Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Einzuhaltende Frist zur Leistung vor Rücktritt vom Kaufvertrag
Einzuhaltende Frist zur Leistung vor Rücktritt vom Kaufvertrag
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft K einen Pkw für €9.000. K leistet eine Anzahlung (€2.000). Den Abholtermin am 08.07. will K verlegen. V setzt K eine Frist bis zum 11.07. K reagiert nicht. Am 13.07. erklärt V den Rücktritt. Am 18.07. verkauft V den Pkw für €7.000 an D. V verlangt Schadensersatz. K klagt auf Rückzahlung der Anzahlung.
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Einordnung des Falls
Einzuhaltende Frist zur Leistung vor Rücktritt vom Kaufvertrag
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V könnte wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sein.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt eine Pflichtverletzung der K vor.
Ja!
3. V hat K für den Rücktritt eine angemessene Frist gesetzt.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Vs Rücktrittserklärung erfolgte vor Ablauf der angemessenen Frist. Ihre Rücktrittserklärung war daher unwirksam.
Ja, in der Tat!
5. V fordert von K zudem Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 3, 281). Deshalb steht K ein Anspruch auf Rückforderung ihrer Anzahlung aus §§ 346, 281 Abs. 5 BGB zu, ohne dass es darauf ankäme, dass Vs Schadensersatzforderung berechtigt ist.
Nein!
6. Die materiellen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des V (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB) liegen vor und ein berechtigtes Schadensersatzverlangen des V ist damit gegeben.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. K kann die Anzahlung aus § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen, wenn sie ihrerseits wirksam zurückgetreten ist. Liegt in der Klage auf Rückgewähr der Anzahlung eine konkludente Rücktrittserklärung der K vor?
Ja, in der Tat!
8. Es fehlt an den Rücktrittsvoraussetzungen, da K dem V keine Frist zur Rückzahlung der Anzahlung gesetzt hat (§ 323 Abs. 1 BGB).
Nein!
9. K hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung (€2.000) aus §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1 und 2 BGB.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Saufen_Fetzt
7.1.2023, 15:08:15
Zwei kleine Anmerkungen: (1) so wie der Fall hier dargestellt ist, ist die Angemessenheit der Frist nicht bewertbar/nachvollziehbar. Wenn der BGH meinen sollte, dass eine
angemessene Fristimmer 2 Wochen beträgt, geht das mE contra legem. (2) wie würde man das dann bei der (wohl häufiger vorkommenden) Aufforderung, binnen 3 Tagen einen neuen Abholtermin vorzuschlagen (wann auch immer der dann sein mag), aussehen? mE wurde das dann eher nicht reichen, um eine
Fristsetzunganzunehmen, da *die Kommunikation hinsichtlich der Abholung* eher eine Nebenpflicht ist?
asanzseg
26.2.2023, 14:39:25
@[Saufen_Fetzt](393) ich glaube man kann schon (auch bei diesen knappen Sachverhaltsangaben) sagen dass 3 Tage um einer Haupt!!
leistungspflichtnachzukommen unangemessen kurz ist. Zu der Zweiten Frage würde ich dir zustimmen, die Aussage einen Abholtermin vorzuschlagen kann nicht so ausgelegt werden, dass nach Ablauf dieser Frist ein Rücktritt oder SE begehrt wird!
Saufen_Fetzt
26.2.2023, 15:03:17
@[asanzseg](206214) Das ist so pauschal auf jeden Fall immernoch falsch. Es kommt auf den Einzelfall an, die Interesse der Parteien und den Aufwand der für die Nacherfüllung zu veranstalten ist (dafür habe ich gerade keine Quelle zur Hand, aber denke mal das ist common sense; aufpassen, dass man argumentationstechnisch nicht ungewollt im
Fixgeschäftlandet!). Wenn ich meiner Nachbarin (Tür an Tür im selben Haus) eine Pfanne verkaufe und wir vereinbaren, ich bringe sie „heute Abend“, muss sie mir, wenn ich denn nicht liefere, keine 2 Wochen Frist setzen, obwohl ich eine Haupt!!!pflicht verletze. IE kann man bei dem Autofall hier bestimmt auch sagen, dass 3 Tage nach den (nach der Falldarstellung hier unbekannten) Umständen des Einzelfalles zu kurz sind; dennoch erscheint es mir kaum vorstellbar, dass bei einer Abwägung der Umstände, die im Fall eines Kfz Verkaufs *üblicherweise* (Ausnahmen vorbehalten!) so auftreten (—> hohes Interesse des Verkäufers an zeitiger Abholung [zB Platz in der Garage für seinen neuen Benz] vs regelmässig geringer Aufwand des Käufers für die Abholung [zB mit Taxi/Bahn hinfahren, Schlüssel entgegennehmen, einsteigen, losfahren]), die Angemessenheit einer 2 Wochen Frist rauskommt.
asanzseg
5.3.2023, 21:21:14
@[Saufen_Fetzt](393) gutes Beispiel und guter Punkt!
GingerCharme
16.5.2023, 09:18:47
Ich stimme zu, dass eine Einzelfallentscheidung getroffen werden muss - da mir der BGH aber als "Weltmeister" der Einzelfallentscheidungen bekannt ist (es verbietet sich jede schematische Lösung als Standardformulierung), denke ich, dass dieser eher nicht pauschal auf bestimmte Tagesanzaglen festgelegt ist. Vorliegend sind 3 Tage jedoch mMn in jedem Falle zu kurz - K bat um Verlegung, zeigte also an, eine baldige Abholung sei nicht möglich. Je nachdem zu welcher Tageszeit und auf welchem Wege die Erklärungen erfolgten und ob es Werktage waren, sprechen wir vielleicht von noch weniger Zeit. Ich glaube ich würde es mir in der Klausur leichter machen und in einer etwas komplexeren Situation als in dem Pfannenbeispiel, hier klar die Unangemessenheit der Frist annehmen, diese wird zumindest vertretbar sein, wenn der Sachverhalt nicht nur eine Sichtweise durch Angaben indiziert.
JohnDoer
6.3.2023, 12:16:48
Hätte man die
Entbehrlichkeit der Fristsetzungauch über § 326 V begründen können, da nach der Rechtsprechung die Veräußerung und
Übereignungdie Unmöglichkeit indiziert, soweit K einen Anspruch hierauf stützt?
Nora Mommsen
21.3.2023, 16:54:42
Hallo JohnDoer, danke für deine Frage. Dies ist richtig und entspricht der Rechtsprechung des BGH. Allerdings geht der Entbehrlichkeitsgrund dem der sich auf eine reine Indikation stützt vor. Zudem ist letztere davon abhängig, ob es sich um einen Gattungs- oder Stückkauf handelt. Zu dieser Frage enthält der Sachverhalt zu wenig Informationen um eine abschließende Beurteilung abgeben zu können. In der Klausur gäbe es wohl deutlichere Hinweise darauf, dass es auf diesen Entbehrlichkeitsgrund ankommen soll. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
LENS
25.10.2023, 16:22:57
Richtig habt ihr geschrieben, dass die Rücktrittserklärung auch
konkludenterfolgen kann. Jedoch habt ihr leider den Bezug zu 508 S.5 BGB vergessen/übersehen. Auch wenn dieser hier im Ergebnis nicht passt (Der Verbraucher, nicht der Unternehmer wie bei 508 erklärt
konkludentden Rücktritt), sollte dieser wichtige Verweis ggf. kurz angemerkt werden. LG
Nora Mommsen
26.10.2023, 10:52:10
Hallo LENS, tatsächlich spielt der § 508 S. 5 BGB wie du auch ansprichst hier keine Rolle. Hier hat eben nicht der Unternehmer den Rücktritt konkludiert erklärt. Wir haben aber dennoch einen Vertiefungshinweis ergänzt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Friedrich-Schiller-Universität Jena
28.10.2023, 06:24:06
Liebes Jura-Fuchs Team, die
Fristsetzungwar doch für V entbehrlich gemäß § 323 II Nr. 2 BGB, da doch ein Abholtermin bestimmt war und K dadurch in Gläubigerverzug geriet!?
se.si.sc
28.10.2023, 08:01:46
Halte ich für kaum vertretbar. Nehmen wir einfach mal an, dass K tatsächlich in Gläubigerverzug gerät, weil er den Abholtermin verlegen will (halte ich nicht für offensichtlich, spielt hier aber keine Rolle): Das alleine reicht iRv § 323 II Nr 2 BGB nicht. Es muss vielmehr ein
relatives Fixgeschäftvorliegen, dh V muss ein besonderes, über die "normale" Rechtzeitigkeit der Leistung hinausgehendes Interesse daran haben, dass pünktlich gezahlt wird (die Norm spricht von "wesentlich"). In der Praxis dürfte Kunden so gut wie immer eine Zahlungsfrist durch Mitteilung eines konkreten Datums gesetzt werden. Das allein kann für § 323 II Nr 2 BGB also nicht ausreichen, wie auch der insoweit eindeutige Wortlaut sagt, sonst wäre die
Fristsetzungquasi durchgehend entbehrlich. Besondere Gründe dafür, warum wir hier einen Fall der "Wesentlichkeit" nach § 323 II Nr 2 BGB annehmen sollten, ergeben sich aus der Sachverhaltsdarstellung nicht (zu solchen Kriterien zB MüKo-BGB, § 323 Rn 122.
Leo Lee
28.10.2023, 15:00:26
Hallo Friedrich-Schiller-Universität Jena, in der Tat könnte man zunächst meinen, die
Fristsetzungsei entbehrlich, da ein Abholtermin immerhin vereinbart wurde und damit ein konkreter Zeitpunkt feststand. Beachte allerdings, dass es hier nicht nur um einen Schadensersatz wegen Verzögerung (gem. 286), sondern um einen Rücktritt bzw. SE statt der Leistung geht. Beide Varianten haben die endgültige Abstandnahme vom Vertrag als Resultat (d.h., der Vertrag wird zu Fall gebracht). Und für solch „krassen“ Maßnahmen ist es erforderlich, dass eine
angemessene Fristgesetzt wird. Erst wenn diese Frist verstrichen ist (also der Gegner nicht leistet, obwohl er eine Chance zur zweiten
Andienungerhalten hat), kann man endgültig sich vom Vertrag lösen und entweder zurücktreten oder den SE statt der Leistung fordern. Vorliegend wollte der V gerade den Rücktritt und nicht nur den Verzögerungsschaden (der in diesem Fall in der Tat gegeben wäre, da eine Mahnung – nicht verwechseln mit der Frist – in der Tat entbehrlich war gem. 286 II 2 Nr. 1, aus dem von dir genannten Grund). Deshalb muss er – um den Vertrag „zu Fall“ zu bringen – eine
angemessene Fristsetzen, GERADE weil der K hier den vereinbarten Zeitpunkt versäumt hat. Wenn jetzt der K nochmal die Frist versäumt (wir gehen mal davon aus, dass die
angemessene Fristam 22. Endet), dann muss der V in der Tat diesmal nicht weiter eine Frist setzen, da in diesem Fall eine Frist tats. entbehrlich wäre. Summa summarum – beim „ersten Verschulden ist noch eine
Fristsetzungnötig, soweit der Erklärende bezweckt, endgültig vom Vertrag zurückzutreten. Will er hingegen nur einen Verzögerungsschaden geltend machen (was hier nicht der Fall war), dann ist in der Tat nur der vereinbarte Zeitpunkt wichtig. § 323 II Nr. 2 BGB wäre jedoch dann gegeben – wie se.si.sc zutreffend anmerkt – wenn ein sog. rel.
Fixgeschäftvorliegen würde. Dann müsste jedoch der V davor klargemacht haben, dass der Zeitpunkt der Leistung so wichtig ist, dass der Vertrag damit stehen und fallen soll. Eine solche Bedeutung ist allerdings dem Fall nicht zu entnehmen. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 323 Rn. 117 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo