+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verbraucherin V kauft sich bei Unternehmerin U ein für Vs Auto passendes Navigationssystem. Nach einem Jahr merkt V bei der Nutzung, dass das Kartennetz veraltet ist. Updates des Systems gab es schon länger nicht. V bittet U um eine Erneuerung der Karten.

Einordnung des Falls

Nacherfüllung (§§ 327i Nr. 1, 327l BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist eröffnet (vgl. § 327 BGB).

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Ja, in der Tat!

Es muss der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Der persönliche Anwendungsbereich setzt einen Verbrauchervertrag voraus (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB). Der sachliche Anwendungsbereich setzt voraus, dass der Unternehmer gegen Zahlung eines Preises ein digitales Produkt bereitstellt. V ist Verbraucherin (vgl. § 13 BGB). U ist Unternehmer. Es liegt ein Verbrauchervertrag vor (§ 310 Abs. 3 BGB). Bei dem Navigationssystem handelt es sich um eine digitale Dienstleistung i.S.d. § 327 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB.

2. Das Navigationssystem wurde bereitgestellt i.S.d. § 327b Abs. 4 BGB.

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Ja!

Eine digitale Dienstleistung ist bereitgestellt, sobald sie dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zugänglich gemacht worden ist. Laut Sachverhalt hat V das Navigationssystem bereits genutzt. Ihr ist es also auf jeden Fall bereits zugänglich gemacht worden. Eine Bereitstellung liegt vor.

3. Das Navigationssystem weicht von den subjektiven Anforderungen ab (§ 327e Abs. 2 BGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Was unter die subjektiven Anforderungen fällt, beschreibt § 327e Abs. 2 BGB. Dem Sachverhalt lassen sich keine Informationen zu dem vertraglich Vereinbartem entnehmen. Von einem Verstoß gegen die subjektiven Anforderungen ist daher nicht auszugehen.

4. Es gehört zu den Pflichten des Unternehmers, das digitale Produkt zu aktualisieren (§ 327f BGB).

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Ja, in der Tat!

Gemäß § 327f BGB trifft den Unternehmer eine beschränkte Aktualisierungspflicht. Das Einhalten dieser Verpflichtung gehört zu den objektiven Anforderungen an das digitale Produkt (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BGB). Die Länge der Verpflichtung ist gesetzlich nicht genau festgelegt. Bei Dauerschuldverhältnissen trifft den Unternehmer eine Aktualisierungspflicht während des gesamten Bereitstellungszeitraums (§ 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB). Bei einem Vertrag mit nur einmaligem Leistungsaustausch (Austauschvertrag) ist der Zeitraum im Wege der Auslegung unter Beachtung der üblichen Nutzungsdauer zu ermitteln (vgl. § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB).

5. Entspricht das Navigationssystem den objektiven Anforderungen (§ 327e Abs. 3 BGB)?

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Nein!

Was unter die objektiven Anforderungen fällt, beschreibt § 327e Abs. 3 BGB. Hierzu gehört unter anderem die Aktualisierungspflicht (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BGB). Die Länge der Aktualisierungspflicht ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl. § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB). V benutzt das Navigationssystem erst ein Jahr. Das System ist mit ihrem Auto verbunden (§ 327a Abs. 2 BGB). Gerade unter Berücksichtigung der Nutzungsdauer eines Autos ist jedenfalls ein Jahr noch ein Zeitraum, in dem V eine Aktualisierung erwarten kann. Dem ist U nicht nachkommen. Das Navigationssystem entspricht nicht den objektiven Anforderungen.

6. V kann Nacherfüllung verlangen (§§ 327i Nr. 1, 327l BGB).

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Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen der Nacherfüllung sind (1) die Bereitstellung eines (2) digitalen Produkts, welches einen (3) Mangel aufweist und (4) ein Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers. Die Nacherfüllung ist bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen (§ 327l Abs. 2 S. 1 BGB). Es liegt ein Mangel des Navigationssystems nach dessen Bereitstellung vor. V hat Nacherfüllung verlangt. Anders als im Kaufrecht (vgl. § 439 BGB) entscheidet der Unternehmen über die Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Neulieferung).

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IN

InDubioProsecco

7.6.2023, 17:10:25

Ein Navigationssystem ist doch der klassische Fall einer Ware mit digitalen Elementen, oder nicht? Nach Maßgabe von § 327a Abs. 3 Satz 2 BGB müsste damit Anspruchsgrundlage §§ 437 Nr. 1, 439 BGB sein, wobei für den Mangelbegriff § 475b BGB entscheidend ist. Falls V hier nur das Kartenmaterial kauft, sollte das im Sachverhalt entsprechend markiert sein, das ist sonst sehr verwirrend.

Dogu

Dogu

9.6.2023, 15:18:10

Sehe ich auch so. Ohne Kartenmaterial kann ein Navigationsgerät nicht seine Funktion erfüllen.

EN

ehemalige:r Nutzer:in

31.8.2023, 13:06:24

Ich habe mich auch stark gewundert, warum keine Ware mit digitalen Elementen angenommen wurde. Eine digitale Dienstleistung wurde in den vergangenen Beispielen zum Beispiel bei einem Streaming-Dienst oder einer Datingapp angenommen. Das ergibt auch Sinn, aber ein Navigationsgerät kann seine Funktion nicht ohne das Navigationssystem („Kartenmaterial“) erfüllen. Ich meine auch, dass wir das Navigationssystem als Paradebeispiel für eine Ware mit digitalen Elementen im rep besprochen hatten.

ST

StellaChiara

11.10.2023, 15:03:29

ich glaube es geht darum, dass die ursprüngliche Software auf dem Navi ja existiert. "Nur" die Updates wurden nicht durchgeführt. Das Navi kann mit aufgespielter Software grundsätzlich seine Funktion erfüllen.


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