein, das trifft nicht zu!
BGH: Diese Zurechnungsnorm setze ein festgestelltes Verschulden voraus. Ein nur vermutetes Verschulden genüge gerate nicht. Vielmehr seien die Voraussetzungen nur im Fall des (Mit-)Verschuldens des Führers des sicherungsübereigneten Fahrzeugs im Rahmen der Haftungsabwägung zu berücksichtigen (RdNr. 14,15). Vorliegend ist ein Verschulden des A aber gerade nicht nachgewiesen. Daher kommt eine Zurechnung nicht in Betracht.
6. B muss sich die Betriebsgefahr des ihr sicherungsübereigneten KFZ nach § 278 BGB zurechnen lassen.
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Nein!
§ 278 BGB setzt eine Sonderverbindung zwischen Geschädigtem und Schädiger voraus. BGH: eine solche Sonderverbindung zwischen B und C sei vorliegend nicht gegeben.
7. Bei einem Verschulden von C stünden B auch Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB zu.
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Genau, so ist das!
BGH: Das Sicherungseigentum sei echtes Eigentum im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Daher stehen dem Sicherungseigentümer auch die Rechte aus § 823 Abs. 1 BGB (RdNr. 19). Achtung: Strittig ist diese Frage im Rahmen der Abgrenzung von Rechtsbehelfen in der Zwangsvollstreckung. Teilweise wird vertreten, dem Sicherungseigentümer stehe nicht § 771 ZPO, sondern nur § 805 ZPO zur Verfügung. Denn wirtschaftlich sei das Sicherungseigentum ein besitzloses Pfandrecht, was auch aus §§ 51 Nr. 1, 50 InsO folge. Die h.M. gewährt dem Sicherungseigentümer § 771 ZPO; es gebe kein Eigentum zweiter Klasse. Dem Sicherungseigentümer dürfe nicht die Verwertung in der Zwangsvollstreckung aufgedrängt werden (Herrler, in: Palandt, 78. Auflage, § 930, RdNr. 34).